Viele Reaktionen hat es bereits zu unserem Kongress "Mädchenrechte stärken - weltweit" anlässlich unseres runden Geburtstags gegeben. Über eine haben wir uns ganz besonders gefreut, drum wollen wir sie hier veröffentlichen: Norma Escobedo de Driever, TDF-Mitfrau und Dichterin, hat sich von einem Bild der Künstlerin Serpil Neuhaus zu einem Gedicht über Zwangsverheiratung inspirieren lassen und uns das Gedicht zum Geburtstag geschenkt.
Vielen herzlichen Dank, liebe Norma!
Der stille Schrei
Der Stille Schrei
© Serpil NeuhausSüße Lilie, weine nicht, stehe auf, blühe!
Trinke aus dem Brunnen der Zukunft
Verbreite deinen eigenen Duft.
Als deine Träume dir gehörten, warst du
der Morgentau auf dem Gesicht des Frühlings.
Der Hauch des Windes trieb dich
durch die Klassenräume des Wissens,
in denen du schüchtern
die Wohlgerüche des Mädchenseins bemerktest.
Als du jung wie eine frische Blume warst
und dich noch die Träume im Schlaf kitzelten
wurde ein Stein auf deinen Weg gerollt.
Die Gebräuche der Tradition flogen mit dir.
Du musstest auf anatolischen Boden
die Eheringe mit einem Fremden tauschen.
Seitdem bohrt das Geschäft der Ehre
in den Wunden deines Leides.
Dein Schrei hat in Deutschland keinen Widerhall,
er taucht ins Meer deiner Tränen ein.
In den stürmischen Nächten schreist du
still aus der Tiefe deines Herzens nach Trennung.
Für das verbotene Wort bezahlst du,
mit der Versteinerung deiner Seele im Schlafgemach.
Du bist heute eine welke Blume in der Isolation.
Die Angst frisst täglich die Blumenblätter deiner Jugend.
In deinen Augen funkelt die Wut der Verzweiflung,
bis deine Gedanken ins Paradies des Todes fliehen.
Süße Lilie, weine nicht, stehe auf, blühe!
Trinke aus dem Brunnen der Zukunft
Verbreite deinen eigenen Duft.
Dr. Norma Escobedo de Driever
Koordinatorin der Städtegruppe Bielefeld, 2011
Gedicht zum Bild ohne Titel der Künstlerin Serpil Neuhaus