• 05.11.2023

Zu Besuch bei unserer Partnerorganisation in Sierra Leone

Susanna Keim mit den Teilnehmerinnen und dem Team des Berufsbildungsprojekts © TDF

Ende Juli 2023 reiste Susanna Keim, Referentin für Internationale Zusammenarbeit bei TERRE DES FEMMES, nach Sierra Leone, wo TDF bereits seit dem Jahr 2009 die sierra-leonische Frauenrechtsorganisation Amazonian Initiative Movement (AIM) unterstützt. Im Fokus der Reise stand der Besuch der von TDF finanzierten Partnerprojekte, allen voran das Mädchenschutzhaus, in dem vor weiblicher Genitalverstümmelung (engl. Female Genital Mutilation – FGM) und anderen Gewaltformen geflohene Mädchen eine sichere Zuflucht finden und ihre Schulbildung fortsetzen können. Die Freude über den Besuch war riesig: die Mädchen führten Susanna mit Begeisterung durch ihre Nachbarschaft, erzählten von ihrem Alltag im Schutzhaus und berichteten stolz von ihren Erfolgen in der Schule.

Susanna nahm außerdem an den Seifenherstellungs-, Alphabetisierungs- und Businesskursen des im vergangenen Jahr von TDF und AIM gestarteten Berufsbildungsprojekts teil und konnte sich von den beeindruckenden Fortschritten überzeugen: Hatte während des letzten Besuchs vor Ort Lehrer Yussufu Kanu noch jeden Schritt der Seifenherstellung genau erklärt und vorgeführt, nahm er diesmal die Rolle des Zuschauers ein und gab höchstens gelegentlich noch Tipps, während die Kursteilnehmerinnen den gesamten Produktionsprozess selbstständig umsetzten. Ihr nächstes Ziel ist es, aufwendigere Seifenvarianten mit anderen Farben und Düften herstellen zu lernen, die sich noch besser verkaufen lassen. In den Alphabetisierungskursen ist das Lerntempo der Teilnehmerinnen teilweise recht unterschiedlich, doch jede Frau kann persönliche Erfolge für sich verbuchen. „Ich habe mein Leben lang nur mit Daumenabdruck unterzeichnet – jetzt kann ich endlich mit meinem Namen unterschreiben!“ erzählte etwa Zaria*, ehemalige Beschneiderin und eine der ältesten Kursteilnehmerinnen, mit sichtlichem Stolz. In den Businesskursen erlernen die Frauen wichtige Grundlagen zum Aufbau eines eigenen Kleinunternehmens, damit sie die im Projekt erworbenen Qualifikationen später tatsächlich zum Erwirtschaften eigener Einkünfte nutzen können.

Neben dem Besuch der Partnerprojekte stand zudem die Vorbereitung eines von TDF für das kommende Jahr geplanten Bildungsprojekts im Fokus der Reise: Eine digitale Foto- und Informationsausstellung soll Konzepte zum wirksamen Schutz von Frauen und Mädchen vor weiblicher Genitalverstümmelung in Sierra Leone und Deutschland vorstellen. Zu diesem Zweck begleitete der Fotograf und Kameramann John Kranert den Besuch in Sierra Leone; die von ihm gemachten Foto- und Videoaufnahmen sowie zahlreiche von TDF geführte Interviews sollen ein zentraler Bestandteil der digitalen Ausstellung werden. Neben dem Schutzhaus und Berufsbildungsprojekt wurden noch zahlreiche weitere Maßnahmen in AIMs unermüdlichem Kampf gegen FGM dokumentiert, darunter ein Schneiderei-Atelier für frühere FGM-Praktizierende, Schul-, Mütter- und Ehemänner-Clubs, die in ihrem Umfeld wichtige Aufklärungsarbeit zu den Risiken der schädlichen Praktik leisten, und die politische Arbeit auf nationaler Ebene im Rahmen des des sogenannten Forum Against Harmful Practices (FAHP), dem Dachverband sierra-leonischer NGOs, die sich gegen FGM engagieren.

Eine besondere Ehre war die Gelegenheit, einem der von AIM organisierten alternativen Initiationsrituale („rituals without cutting“ – Rituale ohne Beschneidung oder „bloodless rites“ – Riten ohne Blut) beizuwohnen. In Sierra Leone ist FGM nach wie vor eng mit den traditionellen Übergangsritualen verknüpft, mit denen Mädchen ihren Eintritt ins Erwachsenenleben feiern und alles lernen sollen, was sie für ihr Leben als erwachsene Frau in der sierra-leonischen Gesellschaft wissen müssen. Das Ritual dauert bis zu zwei Wochen und hat große gesellschaftliche Bedeutung. AIM revolutioniert diese Tradition, indem sie alternative Initiationsrituale ausrichten, die FGM aussparen, alle anderen Komponenten der traditionellen Riten jedoch beibehalten. Dieses Konzept nimmt auch denjenigen den Wind aus den Segeln, die in der Bewegung gegen FGM eine aus dem Westen gesteuerte Zerstörung der sierra-leonischen Kultur sehen. Der Großteil des Rituals wird vor Außenstehenden streng geheim gehalten, Susanna Keim und John Kranert wurde jedoch erlaubt, einige Aspekte davon zu beobachten und für die geplante digitale Ausstellung zu dokumentieren.

AIM setzt sich unermüdlich und auf vielfältigste Weise gegen FGM in Sierra Leone ein. Wir freuen uns sehr darauf, in unserer digitalen Ausstellung schon bald noch mehr Einblicke in ihre so wichtige Arbeit geben zu können! Mit einer Spende können Sie AIM schon heute unterstützen – jeder Euro macht einen Unterschied und trägt dazu bei, noch mehr Mädchen und Frauen in Sierra Leone vor weiblicher Genitalverstümmelung zu schützen!

*Name geändert

  • Behind-the-scenes beim Interview mit Ramatu, frühere Beschneiderin und heute Köchin im Mädchenschutzhaus © TDF
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