• 09.05.2022

Aktuelles zu häuslicher und sexualisierter Gewalt

Forderungen nach Ausbau von Frauenhäusern in Deutschland

Allein im Jahr 2021 fanden 6.431 Frauen Zuflucht in einem der Frauenhäuser in Deutschland, und zusammen mit ihnen 7.572 Kinder. 72% dieser Kinder waren unter 18 Jahre alt und für die Hälfte der Kinder wurde die vom Frauenhaus angebotene Betreuung in Anspruch genommen. Dabei musste jede vierte Bewohnerin ihren Aufenthalt komplett oder zumindest teilweise selbst bezahlen. Bei den Gründen für die Zufluchtssuche in einem Frauenhaus dominiert die vom Ehemann oder Partner ausgehende Gewalt. Bei 41% der Betroffenen kam es aufgrund dieser häuslichen Gewalt zu einem Polizeieinsatz, fast die Hälfte der Frauen leiteten keine zivil- oder strafrechtlichen Schritte ein. Erschreckend gering sind hierbei die Zahlen der getroffenen Maßnahmen bei den Polizeieinsätzen, wobei beispielsweise nur 8% der Täter einen Platzverweis bekommen haben. Auch mangelt es an Unterstützung der Frauen nach dem Aufenthalt im Frauenhaus. 34% der Frauen wurden beispielsweise bei der Suche nach einer Wohnung unterstützt, ganze 18% der Frauen sind jedoch wieder in die gewaltgeprägte Situation zurückgekehrt.

Was kann man tun, wenn man als Frau Gewalt im eigenen Zuhause erlebt? Viele Frauen können in solchen Situationen auf ihr soziales Netzwerk bauen und Schutz bei FreundInnen oder Verwandten suchen. Für einige Betroffene ist dies jedoch nicht möglich und somit die Zuflucht in einem Frauenhaus die einzige Option der Gewalt zu entfliehen.

Die Frauenhauskoordinierung e.V. hat dazu im Jahr 2021 Daten von 180 Frauenhäusern in Deutschland erhoben und daraus auch einige Forderungen abgeleitet. Das Ziel von Frauenhäusern, nämlich der Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt, wird durch die Istanbul-Konvention gestützt, die in Deutschland seit 2018 Rang eines Bundesgesetzes hat. Diese hat den umfassenden Schutz von Frauen und Mädchen vor allen Formen von Gewalt zum Ziel. Gemäß der Konvention ist es nach Artikel 18 bzw. 23 eine Pflicht, ausreichend Frauenhausplätze anzubieten und den betroffenen Frauen entsprechenden Schutz vor häuslicher Gewalt zu ermöglichen.

Die unabhängige ExpertInnengruppe GREVIO[2] hat Deutschland diesbezüglich im Oktober letzten Jahres abgemahnt. Die Zugangsbarrieren zu Frauenhäusern, in Form von mangelnden Plätzen und personellen Ressourcen, bürokratischen oder auch finanziellen Hürden, seien zu hoch, wodurch der zu gewährleistende Schutz der Frauen nicht ausreichend erfüllt wird. Denn es tritt immer wieder die Situation auf, dass Betroffene von Frauenhäusern aus diesen Gründen abgewiesen werden müssen. Fast ein Drittel der BewohnerInnen müssen die Kosten ihres Aufenthalts teilweise oder komplett selbst übernehmen, da die Kostenübernahme meist daran gekoppelt ist, inwiefern die Betroffenen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Wenn der Anspruch besteht, zahlt das Jobcenter der Herkunftskommune den Aufenthalt, wobei sich die Kostenerstattung zwischen den Kommunen jedoch sehr kompliziert darstellt. Besteht dieser Leistungsanspruch nicht, dann müssen die Kosten von den Frauen selbst übernommen werden.

Die Forderungen, welche sich hieraus ergeben sind zum einen die Einrichtung eines rechtlichen Anspruchs auf Schutz und Hilfe bei Gewalt und damit die Aufnahme in ein Frauenhaus. Zum anderen wird eine einheitliche und entsprechende Finanzierung der Frauenhäuser in Deutschland und damit einhergehend auch eine Vereinfachung bzw. Beschleunigung der bürokratischen Verfahren gefordert. Keinen Platz in einem Frauenhaus zu bekommen, kann für die Betroffenen bedeuten, dass sie in provisorischen Notunterkünften oder sogar in Obdachlosigkeit leben müssen. 18% der Frauen kehren, unter anderem auch aus diesen Gründen, sogar wieder zum Täter in die Gewaltsituation zurück.

