© UNICEF Data: Monitoring the Situation of Children and Women. 2019. Country Profile: Liberia
Vorkommen
In Liberia wird, wie in Sierra Leone und Guinea, die weibliche Genitalverstümmelung (FGM - Female Genital Mutilation) meist in Zusammenhang mit den Sande Societies praktiziert. Diese Geheimzirkel sind nur jungen Frauen zugänglich, die gemeinsam ihre Initiation durchleben, wozu auch die Entfernung ihrer Klitorides gehört. Die Sande Societies werden gegründet, indem Mädchen zum Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter einige Zeit losgelöst vom Rest der Gesellschaft an einem heiligen Ort verbringen. Dieser liegt gewöhnlich außerhalb der städtischen oder dörfischen Strukturen. Dort lernen die Mädchen, was sie als Erwachsene wissen müssen und dort findet auch die Genitalverstümmelung statt, bei der sie sich als willensstarke, leidensfähige und beherrschte Frauen beweisen müssen. Während traditionell die Initiation und die Vorbereitung auf das Erwachsenenleben sechs bis zwölf Monate in Anspruch nahm, werden heute auch Sande Societies innerhalb eines Wochenendes gegründet. In dieser Zeit sind natürlich keine tiefen Kenntnisse über Ehe, Gesellschaft, Umgebung und die Welt zu vermitteln, doch die Genitalverstümmelung wird nach wie vor praktiziert, um die Mädchen als erwachsen und heiratsfähig zu kennzeichnen.
Aufgrund der politischen Umstände und der Schwierigkeiten für Forschende während des Bürgerkriegs und danach ist die Datenlage zur aktuellen Verbreitung von FGM dürftig.
Zahlen
Betroffene: 44% der Mädchen und Frauen (15-49 Jahre)
Befürworterinnen: 39% der Mädchen und Frauen (15-49 Jahre)
Beschneidungsalter: Traditionell wurde die Genitalverstümmelung zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr durchgeführt. In den letzten Jahren sank das Alter jedoch erheblich, so dass heute schon drei- bis siebenjährige genitalverstümmelt werden
Formen
In Liberia werden schwere Formen der Genitalverstümmelung praktiziert. Den Mädchen werden Klitoris, Klitorisvorhaut und Labien abgeschnitten (Typ II), einige von ihnen werden auch bis auf ein kleines Loch zugenäht (Typ III). Dabei werden üblicherweise keine Betäubungsmittel eingesetzt und wenn das Ritual im Rahmen einer Sande Society im Busch praktiziert wird, sind unsterile Instrumente und die Verwendung an mehreren Mädchen der Gruppe üblich.
Begründungsmuster
Da in Liberia der Initiationsritus fester Bestandteil der gesellschaftlichen Akzeptanz ist, ist dies der Hauptgrund für FGM. Mädchen, die nicht daran teilnehmen, werden weder in der Gesellschaft akzeptiert noch finden sie einen Ehemann. Außerdem bildet die Sande Society ein engmaschiges Netzwerk, in dem sich die Mitglieder gegenseitig unterstützen und helfen. So gibt es trotz der massiven Gefahren einige Umstände, durch welche die Betroffenen von ihrer Genitalverstümmelung „profitieren“ können.
Durch den Bürgerkrieg ist vielen Mädchen der Zugang zu Bildung versagt, wodurch das Wissen um die Gefahren und Folgen von FGM weniger verbreitet ist als die Kenntnis der sozialen Gepflogenheiten. Dieses Bildungsdefizit kann sowohl über die eigene Unversehrtheit entscheiden als auch über die der Töchter einer Frau.
Gesetzliche Lage
Weibliche Genitalverstümmelung ist in Liberia gesetzlich nicht verboten. Zwar gibt es im Land seit 2017 ein nationales Gesetz, welches häusliche Gewalt (und dazu zählt FGM) unter Strafe stellt, jedoch wurden die ursprünglichen Passagen zu FGM entfernt bevor das Gesetz verabschiedet wurde. 2018 gab es erstmals Versuche der damaligen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, die Praktik an Mädchen unter 18 Jahren zumindest für ein Jahr zu verbieten. Somit hat dieses temporäre Verbot seit Januar 2019 seine Wirkung verloren und wurde bisher nicht in nationales Recht überführt.
Haltung und Tendenzen
Von den Frauen ohne Schulbildung befürworten 46% weibliche Genitalverstümmelung, bei den gebildeteren sind es 25%. Die gleiche Tendenz zeigt sich auch zwischen den ärmeren und reicheren Bevölkerungsschichten.
55% der Mädchen und Frauen (15-49 Jahre) sprechen sich gegen den Fortbestand von FGM aus.
Links
- http://data.unicef.org/corecode/uploads/document6/uploaded_country_profiles/corecode/222/Countries/FGMC_LBR.pdf
- http://www.unicef.org/media/files/FGCM_Lo_res.pdf
- http://www.refworld.org/docid/46d5787a28.html
- http://www.irinnews.org/report/80571/liberia-fgm-continues-in-rural-secrecy
- http://www.africanchildforum.org/clr/Harmonisation%20of%20Laws%20in%20Africa/other-documents-harmonisation_11_en.pdf
- http://www.theglobeandmail.com/news/world/liberian-effort-to-end-female-circumcision-runs-into-opposition/article4353672/
- http://www.globalpost.com/dispatches/globalpost-blogs/rights/dangerous-job-fighting-against-female-genital-mutilation-liberia
- http://womensenews.org/story/journalist-the-month/121226/liberian-journalist-threatened-fgm-coverage#.Utf18STx8nE
- https://www.orchidproject.org/about-fgc/where-does-fgc-happen/liberia/
Stand 12/2019