• 02.05.2023

Als Team viel erreichen: die Städtegruppe Heidelberg-Mannheim

Filmkooperation der Städtegruppe: Jutta Freimuth vom Gloria Kino Heidelberg, Städtegruppen-Aktive Anja Titze und Regisseur von "Was tun", Michael Kranz. (links nach rechts)
Filmkooperation der Städtegruppe: Jutta Freimuth vom Gloria Kino Heidelberg, Städtegruppen-Aktive Anja Titze und Regisseur von "Was tun", Michael Kranz. (links nach rechts) © Städtegruppe Heidelberg/Mannheim

Städtegruppenkoordinatorin Marika Tügel stellt uns im Interview die Städtegruppe Heidelberg-Mannheim mit ihren Aktivitäten und Themenschwerpunkten vor. Außerdem erzählt sie von dem aktuellen Herzensprojekt der Städtegruppe und freut sich dabei über die Beteiligung von anderen Frauen.  

Was hat euch dazu bewogen, die Städtegruppe Heidelberg/Mannheim zu gründen und wie lange gibt es euch schon?

Nachdem ich in Tübingen Mitglied in der Städtegruppe von TERRE DES FEMMES war, hat mir die Arbeit nach meinem Umzug in die Region Heidelberg/ Mannheim sehr gefehlt. Dadurch, dass es in Heidelberg schon einmal eine Städtegruppe gab, die sich leider 2006 auflösen musste, nahm ich Kontakt mit Irmel, einer Ehemaligen der Städtegruppe Heidelberg auf. Zusammen reaktivierten wir 2013 die Städtegruppe Heidelberg und erweiterten sie nach Mannheim.  Am 25. April feiern wir nun schon zehnjähriges Bestehen! 

Beide Städte sind Universitätsstädte, wodurch vor allem Studentinnen, nach spätestens zwei bis drei Jahren die Städtegruppen wieder verlassen müssen. Es gab seit der Neugründung schon drei bis vier Generationen der Städtegruppe. Durch diese fliegenden Wechsel gibt es einerseits immer neu motivierte Frauen, die Lust haben sich zu engagieren und Aufgaben zu übernehmen. Andererseits müssen wir anstehende Aufgaben immer wieder neu verteilen. Trotzdem freue ich mich, dass wir eine sehr gemischte Gruppe mit aktiven Frauen zwischen 20 und 50 Jahren sind.

Was waren eure schönsten Momente mit TDF? Was habt ihr schon erreicht?

Als Städtegruppe haben wir viele tolle Veranstaltungen auf die Beine gestellt oder begleitet. 

2015 veranstalteten wir eine Lesung mit der indischen Schriftstellerin Meena Kandasamy, die aufgrund eines Literaturfestivals in der Gegend Heidelberg/ Mannheim war. Zusammen mit einer kleinen Buchhandlung konnten wir, ohne größeren Aufwand, eine einzigartige Lesung anbieten. Dadurch sind kaum Extrakosten angefallen und es hat uns auch als Gruppe enger zusammengebracht. 

Zudem zeigten wir 2020 die TDF-Ausstellung „Mit dem Malstift gegen die geraubte Kindheit in Mannheim. Es wurde durch Schülerzeichnungen über das Problem der existierenden Zwangsverheiratungen in der Osttürkei aufmerksam gemacht. Sonja Fatma Bläser, eine deutsch-kurdischen Schriftstellerin, luden wir in dem Rahmen zu einem gelungenen Vortragsabend. 

Darüber hinaus durften wir eine Lesung von Mareike Fallwickl unterstützen. Sie stellte im letzten Jahr ihr Buch „Die Wut, die bleibt“ vor. In diesem Roman schreibt sie über ihre Erlebnisse, was es bedeutet in unserer Gesellschaft eine Frau zu sein. Das war die bisher größte Lesung, die wir mitveranstaltet haben. Eine Schule hatte uns ihre Aula zur Verfügung gestellt, in der 150 Personen Platz fanden.

Als Städtegruppe hat man die Möglichkeit sich intensiver mit ausgewählten Themen zu beschäftigen. Was sind eure Hauptthemen und was liegt euch an diesen Themen am meisten am Herzen?