Aber nicht allein die Aufnahme von Frauen im Frauenhaus stellt ein Problem dar, es mangelt insgesamt an finanziellen Mitteln, personellen Ressourcen und entsprechender Ausstattung, um den verschiedenen Bedürfnissen der BewohnerInnen gerecht zu werden. Vonseiten der Frauenhauskoordinierung werden daher einige Forderungen laut. So sollen Frauenhäuser nicht nur den Schutz der Betroffenen sicherstellen, indem sie eine Unterkunft darstellen, sondern geht es auch darum, die Frauen während des Aufenthalts zu unterstützen und weiterhin auch für die Zeit danach vorzubereiten. Den Frauen muss eine Perspektive auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben auch nach dem Aufenthalt im Frauenhaus ermöglicht werden. Dazu gehört beispielsweise, dass die Frauenhäuser die Frauen bei der späteren Wohnungs- und Jobsuche unterstützen, sodass diese danach nicht in eine Notlage kommen.

Die Bedürfnisse der im Frauenhaus lebenden Frauen sind vielfältig. So benötigen beispielsweise Frauen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen individuelle Angebote. Dazu zählen nicht nur die entsprechende Ausstattung, sondern auch die personellen Ressourcen, sprich die Schaffung von ausreichend Personal und die Qualifizierung in Form von Weiterbildungen. Hierbei dürfen aber auch die Bedürfnisse der Kinder nicht vergessen werden. Zum einen müssen hier genügend Betreuungsmöglichkeiten geschaffen werden, mit entsprechenden technischen Geräten und Spielmöglichkeiten. Daneben ist aber auch das psychosoziale Angebot sehr wichtig, um die betroffenen Kinder bei der Verarbeitung ihrer Erfahrungen zu unterstützen und somit auch weiteres Gewaltaufkommen zu verhindern.

Die Frauenhauskoordinierung e.V. macht mit der Frauenhausstatistik deutlich, dass ein großer Handlungsbedarf herrscht, wenn es um den Ausbau von Frauenhäusern geht. Es müssen insgesamt mehr Plätze geschaffen werden, eine einheitliche Finanzierung und die Vereinfachung bürokratischer Hürden ermöglicht werden. Dazu kommt der Bedarf nach dem Ausbau personeller wie auch materieller Ressourcen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Frauen gerecht zu werden. Auch ist die Kooperation mit diversen Fachdiensten zentral, um den betroffenen Frauen zu helfen und insgesamt häusliche Gewalt zu bekämpfen. Alle diese Punkte sind wichtig, um zu erreichen, dass keine Frau bei der Suche nach Hilfe und Schutz abgewiesen wird und so dem Risiko ausgesetzt wird, wieder in die gewaltgeprägte Situation zurückzukehren.

Die Forderungen im Überblick

  • Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt
  • Ausbau der Kapazitäten in Frauenhäusern
  • Gesicherte und einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser
  • Beschleunigung und Vereinfachung der bürokratischen Verfahren in Bezug auf die Kostenerstattung
  • Erhöhung des Personalschlüssels
  • Psychosoziale Angebote für Kinder und Frauen, um die Gewalterfahrungen zu verarbeiten
  • Ausbau der Kinderbetreuung mit SozialarbeiterInnen, Spielmöglichkeiten und technischen Geräten
  • Inklusiver Ausbau in Form von spezialisierten Angeboten und Ausstattung für Frauen mit Behinderung
  • Professionelle Sprachmittlung
  • Mehr Netzwerkarbeit und Kooperation mit Fachdiensten und Polizei, ÄrztInnen und Gerichten

Weiterführende Links:

Frauenhauskoordinierung e.V.

Zentrale Ergebnisse der bundesweiten Frauenhaus-Statistik

 

[1] Die Istanbul-Konvention ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

[2] Die GREVIO Kommission ist eine unabhängige ExpertInnengruppe, welche für die Überwachung der Istanbul-Konvention durch die Vertragsparteien verantwortlich ist.

 

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