© UNICEF Data: Monitoring the Situation of Children and Women. 2019. Country Profile: Tansania
Vorkommen
Von den 120 in Tansania lebenden Ethnien praktiziert ein Zehntel weibliche Genitalverstümmelung (FGM - Female Genital Mutilation). Diese Ethnien leben alle im Inneren des Landes. Insgesamt wurde an 10% der Mädchen und Frauen (15-49 Jahre) FGM durchgeführt.
Die Gogo, die Rangi und die Sandawi in der Dodoma-Region, die Nyaturu in Singida, die Chagga am Kilimanjaro, die Waarusha aus Arusha, die Luguru im Morogoro-Distrikt, die Maasai, die Iraqw, die Barbaig und die Hazabe aus Manyara, und die Kurya der Mara-Region praktizieren FGM. Weibliche Genitalverstümmelung soll die Töchter vor Infektionen und krankheitsauslösendem Schmutz schützen. Doch nicht nur aus vermeintlich hygienischen Gründen wird die Praktik fortgeführt, sondern auch, um dem angeblichen Wunsch der Ahnen gerecht zu werden.
Zahlen
Betroffene: 10% der Mädchen und Frauen (15-49 Jahre)
97 % der Eingriffe werden von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt.
Formen
In Tansania wird mit 97% Typ III (Infibulation) von FGM am häufigsten praktiziert. Hierbei werden die inneren Schamlippen sowie die äußeren Lippen teilweise oder vollständig entfernt, mit oder ohne Entfernung der Klitoris. Unter den restlichen 3% befinden sich alle anderen Typen (I, II und IV).
Begründungsmuster
Die Begründungen für die weibliche Genitalverstümmelung unterscheiden sich von Ethnie zu Ethnie. Viele Punkte werden von allen Gesellschaften angeführt, wenn auch in unterschiedlicher Hierarchie. Zu diesen Argumenten gehört:
- FGM dient als Vorbereitung auf die Ehe und Mutterschaft
- Nicht verstümmelte Frauen sind keine „echten Frauen“
- Der Schnitt markiert die Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenenalter (Initiation)
- Durch Entfernung der Klitoris wird Promiskuität und Prostitution verhindert
- Tradition und Glaube schreiben FGM vor
- Das Blutopfer durch die Verstümmelung stimmt die Ahnen gnädig
- Unversehrte Frauen werden ausgegrenzt, gelten als verflucht und werden sozial gedemütigt, so dass sogar Einzelfälle bekannt sind, in denen sich aufgrund des gesellschaftlichen Drucks noch Seniorinnen FGM unterzogen haben oder Schulmädchen sich selbst zu beschneiden versuchten
- Beschneiderinnen sind von dem Geschäft abhängig und fördern es entsprechend. Pro Beschneidung bekommt jede Ngariba zwischen 3 und 9 Euro
Eine in Tansania unter einigen Ethnien weit verbreitete Begründung für weibliche Genitalverstümmelung ist die vermeintliche Krankheit „lawalawa“. Als 1968 die Fortsetzung von FGM verboten wurde, kam es zeitgleich zu einer Welle von Vaginal- und Blasenentzündungen. Ein Kausalzusammenhang besteht medizinisch nicht, wurde aber angenommen. So galt FGM als Prävention, aber auch als Heilmittel gegen diese Entzündung und mittlerweile auch gegen jedes Jucken im Genitalbereich und Fieber – bei Mädchen wie bei Jungen. Während die ursprüngliche Krankheit durch Antibiotika kuriert und durch Zugang zu Hygiene verhindert werden kann, wurde der Begriff „lawalawa“ mit der Zeit ein Synonym für einen bedrohlichen Körperzustand, der durch Beschneidung und Genitalverstümmelung eliminiert werden könne, da das Jucken eine Strafe der Götter sei und diese durch das Blut- und Hautopfer besänftigt werden müssten.
Gesetzliche Lage
Seit 1998 ist weibliche Genitalverstümmelung vor Erreichen der Volljährigkeit (18 Jahre) verboten. Nicht nur die Durchführung ist strafbar, sondern auch jegliche sonstige Beteiligung an der Tat. Dies kann mit hohen Geldstrafen oder fünf bis fünfzehn Jahren Gefängnis geahndet werden. Die Verurteilungen aufgrund von FGM sind aber sehr rar.
Haltung und Tendenzen
Das Gesundheitsministerium Tansanias hat durch eine Studie den Rückgang weiblicher Genitalverstümmelung festgestellt. Laut dieser Studie ist der Anteil der beschnittenen Mädchen und Frauen in zehn Jahren bis 2005 von 18% auf 15% zurückgegangen. Kontinuierliche Kampagnenarbeit soll den kulturellen Wandel in der Bevölkerung weiter beschleunigen. 95% der Mädchen und Frauen (15-49 Jahre) sind der Meinung, dass FGM abgeschafft werden soll.
Links
- http://data.unicef.org/corecode/uploads/document6/uploaded_country_profiles/corecode/222/Countries/FGMC_TZA.pdf
- http://www.unwomen.org/en/news/stories/2012/11/escaping-the-scourge-of-female-genital-mutilation-in-tanzania-a-maasai-girls-school-provides-schol/
- http://www.stanhopecentre.org/training/EA/zelamula_seminar.shtml
- http://www.irinnews.org/indepthmain.aspx?InDepthID=15&ReportID=62273
- http://www.unicef.org/protection/57929_69881.html
- http://www.refworld.org/docid/48d2237c28.html
- http://www.kvinnefronten.no/index.php?option=com_content&view=article&id=241:working-to-stop-female-genital-mutilation-in-tanzania&catid=55:internasjonale-prosjekter-&Itemid=30
- http://28toomany.org/media/uploads/fgm_english_web.pdf
- http://28toomany.org/media/uploads/tanzania_fgm_report-final_version_low_res.pdf
- https://www.orchidproject.org/about-fgc/where-does-fgc-happen/tanzania/
Stand 12/2019