Berlin, 5.2.2013. Am Donnerstag, den 7. Februar 2013, jährt sich der Todestag von Hatun Sürücu zum achten Mal. Die Deutsch-Türkin wurde mit 23 Jahren von ihrem jüngeren Bruder auf offener Straße in Berlin-Tempelhof erschossen, um die vermeintliche Ehre der Familie zu retten. Hatun hatte diese verletzt, als sie sich aus einer Zwangsehe befreite. Ein Gedenkstein an der Oberlandstraße/Haltestelle Oberlandgarten erinnert an die blutige Tat. Die Bezirksbürgermeisterin ruft am 7. Februar um 11 Uhr an dieser Stelle mit einer Kranzniederlegung zum gemeinsamen Gedenken an das bekannteste Opfer eines „Ehren“-Mordes in Deutschland auf. TERRE DES FEMMES und der Berliner Arbeitskreis (AK) gegen Zwangsverheiratung unterstützen die Veranstaltung und fordern, das zunehmende öffentliche Bewusstsein für Ehrverbrechen mit der Benennung einer Straße nach Hatun Sürücu weiter zu fördern.
Gewalt im Namen der Ehre ist in Deutschland kein Einzelfall. Dies zeigen die steigenden Zahlen der Beratungsstelle von TERRE DES FEMMES: 2012 wandten sich 313 Bedrohte und Betroffene von Ehrverbrechen an die Beratungsstelle des Vereins. Im Vergleich: 2011 waren es 262. 130 Personen suchten Unterstützung zu Gewalt im Namen der Ehre, 118 zu drohender oder vollzogener Zwangs-heirat, 48 wegen Verschleppung ins Ausland und 17 zu Jungfräulichkeit. „Der sogenannte Ehrenmord an Hatun Sürücu hat Deutschland erschüttert und eine Debatte über Menschenrechtsverletzungen im Namen der Ehre angestoßen. Die steigenden Zahlen bedrohter oder betroffener Mädchen und Frauen belegen: Wir dürfen im Kampf gegen diese schwere Form der Gewalt nicht nachlassen! Die Benen-nung einer Straße nach Hatun Sürücu wäre eine würdige Maßnahme, um ihrer und anderer Opfer von ‚Ehren’-Morden zu gedenken“, mahnt Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES.
Eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne zur Aufklärung und Sensibilisierung über Gewalt im Namen der Ehre fordert auch der Berliner AK gegen Zwangsverheiratung, der sich bereits seit 2002 mit dem Thema beschäftigt und Präventionsmaßnahmen gegen Zwangsheirat entwickelt. Die Koordinatorin des AK, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftrage des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzberg, Petra Koch-Knöbel, bestätigt einen Anstieg der Beratungsfälle in Berlin und macht deutlich: „Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung und muss als solche auch öffentlich geächtet werden. Es ist weder aus patriarchalisch-traditionellen noch aus vermeintlich religiösen Gründen akzeptabel, dass Zwangsverheiratungen in Deutschland praktiziert werden. Jede Frau hat das Recht auf ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben!“
Weitere Veranstaltung zum Gedenken an Hatun Sürücu am 7. Februar
15 Uhr Mahnwache: Oberlandgarten 1/ Ecke Oberlandstraße in 12099 Berlin Tempelhof
mit Frank Henkel, Senator Inneres und Sport, Initiator: HEROES
Für Nachfragen und Interviews stehen wir gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an
Monika Michell, TERRE DES FEMMES, Referentin zu Gewalt im Namen der Ehre, Tel. 030/40504699-25 oder per E-Mail an: presse@frauenrechte.de.
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TERRE DES FEMMES ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Mädchen und Frauen, die durch Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit, persönliche Beratung, Förderung von Projekten und internationale Vernetzung von Gewalt betroffene Mädchen und Frauen unterstützt. TERRE DES FEMMES klärt auf, wo Mythen und Traditionen Frauen das Leben schwer machen, protestiert, wenn Rechte beschnitten werden und fordert eine lebenswerte Welt für alle Mädchen und Frauen – gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei! Unsere Schwerpunktthemen sind Häusliche Gewalt, Zwangsheirat und Ehrverbrechen, weibliche Genitalverstümmelung, Frauenhandel, Zwangsprostitution und soziale Rechte für Arbeiterinnen. Der Verein wurde 1981 gegründet, die Bundesgeschäftsstelle befindet sich in Berlin. Weitere Informationen finden Sie unter www.frauenrechte.de
Petra Koch-Knöbel
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und Sprecherin des Berliner AK gegen Zwangsverheiratung ist erreichbar unter Tel. 030/90298-4111/-4109 oder per E-Mail an: petra.koch-knoebel@ba-fk.berlin.de
Seit 2002 beschäftigt sich der Berliner AK gegen Zwangsverheiratung und die Unterarbeitsgruppe Schulaktionen gegen Gewalt, die von der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzberg koordiniert werden mit dem Thema Zwangsverheiratungen. In den oben genannten Gremien sind die Berliner Antigewaltprojekte, Krisen- und Zufluchtseinrichtungen, TERRE DES FEMMES, Frauenhäuser, Schulen, Rechtsanwältinnen, Polizei, Jugendämter, Jobcenter, die mit dem Thema konfrontiert sind, vertreten.