Die Hauptthemen unserer Städtegruppe sind FGM und Zwangsverheiratung. Tatsächlich haben wir uns FGM als Schwerpunkt nicht wirklich ausgesucht. Wir haben uns sehr an die Themen angepasst, die unser Umfeld am stärksten nachgefragt hat. Es wurden oft Materialen über Zwangsheirat, vor allem von Schulen angefragt. So haben sich die zwei Themenschwerpunkte herauskristallisiert. 

Was regt euch sonst im Alltag bezüglich Diskriminierung und patriarchalen Strukturen auf bzw. was muss sich konkret auf jeden Fall in Deutschland ändern?

Es gibt viele unterschiedliche Sachen, die uns als Städtegruppe besonders stören. Einerseits sind es so banale Alltagssituationen, in denen es zum Beispiel um Kinderbetreuung geht und dessen Verständnis in der Arbeitswelt oder einfach die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit. Ich spreche hier aber noch nicht mal von „Karriere“. Frauen haben in vielen Arbeitsbereichen noch sehr mit der aktuellen Männerdominanz zu kämpfen. Patriarchale Strukturen in der Arbeitswelt sind leider noch keine Seltenheit geworden, sondern für viele Frauen immer noch Normalität.

 Was ist euer Geheimnis und was macht eure Gruppe aus? Zwischen Arbeit, Studium, Familie und Kinderbetreuung- Wie schafft ihr diese Mehrfachbelastung? 

Ich glaube unser Geheimrezept ist, dass wir uns nicht übernehmen, sodass wir die geplanten Veranstaltungen mit größter Motivation umsetzen. Wir haben beispielsweise eine längere Sommerpause, um danach wieder voll durchzustarten. Im Frühjahr und Herbst gibt es danach immer ein bisschen mehr zu tun. Aber wir achten darauf, dass wir zwischendrin immer Phasen der Entspannung einbauen. Natürlich gibt es auch mal Frust in der Gruppe oder eine Durststrecke, in der unsere Arbeit ruht. Aber alles in allem sind wir ein sehr motiviertes und engagiertes Team, das die Mischung aus Arbeit und Entspannung sehr gut vereinen kann. Zudem pflegt unsere Städtegruppe einen sehr herzlichen Umgang. Wir sind nicht nur Engagierte, sondern es harmoniert auch zwischenmenschlich meistens ganz gut. Dadurch gibt es auch nur selten Konflikte und jede Frau fühlt sich ihren Aufgaben verpflichtet und man lässt die anderen nicht hängen.  

Dazu kommt, dass wir ohne Hierarchien und Machtstrukturen arbeiten. Meinen Städtegruppenkolleginnen ist bei einem vergangenen Aktiventag aufgefallen, dass in anderen Städtegruppen die Koordinatorinnen oft eine herausragende Rolle einnehmen. Bei uns ist das nicht so. Wir arbeiten als Team zusammen und ich bin, als Koordinatorin, nicht die Chefin. Natürlich habe ich durch die Verwaltung des E-Mailpostfachs einen gewissen Wissensvorsprung. Ansonsten gibt es bei uns keinerlei vertikale Strukturen.

Wenn ihr als Städtegruppen einen Wunsch frei hättet, was würdet ihr euch in Bezug auf Frauenrechte wünschen?

Wir als Städtegruppe wünschen uns endlich eine vollkommene Legalisierung von Abtreibungen, ohne Hindernisse, in Deutschland. Klar muss es noch gesetzte Fristen geben, bis wann zum Beispiel abgetrieben werden darf. Aber Abtreibung darf in Deutschland nicht weiter nur geduldet, sondern muss endlich als ein eigenes Recht anerkannt werden. Wir wünschen uns, dass eine Frau endlich allein für sich selbst über ihren Körper entscheiden darf.

Ihr seid eine sehr aktive Städtegruppe und hattet einige Veranstaltungen im letzten Jahr geplant. Erzähl doch mal, was bei euch so los war?

Im Jahr 2022 haben wir wie jedes Jahr monatlich online unsere Städtegruppen-Treffen veranstaltet. Diese nutzten wir, um uns auszutauschen und neue Veranstaltungen und Projekte zu planen.In der ersten Hälfte des Jahres 2022 haben wir im Februar in Unterstützung mit der Geschäftsstelle in Berlin eine Büchertisch-Aktion zum Thema Genitalverstümmelung veranstaltet, an der mehrere Buchhandlungen in der Gegend Heidelberg/Mannheim teilnahmen. 

