Bekommt Chile die erste feministische Verfassung?

Viele ChilenInnen hoffen auf eine sozial gerechte und feministische Auslegung der neuen Verfassung. Foto: © Juan Manuel Núñez Méndez. unsplash.com

2021 ist Wahljahr. Nicht nur in Deutschland entscheidet sich dieses Jahr, in welche Richtung die Politik die nächsten Jahre geht. Im April 2021 wird auch in Chile ein neuer Verfassungskonvent gewählt. Das Besondere daran: die Hälfte der 155 Mitglieder des verfassungsgebenden Gremiums sind Frauen. Parität, wie sie sonst fast nirgendwo auf der Welt existiert. Innerhalb eines Jahres soll eine neue Verfassung entstehen - ein feministischer Neuanfang?

Chile – ein Land, das mittlerweile als Demokratie gilt, strenggenommen aber weiter mit der Verfassung des früheren Diktator Pinochet regiert wird. Dieser riss 1975 durch einen Militärputsch die Macht im Land an sich. Erst 1990 wurde er abgesetzt. Für viele ChilenInnen stellt das Regieren mit einer Verfassung, die noch aus Zeiten der Militärdiktatur stammt, schon lange ein Unding dar. Mit einer Zustimmung von 80 Prozent wurde deshalb Ende Oktober 2020 durch ein Referendum entschieden: Chile bekommt eine neue Verfassung. Damit wird es auch das erste Land der Welt sein, dessen verfassungsgebendes Gremium zur Hälfte aus Frauen besteht. Parität galt als gemeinsame Forderung von weiblichen Abgeordneten der Parteien, wurde aber auch von Seiten vieler feministischer Organisationen gefordert und erkämpft. Lediglich die konservative Rechte im Land hat kein Interesse an einer neuen Verfassung und legt bei jedem einzelnen Schritt Steine in den Weg. Auch die Beteiligung unabhängiger KandidatInnen sowie die Vertretung der indigenen und afrochilenischen Bevölkerung und der sozialen Bewegungen, ist mit Blick auf die Erarbeitung einer neuen Verfassung noch immer ungeklärt.

Für die chilenische Feministin Maira bedeutet der weltweit erste Verfassungskonvent, der zur Hälfte von Frauen entwickelt wird, einen historischen Sieg. Maira leitet das Aktionsbündnis für das Recht auf Abtreibung und ist Teil der Feministischen Plurinationalen Versammlung. Auch wenn dieser Schritt für sie - gleichbedeutend mit der Einführung des Frauenwahlrechts - enorm wichtig ist, macht sie sich keine falschen Hoffnungen, dass es damit schon getan sei. Nun gilt es, alle Mitstreiterinnen mit feministischen Überzeugungen zu mobilisieren. Maira erhofft sich eine de facto feministische Verfassung, die den Weg für mehr Gleichheit zwischen Männern und Frauen, vor allem im alltäglichen Leben, ebnet. Sie weiß: das Fundament für ein besseres Land, in dem die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen respektiert werden, ist das, was sich viele ChilenInnen von der neuen Verfassung wünschen. Auch die Beteiligung der Jugendlichen motiviert Maira, den Druck aufrechtzuerhalten – ihr Ziel ist, die Parität zu nutzen, um eine neue Verfassung für eine gerechtere Gesellschaft zu entwickeln.

Quellen

 

Stand: 02/2021