Internationale Zusammenarbeit

Unsere Leseempfehlungen

Shikiba Babori: Die Afghaninnen

Spielball der Politik
Campus 2022, Frankfurt/New York, 224 Seiten, 22,- €

Die Autorin und Journalistin Shikiba Babori schildert in ihrem Buch die jüngsten politischen Ereignisse in Afghanistan und thematisiert dabei die Rolle der Frauen in unterschiedlichen Lebensbereichen. Um diese einordnen zu können, wirft Babori zuerst ein Blick auf die afghanische Geschichte. Dabei wird deutlich, dass es neben vielen dunklen Jahren für die Frauenrechte auch einige liberale Phasen gab.
So konnten afghanische Frauen unter der Herrschaft von Zahir Shah 1949 erstmals wählen. Unter sowjetischer Besatzung Ende der siebziger Jahre kam es trotz berechtigter Kritik an der „Fremdherrschaft“ zu staatlich geförderten Emanzipationsbewegungen. Nach den „unerträglichsten Jahren“ zwischen 1992 und 2001 wurden die Entwicklungen ab 2001 international überwiegend als positiv, wenn nicht gar progressiv beschrieben.

Babori betont in ihren Ausführungen aber, dass die Stärkung und Geltendmachung eigener Rechte, wie auch schon unter sowjetischer Besatzung, hauptsächlich Frauen in Großstädten vorbehalten waren. Denn urbane Zentren waren die Orte, an denen die internationale Gemeinschaft ihre Erfolge präsentieren konnte: Frauen, die ohne Burkas auf die Straßen gingen, Frauen, die die Universität besuchten oder als Richterinnen arbeiteten. Wie Wikileaks-Veröffentlichungen zeigen, wurden vor allem afghanische Frauen als Legitimation für den militärischen Einsatz der NATO in Afghanistan herangezogen, auch um z.B. europäische Partner ins Boot zu holen.
Ausführlich geht die Afghanistanexpertin auf die rechtliche Situation von Frauen in dem Land am Hindukusch ein. Für diese galt in den meisten Phasen das islamischen Recht der Scharia als Maßstab, aber auch traditionelle Stammesgesetze spielten immer eine große Rolle. Nur selten entsprachen die Rechte, die Frauen zugestanden wurden, international verbrieften Menschenrechten. Vielmehr waren sie daran ausgerichtet, was Männern vorteilhaft erschien.

In dem Kapitel „Als Mädchen in Afghanistan geboren – Gewalt bestimmt das tägliche Leben“ erklärt Babori, dass Neugeborene in der sechsten Nacht nach der Geburt ihren Namen erhalten, viele diesen jedoch nur bis zur Pubertät behalten dürfen. Danach bekommen sie einen Ersatznamen, mit dem sie anschließend innerhalb der Familie angesprochen werden. Außerhalb der Familie werden Frauen namentlich nicht eigenständig adressiert, sondern ausschließlich über ihre Beziehung zu Männern: so werden sie von der Tochter ihres Vaters oder der Schwester ihres Bruders zur Frau ihres Ehemannes und später zur Mutter ihres Sohnes. 2017 starteten Frauenrechtsaktivistinnen die wichtige Initiative #whereismyname - diese forderte, die Namen von Frauen in Afghanistan öffentlich zu verwenden -, bislang aber ohne Folgen für die Praxis.

Ein lesenswertes Buch! Die Reise durch die afghanische Geschichte und deren Bedeutung für Frauen bietet einen spannendenden, oft aber auch verstörenden Einblick, wie afghanische Frauen für die politischen Interessen der jeweiligen Machthaber im Land instrumentalisiert wurden. Die vielen persönlichen Kontakte und Erfahrungen, auf die die Autorin sich beziehen kann, schaffen eine greifbare Vorstellung der Lebensumstände vieler Afghaninnen. Lediglich die Kritik am NATO-Einsatz bleibt etwas pauschal und hätte für noch konkreter werden können.

Bei Buch7 kaufen

5% des Einkaufspreises gehen an TERRE DES FEMMES

nach oben
Jetzt spenden