• 29.03.2023

! Solidarität mit Pinar Selek !

TERRE DES FEMMES e. V. solidarisiert sich mit der türkisch-französischen Soziologin, Schriftstellerin und Frauenrechtsaktivistin Pinar Selek.

Seit 25 Jahren sieht sich Selek Anschuldigungen der türkischen Justiz ausgesetzt, 1998 an einem vermeintlich von der kurdischen PKK verübten Attentat auf den Gewürzmarkt in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. Dabei kamen sieben Menschen ums Leben, über 120 wurden verletzt. Allerdings kamen mehrere unabhängige Gutachten zu dem Schluss, dass für die Explosion höchstwahrscheinlich ein Unfall mit einem Gasbehälter und keine Bombe ursächlich war.

Fakt ist: Selek beschäftigt sich seit Jahren wissenschaftlich und publizistisch mit der Minderheitenpolitik der türkischen Regierung und den Zusammenhängen zwischen Militarismus und Geschlechtsidentität. Vor allem ihre soziologischen Studien zur KurdInnenfrage gelten als Dorn im Auge der türkischen Regierung und haben zu einer beispiellosen politischen Verfolgung von Selek geführt. Seit 2012 lebte die Schriftstellerin erst in Straßburg und zuletzt in Nizza. 2017 erhielt sie die französische Staatsbürgerschaft.

1998 wurde Selek angeklagt und zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Eigenen Angaben zufolge wurde sie während der Haft gefoltert, u.a. mit Elektroschocks. Seitdem sprachen türkische Gerichte sie viermal - 2002, 2006, 2011 und 2014 – von dem Vorwurf der Anschlagsbeteiligung frei. Jedes dieser Urteile hob der Oberste Gerichtshof in Ankara anschließend auf, zuletzt - übergreifend für alle vier Freisprüche - am 21. Juni 2022. Pinar Selek wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und ein internationaler Haftbefehl gegen sie erlassen. Diese Entscheidung fiel, bevor sich die RichterInnen in einer ersten, für den 31. März 2023 angesetzten, Anhörung überhaupt äußern konnten. Laut dem deutschen Investigativjournalisten Günter Wallraff, der als Beobachter zum Prozess angereist war, wahre das Urteil „nicht mal mehr den Anschein von Rechtsstaatlichkeit“. Derselbe Richter, der Selek dreimal freigesprochen hat, habe nun die Aufhebung aller Freisprüche bestätigt.

TERRE DES FEMMES solidarisiert sich gemeinsam mit vielen anderen Organisationen, Verbänden, Universitäten, Städten, PolitikerInnen, JournalistInnen, KünstlerInnen und FrauenrechtlerInnen in Deutschland und Frankreich mit Pinar Selek. Das drastische Urteil gegen Selek reiht sich ein in eine lange Abfolge unrechtmäßiger Repressionen und Gewalt der türkischen Regierung und Justiz gegen Minderheiten, vor allem gegen KurdInnen, sowie gegen (vermeintliche) politische GegnerInnen. BeobachterInnen zufolge steht es auch in engem Zusammenhang mit den im Mai 2023 anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei.

Wir werden die Ergebnisse des für den 31. März 2023 angesetzten Gerichtstermins verfolgen und erneut berichten.

Die wichtigsten Daten des Prozesses gegen Pinar Selek sind auf https://pinarselek.fr/chronologie_pinar_selek/ nachzulesen.

Über Pinar Selek:

Pinar Selek wurde 1971 in Istanbul geboren und studierte Soziologie an der Mimar Sinan Universität. Sie war in der Frauenbewegung aktiv und gründete das feministische Netzwerk Amargi, für dessen Magazin sie als Herausgeberin tätig ist. Sie verfasste mehrere Sachbücher zu soziologischen Themen und veröffentlichte zahlreiche Artikel in türkischen und kurdischen Zeitungen. Im Frühjahr 2010 erschien ihr Buch Zum Mann gehätschelt – zum Mann gedrillt: Männliche Identitäten und im Dezember 2011 ihr erster Roman Halbierte Hoffnungen.

Stand: 03/2023

nach oben
Jetzt spenden