Außerdem konnten wir, durch unseren Kontakt zu einem Kino in Heidelberg, mehrere Filmvorführungen organisieren. Im März hatten wir so die Möglichkeit als Städtegruppe zweimal in einer Matinée preisgekrönte Dokumentarfilme wie „Was tun“ und „The Case You“ zu zeigen.

Ab Sommer veröffentlichten wir jeden Monat eine Buchempfehlung zu unterschiedlichsten Themenbereichen. Die Empfehlungen wurden im Eppelheimer Buchladen in Eppelheim bei Heidelberg ausgestellt sowie auf Social Media verbreitet. Die gleichen Empfehlungen wurden etwas zeitversetzt auch in der Buchhandlung Böttger in Mannheim Neckarau ausgehängt.

Gegen Ende des Jahres 2022 zeigten wir in einer weiteren Filmvorführung den Film „Menschliche Dinge“ und im Dezember begleiteten wir einen Vortrag zum Thema Feminizide an der Volkshochschule Frankenthal sowie veranstalteten einen Infostand in Mannheim nach der Filmvorführung „Shesaid“.

Was waren eure bisher größten Herausforderung als Städtegruppe Heidelberg/ Mannheim? 

In letzter Zeit hat uns die Transgender-Debatte innerhalb von TERRE DES FEMMES nachhaltig frustriert. Viele unserer Frauen haben sich die Frage gestellt, ob sie den Verein weiterhin vertreten können. Wir haben in Heidelberg/ Mannheim ein großes lokales Netzwerk, dass durch die vermeintliche Transfeindlichkeit einiger Mitglieder überschattet wird. Wir bedauern das sehr, da uns die Schwerpunkthemen von TERRE DES FEMMES am Herzen liegen und wir für diese kämpfen möchten. Wir wünschen uns als Gruppe bestehen zu bleiben und endlich den Konflikt hinter uns lassen zu können. 

Zudem beschäftigen uns zurzeit die verschiedenen Strömungen der Frauenbewegungen und wie diese untereinander mit sich umgehen.Die verhärteten Kommentare auf den Sozialen Netzwerken und der allgemeine Umgang schockiert uns. Wir müssen uns wieder rückbesinnen und fragen, wer unser wirklicher Feind ist. Man darf uns als Frauen nicht spalten. Nur so können wir für unsere Ziele kämpfen: als Frauen gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei leben zu können. 

Euch ist wichtig, dass viele Frauen zu Wort kommen. Erzähl doch bitte von deinem aktuellen Projekt? Wie kennen euch aktive Frauen unterstützen?

Unser aktuelles Projekt ist zwar kein Kernthema von TERRE DES FEMMES aber dafür eine Herzensangelegenheit. Wir möchten Alltagsgeschichten von Frauen sammeln, die sie anonymisiert auf einer Website hochladen können. Diese haben wir eigens dafür erstellt. Sie sollen dort aber nicht veröffentlicht, sondern nur gesammelt werden. Am Ende des Projekts planen wir die besten Geschichten hier bei uns in Form einer Ausstellung den Menschen zu zeigen. Namen der Betroffenen sowie Erzählenden werden alle anonymisiert, da es uns darum geht, das Leben von Frauen in Deutschland zu porträtieren und nicht mit dem Finger auf Einzelne zu zeigen. Wer Lust hat mitzumachen, kann auf female-rolemodels.weebly.com ihre Geschichte erzählen. 

Wir freuen uns über jede Frau, die uns etwas erzählen möchte. 

Ihr habt Lust bekommen, euch ebenfalls in der Städtegruppe Heidelberg/Mannheim zu engagieren? Dann schreib uns gerne unter heidelberg-mannheim@frauenrechte.org oder lest auf der TDF-Webseite mehr über uns.

Liebe Marika, vielen Dank für das Gespräch. Herzlichen Dank an dich und die Städtegruppe Heidelberg-Mannheim für die vielen Aktionen und euer großes Engagement! 

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