• 03.02.2020

Stellungnahme von TERRE DES FEMMES zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Hochschulgesetz – HSG)

TERRE DES FEMMES (TDF) bewertet das Vorhaben, ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein als angebracht und begrüßt die Änderung. Frauen, die dazu gezwungen werden, Burka oder Niqab zu tragen, oder diese aus einem inneren Zwang heraus tragen, ist ein freies, gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben nicht möglich. Vollverschleierte Frauen können somit viele der ihnen durch das Grundgesetz garantierten Rechte nicht wahrnehmen.

Die Vollverschleierung wirkt der erfolgreichen Integration entgegen, sie repräsentiert ein inakzeptables Geschlechterbild und steht für eine patriarchalische Gesellschaft der Unterdrückung. Die offene Kommunikation, welche durch einen Gesichtsschleier nicht gewährleistet werden kann, ist in Lehr- und Bildungseinrichtungen von großer Relevanz.

Wir sprechen uns, vor dem Hintergrund des Schutzes und der Ermächtigung von Frauen, ihre durch das Grundgesetz garantierten Rechte wahrzunehmen, für ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum aus. Im Folgenden legen wir dar, warum ein Verbot der Vollverschleierung nicht nur an Hochschulen, sondern auch in der Öffentlichkeit durchgesetzt werden muss.

  • Wahrnehmung der Grund- und Freiheitsrechte sichern

Frauen, die dazu gezwungen werden, Burka oder Niqab zu tragen oder diese aus einem inneren Zwang heraus tragen, ist es nicht möglich, wichtige Grund- und Freiheitsrechte wahrzunehmen.

Die Vollverschleierung steht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) entgegen, da vollverschleierte Frauen an einfachsten Formen des sozialen Zusammenlebens, wie zum Beispiel einem gemeinsamen Essen oder Trinken eines Kaffees im öffentlichen Raum nicht teilhaben können. Die zwischenmenschliche Kommunikation wird durch das Fehlen von Mimik und Gestik so weit eingeschränkt, dass sie auf das pure Sprechen reduziert bleibt.

Die Vollverschleierung verletzt die Menschenwürde (Art. 1 GG) der Frau und ist Ausdruck von Sexismus und Geschlechtertrennung (Art. 3 GG). Ein staatliches Verbot der Vollverschleierung kann somit dazu beitragen, Frauen zu ermächtigen, ein selbstbestimmtes und freies Leben zu führen.

In westlichen Gesellschaften werden Mimik und Gestik als sichtbarer Ausdruck der Identität eines Menschen verstanden. Diese Sichtbarkeit der Person ist eine wichtige Voraussetzung für den persönlichen Dialog und trägt zur Vertrauensbildung bei. Auch Integration ist nur durch soziale Interaktion und beidseitiges Vertrauen möglich. Vollverschleierung dagegen schafft eine Barriere zwischen Trägerin und Umwelt und stellt ein Integrationshindernis dar. Gerade auch mit Blick auf die Herausforderung, die neu angekommenen Menschen in Deutschland zu integrieren, kann ein staatliches Verbot der Vollverschleierung dazu beitragen diese künstliche Barriere abzubauen. Wir sind überzeugt, dass nur eine gelungene Integration und gesellschaftliche Teilhabe Frauen ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben zu führen und somit geschlechtsspezifische Gewalt präventiv verhindert werden kann.

  • Symbolik und Bedeutung/Religionsfreiheit

Alle Formen des Körperschleiers und des Gesichtsschleiers sind Ausdruck eines extrem religiösen Fundamentalismus, der Missachtung und Erniedrigung der Frau und ihrer Degradierung zu einem Objekt. Der Schleier unterteilt Frauen in sogenannte „ehrbare“ und „nicht ehrbare“ Frauen und ist somit eng mit dem Themenkomplex der Gewalt im Namen der Ehre verbunden. Eine Duldung der Vollverschleierung stärkt insofern nicht die Religionsfreiheit, sondern den Einfluss von fundamentalistischen Auslegungen des Islams.

Religionsgemeinschaften, die eine einschränkende geschlechtsspezifische Kleidung vorschreiben, obwohl der Koran weder explizit die Pflicht zum Tragen eines Kopfschleiers, noch die Vollverschleierung von Kopf bis Fuß fordert, erkennen die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 GG) nicht an. Vielmehr instrumentalisieren sie die Religion, um patriarchale Machtstrukturen zu erhalten. Wir betrachten Religionsgemeinschaften kritisch, die das Tragen der Vollverschleierung befürworten. Denn sie erkennen das Grundgesetz nicht an, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und eine unantastbare Würde besitzen, die es möglich macht, sich auf gleicher Ebene zu begegnen. Eine solche menschenrechtswidrige Einstellung darf nicht über das Argument der Religionsfreiheit geschützt werden. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau hat als Ausdruck der Menschenwürde über religiösen Dogmen zu stehen. In der Auseinandersetzung mit den Inhalten und Praktiken einer Weltanschauung darf es keine Sonderstellung und keine tabuisierten, unantastbaren Bereiche geben. Sonst besteht die Gefahr, dass diese Bereiche missbraucht werden, um gesellschaftliche und rechtliche Normen zu umgehen. Die grundrechtlich verbriefte Religionsfreiheit darf nicht zur Worthülse werden, die dafür genutzt wird, frauenverachtende Gesinnungen zu legitimieren.

  • Zeichen der internationalen Solidarität

Die Entwicklung bzw. Rückschritte der vergangenen Jahre in vielen totalitären bzw. autoritären Staaten im Hinblick auf Frauen- und Menschenrechte ist besorgniserregend. In einigen Ländern müssen Frauen um ihr Leben fürchten, wenn sie sich unverschleiert in der Öffentlichkeit zeigen. Ein Verbot der Vollverschleierung kann als Signal der Solidarität mit FeministInnen und AktivistInnen in diesen Ländern verstanden werden, die dort unter erschwerten Bedingungen gegen den Zwang zur Verschleierung und für mehr Liberalität und Freiheit kämpfen.

Abschließend verweisen wir auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von 2014. Mit dem Urteil wurde damals die Beschwerde einer Frau abgewiesen, die sich wegen des seit 2011 in Frankreich gültigen Vollverschleierungsverbots an den EGMR gewandt hatte. Nach Ansicht des EGMR verletzt das Gesetz weder die Freiheit des Glaubens, der Gedanken oder des Gewissens (Art. 9 EMRK) noch das Recht auf ein Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK).

4. Vollverschleierungsverbot nicht nur in Lehr- und Bildungseinrichtungen, sondern im gesamten öffentlichen Raum

Der Bayerischer Landtag hat im Juli 2017 das Gesetz über Verbote der Gesichtsverhüllung in Bayern beschlossen und somit den Gesichtsschleier im öffentlichen Dienst, an Hochschulen, in Kindergärten und Wahllokalen verboten. Um diese Verbote in Bayern umzusetzen, mussten elf bereits bestehende bayerische Gesetze geändert werden. Ein Vollverschleierungsverbot im gesamten öffentlichen Raum würde den bürokratischen Aufwand verringern und die politische Durchsetzung erleichtern. 

Die Forderung nach einem Verbot der Ganzkörperverschleierung in der Öffentlichkeit zielt darauf ab, allen Menschen die reelle Möglichkeit zu verschaffen, die durch unsere Verfassung garantierten Grund- und Freiheitsrechte wahrnehmen zu können.

 

 

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