„Das Jahr 2022 ist unser Jahr. Die Frauen von Sierra Leone verdienen mehr und Besseres als das, was wir von diesem Land die letzten 62 Jahre bekommen haben; wir haben zu lange darauf gewartet, dass unsere unveräußerlichen Menschenrechte und unsere Gleichberechtigung von der Verfassung und den Gesetzen von Sierra Leone anerkannt, geschützt und vorangebracht werden, und jetzt sagen wir, ‚Genug ist genug‘.“
Diese eindringlichen Worte richteten die Teilnehmerinnen der National Women's Conference, die am 16. und 17. März 2022 in Freetown stattfand, an das sierra-leonische Parlament.
Genug ist genug: die Frauen in Sierra Leone fordern politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichberechtigung © UnsplashIn Sierra Leone kommt nach Jahrzehnten politischer Stagnation wieder Bewegung in die Gleichberechtigungsdebatte. Ende 2020 wurde mit der sogenannten Gender Equality and Women’s Empowerment (GEWE) Policy mithilfe verschiedener Stakeholder-Gruppen ein umfassendes Strategiepapier zur Erreichung von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Gleichberechtigung von Frauen formuliert. Basierend auf dem Dokument erarbeitete das Kabinett im Jahr 2021 dann einen ersten Gesetzentwurf, der sich auf politische Teilhabe durch verbindliche Quoten von mindestens 30 Prozent Frauen auf allen politischen Ebenen fokussiert und zudem gleichberechtigten wirtschaftlichen und finanziellen Zugang für Frauen fordert. Dieser Gesetzentwurf wurde allerdings bis heute noch immer nicht vom Parlament angenommen.
Auch vor diesem Hintergrund organisierte die sierra-leonische Frauenrechtsorganisation 50/50 Group die National Women’s Conference mit Frauen aus allen 16 Provinzen des Landes. Die Teilnehmerinnen tauschten sich über die frauenrechtliche Lage in Sierra Leone aus und formulierten gemeinsam ein Kommuniqué. Darin wird nicht nur gefordert, dass das Parlament den vorliegenden Gesetzentwurf endlich annimmt, sondern auch auf die übrigen im Strategiepapier benannten Schlüsselthemen verwiesen, die der Entwurf noch nicht aufgreift. Insbesondere bezüglich Schul- und Erwachsenenbildung für Frauen, frauenzentrierter Gesundheitsversorgung und der Bekämpfung der grassierenden geschlechtsspezifischen Gewalt sieht die National Women's Conference enormen Handlungsbedarf. Auch gleichberechtigter Zugang zu Land ist eine zentrale Forderung, denn viele ländliche Gemeinden Sierra Leones folgen nach wie vor dem traditionellen Gewohnheitsrecht, das Frauen keinen Landbesitz erlaubt. Die Konferenz verlangt weiterhin eine verstärkte Integration von Frauen mit Behinderung in das gesellschaftliche und politische Leben. Menschen mit Behinderung sind in Sierra Leone stark benachteiligt, denn sie erleben soziale, wirtschaftliche und kulturelle Barrieren, die ihnen den Zugang zu Gesellschaft und Beruf erschweren.
Das Kommuniqué wurde im Anschluss an die Konferenz dem sierra-leonischen Parlament präsentiert. Neben der schnellen Umsetzung entsprechender Gesetzesinitiativen forderten die Konferenzteilnehmerinnen von den Abgeordneten auch die Einrichtung eines Frauenfonds zur finanziellen Förderung der frauenrechtlichen Bemühungen.