• 28.07.2022

Die vergessene Krise in der Sahelzone

Die UN-Mission MINUSMA ist seit 2013 in Mali aktiv, doch Frieden und Stabilität sind noch immer weit entfernt © Wikimedia

 

Nach monatelanger Diskussion ist die Entscheidung gefallen: Deutschland beendet den Bundeswehr-Einsatz in Mali, bis Mai 2024 sollen die letzten der aktuell noch knapp 1.200 SoldatInnen aus dem westafrikanischen Land abgezogen werden. Der Beschluss und die ihm vorhergehende politische Debatte werfen ein kurzes mediales Schlaglicht auf eine krisengeschüttelte Region, deren Leid in deutschen und internationalen Massenmedien meist kaum mehr als eine Randnotiz darstellt: die Sahelzone. Dschihadistischer Terror, politisches Chaos, klimawandelbedingte Dürreperioden und Überflutungen – die ohnehin von chronischer Armut geprägte Region steht vor einer Vielzahl immer gravierenderer Probleme. Allein im ersten Halbjahr 2022 sind mehr als 2.200 Menschen in der Sahelzone durch Gewalttaten ums Leben gekommen, Millionen sind auf der Flucht und von Hunger bedroht. Die Ausmaße der Sicherheits- und humanitären Krise sind historisch und stehen in der Berichterstattung dennoch viel zu oft im Schatten anderer globaler Notlagen.

Islamistische Extremisten fassten bereits im Jahr 2012 im Norden Malis Fuß und drangen von dort aus rasch in weitere Landesteile vor. Nationale und internationale Streitkräfte stellten sich dem Vormarsch der Islamisten entgegen. Im Jahr 2013 wurde die UN-Mission MINUSMA mit dem Ziel etabliert, die Sicherheitslage in Mali zu stabilisieren und der Gewalt ein Ende zu bereiten. Dieses Vorhaben scheiterte auf ganzer Linie: In den darauffolgenden Jahren blieb nicht nur Mali Schauplatz bewaffneter Konflikte, sondern die von extremistischen Gruppierungen ausgehende Gewalt griff auch auf Nachbarländer wie Burkina Faso und Niger über und verwandelte die nationale in eine regionale Sicherheitskrise. Zwischen 2016 und 2020 verfünffachte sich die Zahl der Terroranschläge in Mali, Burkina Faso und Niger. Heute stehen in Burkina Faso rund 40 Prozent und in Mali sogar 75 Prozent des Staatsgebiets de facto unter der Kontrolle bewaffneter Extremisten. Entführungen, Vergewaltigungen, Folter und Mord sind an der Tagesordnung.

CommonsDie Regierungen der betroffenen Länder zeigten sich unfähig, der grassierenden Gewalt Einhalt zu gebieten, und verloren rasch an Rückhalt sowohl in der zunehmend verzweifelten und wütenden Zivilbevölkerung als auch bei den eigenen Militärapparaten. Allein in den vergangenen drei Jahren gab es in der Sahelzone sieben erfolgreiche Militärcoups, größere Proteste auf nationaler Ebene blieben aus. Parallel dazu richtete sich die Frustration über die andauernde Gewalt auch zunehmend gegen die Militärmissionen westlicher Staaten, die in den Augen vieler BewohnerInnen der Sahelzone ebenfalls darin versagt hatten, den versprochenen Schutz zu gewährleisten. Die offene Ablehnung der Präsenz westlicher Streitkräfte wurde auch von den neuen Militärjuntas in Mali und Burkina Faso aufgegriffen, die nun verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit Russland setzen. Frankreich hat seine Truppen bereits aus der Region abgezogen, Großbritannien und Deutschland werden folgen – welche Auswirkungen dies auf die dramatische Sicherheitslage in der Sahelzone haben wird, ist völlig ungewiss. 

Neben der omnipräsenten Gewalt wird die Sahelzone zudem durch die immer fataleren Folgen des Klimawandels erschüttert. Anhaltende Dürreperioden und Hitzewellen wirken sich ebenso verheerend auf die Ernten aus wie die auf Starkregen folgenden Überflutungen – in einer Region, in der mehr als 80 Prozent der ohnehin vulnerablen Bevölkerung von der Landwirtschaft leben. Die bewaffneten Konflikte tun ihr Übriges, da Millionen Menschen ihre Felder zurücklassen mussten, um sich vor der Gewalt in Sicherheit zu bringen. UN-Angaben zufolge sind rund 18,6 Millionen Menschen in der Sahelzone durch Hunger bedroht.

TERRE DES FEMMES vergisst die Krise in der Sahelzone nicht, sondern setzt sich gemeinsam mit unseren langjährigen Partnerorganisationen in Mali und Burkina Faso für die Menschen dort ein. In Burkina Faso allein sind über 1,9 Millionen Menschen innerhalb der Landesgrenzen auf der Flucht, das sind fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Die überwältigende Mehrheit davon sind Frauen und Kinder. Sie leben unter unzumutbaren Bedingungen in provisorischen Behausungen, ohne Essen, Kleidung und medizinische Versorgung. Binnenvertriebene Frauen und Mädchen sind einem extremen Risiko sexualisierter Gewalt ausgesetzt; viele müssen sich prostituieren, um irgendwie über die Runden zu kommen, oder werden von vermeintlichen Helfern ausgenutzt und missbraucht. Unsere burkinische Partnerorganisation Association Bangr Nooma (ABN) bietet mit ihrem Gewaltschutzzentrum CAECF (Centre d’Accueil, d’Ecoute et de Conseils pour les Femmes et les Filles) eine Anlaufstelle sowohl für binnenvertriebene als auch für andere gewaltbetroffene Frauen und Mädchen. Allein von Juli bis Oktober 2022 erhielten dort 40 hilfesuchende Frauen rechtliche Beratung und psychologische Unterstützung. Darunter Mariame*, die mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern in die Hauptstadt Ouagadougou geflohen ist und dort von ihrem Mann verlassen wurde, nach dem er Unterkunft bei Verwandten fand, die angeblich keinen Platz für Mariame und die Kinder hätten. Oder Asséta*, die auf der Flucht eine brutale Gruppenvergewaltigung erleiden musste – sie spricht von einem Dutzend Tätern. Sie sind allein und traumatisiert an einem fremden Ort, aus ihrem sozialen Umfeld gerissen – doch bei ABN finden sie dringend benötigte Hilfe und Unterstützung.   

Damit mehr Frauen und Mädchen wie Mariame und Asséta geholfen werden kann, brauchen wir auch Ihre Unterstützung. Die Krise in der Sahelzone darf nicht länger vergessen werden, denn zu viele Menschen sind unbedingt auf Hilfe angewiesen! Spenden Sie deshalb jetzt für ABN in Burkina Faso oder für unsere malische Partnerorganisation APDF, die sich ebenfalls unermüdlich für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen einsetzt. Wirklich jede Spende wird dringend gebraucht und macht einen Unterschied!

 

*Namen geändert

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