• 15.07.2023

Update zum Kooperationsprojekt Indien: Juli 2022 – Juni 2023

Die Beraterin des BHUMIKA Beratungszentrums wird am Weltfrauentag für ihre Dienste durch die Polizei in Karimnagar geehrt. (© BHUMIKA)

Ein Fall wie der von Ms. Mamatha1 wird oft an die Beratungsstelle der TDF-Partnerorganisation BHUMIKA Women’s Collective (BHUMIKA) in Indien herangetragen: die Minderjährige bat die Polizei in Karimnagar um Hilfe, weil sie mit einem Mann verheiratet werden sollte, ohne das legale Heiratsalter von 18 Jahren erreicht zu haben. Die Polizei schaltete BHUMIKA ein, um das Mädchen rechtlich und emotional zu begleiten. In Absprache mit dem Jugendamt konnte die Minderjährige in einer Schutzunterkunft untergebracht und so vor der Zwangsehe bewahrt werden.

Seit 2015 betreibt BHUMIKA das Beratungszentrum in der Polizeistation der Stadt Karimnagar im Bundesstaat Telangana. Ziel der Gründung war, einen sicheren Raum für Überlebende von Gewalt zu schaffen und ihnen eine professionelle Beratung anzubieten.

Zwischen Juli 2022 und Juni 2023 erhielten insgesamt 476 gewaltbetroffene Frauen Unterstützung im Beratungszentrum. Etwa 90 Prozent der Fälle wurden von der Polizeistation, die sich im selben Gebäude befindet, an das Beratungszentrum überwiesen. Die übrigen 10 Prozent fanden ihren Weg dorthin durch ehemalige Klientinnen, FreundInnen, das Sakhi Centre (One Stop-Krisenzentrum) oder die BHUMIKA Hilfehotline.

Gewaltkontexte

Die Beraterin bietet den Frauen rechtlichen und psychologischen Beistand und arbeitet gemeinsam mit ihnen an einer individuellen Lösung für ihre Situation. Die meisten Hilfesuchenden berichteten von verschiedenen Gewaltformen und Misshandlungen durch ihre Ehemänner und in einigen Fällen auch durch andere Familienmitglieder. Häufige Gründe für die eskalierende Gewalt waren außereheliche Affären, übermäßige Nutzung des Handys und lange Telefongespräche, die zu Unsicherheiten und Missverständnissen in der Beziehung führten. Weitere Probleme wie finanzielle Schwierigkeiten, Alkoholismus, Bigamie (Doppelehe) und Vernachlässigung familiärer Pflichten spielten ebenfalls eine große Rolle.

Insgesamt wurden 1.963 Beratungsgespräche im Berichtszeitraum durchgeführt. Diese setzten sich aus 494 individuellen Beratungsgesprächen, 457 Beratungsgesprächen mit den Ehepartnern, 464 Paartherapiesitzungen und 548 Gruppensitzungen mit Familienmitgliedern beider Parteien zusammen. Einige Fälle gestalteten sich als schwierig, v.a. dann, wenn die Täter eine Beratung vehement ablehnten. Die Beraterin suchte in diesen Fällen die Unterstützung von Personen mit Einfluss auf den Täter, wie etwa Dorfvorstehern, Verwandten oder FreundInnen, um eine Teilnahme zu erreichen.

Erfolge

Nach den meisten Beratungsterminen konnten positive Veränderungen im Verhalten, sowohl der Betroffenen als auch der Täter, festgestellt werden. In einigen Fällen blieb diese jedoch aus. Insgesamt wurden neun Fälle dem Jugendamt, 11 Fälle einer Entzugsklinik, 55 Fälle der Polizei, 22 Fälle dem Gericht bzw. AnwältInnen, zwei Fälle Schutzunterkünften und 14 Fälle dem One Stop-Krisenzentrum übergeben.

Da viele Frauen finanziell von ihren Ehemännern abhängig sind, ist ein eigenes Einkommen oft entscheidend, damit sie überhaupt die Möglichkeit haben, eine gewaltvolle Beziehung verlassen zu können. Während des Berichtszeitraums erhielten zwei Frauen Nähmaschinen mit finanzieller Unterstützung von TDF, um ihren Lebensunterhalt durch Näharbeiten eigenständig sichern zu können.

Die Beratungsarbeit von BHUMIKA wird in der Region sehr wertgeschätzt. So erhielt die Beraterin in Karimnagar am Internationalen Frauentag u.a. eine Ehrung von der NGO „Amma“ sowie ein „Zertifikat der Wertschätzung - für die beste Unterstützung für weibliche Überlebende von Gewalt“ von ministerieller Seite.

Herausforderungen

BHUMIKA steht jedoch auch Herausforderungen gegenüber: die Beraterin hat kaum Zeit für Pausen zwischen den Sitzungen, da so viel zu tun ist. Auch fehlt es an einer Bezugsperson, mit der sie sich regelmäßig über die meist psychisch belastenden Fälle austauschen kann. In unregelmäßigen Abständen finden Supervisionen statt. Für eine zweite Fachkraft in Karimnagar, mit der ein Austausch über Fälle direkt möglich wäre, fehlt bislang jedoch die Finanzierung. Zudem waren die Einstellungen der Täter oft sehr starr, und es war häufig schwierig, sie von rechtlichen Grundlagen und der Relevanz von Gleichberechtigung zu überzeugen. Eine zusätzliche Beraterin könnte auch in diesem Punkt eine wichtige Unterstützung sein.

Bitte um Unterstützung

Die Arbeit von BHUMIKA wird vor Ort weiter dringend benötigt. Unverändert viele Frauen und Mädchen sind täglicher Gewalt ausgesetzt und auf die Unterstützung durch Dritte angewiesen, um der Gewaltspirale zu entkommen. Damit das Beratungszentrum der hohen Nachfrage gerecht werden kann, wird dringend eine zweite Beraterin benötigt. Unterstützen Sie dieses Vorhaben mit einer Spende – jeder einzelne Euro macht einen Unterschied!

1Der Name wurde redaktionell geändert.

Stand 07/2023

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