Formen und Ausmaße häuslicher Gewalt

Formen

Häusliche Gewalt ist definiert als Gewalt zwischen Erwachsenen in der Familie oder Paarbeziehung. Häusliche Gewalt ist körperliche, psychische, sexuelle, soziale und finanzielle Gewalt, die innerhalb einer Intim- oder Familienbeziehung ausgeübt wird und Kontrolle und Machtausübung zum Ziel hat. Sowohl Kriminalstatistiken als auch wissenschaftliche Studien zeigen, dass häusliche Gewalt geschlechtsgebunden ist - sie wird häufiger von Männern ausgeübt, Opfer sind meist die Frauen. Sie tritt unabhängig von Ethnie, Alter, sozialem Status auf. Sie wird wiederholt ausgeübt, ist lebensbedrohlich und kann das Leben von Frauen und Kindern langfristig zerstören. Kurz: Sie ist ein "komplexes Misshandlungssystem" (Maschewsky-Schneider 2004: 23).

Physische Gewalt: Ohrfeigen, Faustschläge, Tritte, Stöße, Würgen, Fesseln, Angriffe mit Waffen aller Art oder mit Gegenständen, Morddrohungen und Mord.

Psychische Gewalt: Drohungen, sich selbst, der Partnerin, den Kindern etwas anzutun. Drohen, die Kinder wegzunehmen. Beleidigungen, Demütigungen, Lächerlichmachen in der Öffentlichkeit.

Sexuelle Gewalt: Nötigung, Vergewaltigung oder Zwangsprostitution.

Soziale Gewalt: Die Isolation des Opfers von Familie und Freundeskreis, die Kontrolle der Kontakte, Verbot von Kontakten, Einsperren.

Finanzielle Gewalt: Arbeitsverbote oder Arbeitszwang, alleiniger Kontrolle der Finanzen durch den Täter, also: Das Erzeugen von finanzieller Abhängigkeit.

Gewalt in einer Beziehung ist nie ein einmaliges Ereignis. In den meisten Misshandlungsbeziehungen wird die Gewalt von der gewaltausübenden Person systematisch eingesetzt, um das Gegenüber ständig in einer unterlegenen Position zu halten. Betroffene leiden oftmals unter Selbstzweifeln und übernehmen die Verantwortung für die erlebte Gewalt.

Ausmaß

Studien belegen, dass zwischen 15% und über 70% aller Frauen weltweit häuslicher Gewalt ausgesetzt sind oder waren. Damit ist häusliche Gewalt für Frauen jeden Alters und überall auf der Welt die größte Gefahr für Gesundheit und Leben. Häusliche Gewalt wird unabhängig von Nationalität, Kultur, Religion und sozialem Status verübt. Werden Frauen Opfer von Gewalt, kommt der Täter fast immer aus dem so genannten "Sozialen Nahfeld".

Das Wichtigste in Zahlen

Laut einer repräsentativen Studie der WHO werden zwischen 13% (Japan) und 49% (Äthiopien) aller Frauen mindestens einmal in ihrem Leben Opfer Häuslicher Gewalt. Rechnet man die sexualisierte Häusliche Gewalt dazu, haben zwischen 15% bis 71% aller Frauen in ihrem Leben Häusliche Gewalt erlebt (WHO 2005: 6).

Laut United Nations Population Fund haben 29% der in Kanada lebenden und 22% der US-amerikanischen Frauen schon einmal Gewalt durch einen (Ex-)Partner erlebt (Unfpa 2000: 26). Laut der gleichen Quelle wird in den USA statistisch gesehen alle 15 Sekunden eine Frau geschlagen, in der Mehrzahl von einem Intimpartner (Unfpa 2000: 26).

Ein Vergleich nationaler Studien besagt, dass in Europa zwischen 12% und 15% aller Frauen über 16 schon einmal in einer gewalttätigen Beziehung gelebt haben (Hagemann-White 2006: 8).

Laut einer repräsentativen Studie des BMFSFJ haben rund 25% aller in Deutschland lebenden Frauen schon einmal Formen körperlicher oder sexueller Gewalt (oder beides) durch aktuelle oder frühere BeziehungspartnerInnen erlebt (BMFSFJ 2004: 9). Das ist, statistisch gesehen, jede vierte Frau. Damit nimmt Deutschland im europäischen Vergleich bei häuslicher Gewalt eine "Spitzen"position ein.

Jährlich werden in Deutschland etwa 60.000 Fälle häuslicher Gewalt der Polizei gemeldet (Müller-München 2006: 1).

Eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen belegt, dass zwei Drittel der Gewalttaten gegen Frauen im sozialen Nahraum erfolgen (zitiert bei: Maschewsky-Schneider 2004: 25 ).

Bibliographie

BMFSFJ / Ursula Müller, Monika Schröttle (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Zusammenfassung zentraler Studienergebnisse, Bonn.
HAGEMANN-WHITE, Carol/ COUNCIL OF EUROPE (2006): Combating Violence Against Women. Stocktaking-Study On The Measures And Actions Taken In Council Of Europe Member States, Strasbourg.
MASCHEWSKY-SCHNEIDER, Ulrike/ HELLBERND, Hildegard et al. (2004): Häusliche Gewalt gegen Frauen: Gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L.- Interventionsprogramm. Handbuch für die Praxis, Wissenschaftlicher Bericht, Berlin.
MÜLLER-MÜNCHEN, Ingrid (2006): Er riss an mir und riss und riss, in: FR aktuell, 10.01.2006,
UNFPA - United Nations Population Fund (2000): The State Of World Population - Lives together, Worlds apart. Men and Women in a Time of Change,
http://www.unfpa.org/public/cache/offonce/home/publications/pid/3453;jsessionid=4C3A8C52B424B99A07B517B2A2BDA089
UNICEF (2000): Domestic Violence Against Women and Girls, in: Innocenti Digest (6/2000), Florenz.
WHO (2005): Summary Report: WHO Multi-Country Study on Women's Health and Domestic Violence against Women. Initial results on prevalence, health outcomes and women's responses, Genf.
http://www.who.int/gender/violence/who_multicountry_study/summary_report/en/index.html