Im Rahmen ihrer vierwöchigen Rundreise durch Deutschland berichteten die Menschenrechtsaktivistinnen Rakiéta Poyga und Maimouna Ouédraogo aus Burkina Faso über ihr Aufklärungsprojekt gegen weibliche Genitalverstümmelung. In ihrem westafrikanischen Heimatland sind über vier Millionen Mädchen und Frauen an den Genitalien verstümmelt. Dabei werden den Betroffenen meist ohne Narkose und unter unhygienischen Bedingungen Teile der weiblichen Genitalien entfernt. Die Mädchen und Frauen, die die Praktik überleben, leiden oft ihr Leben lang unter den seelischen und körperlichen Folgen, wie Infektionen, Unfruchtbarkeit oder erschwerte Geburten.

Maimouna unterwegs zur Aufklärung in ein Dorf
Nach ihrem Studium in Deutschland gründete Rakiéta Poyga 1998 die Organisation „Bangr Nooma“, was soviel heißt wie „Es gibt nichts Besseres als Wissen“. Die MitarbeiterInnen der Organisation gehen zu den Menschen auf die Dörfer und klären diese über die schädlichen Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung auf. Die Ludwigsburger Filmemacherin Ulrike Sülzle hat die Aufklärungsarbeit vor Ort gefilmt. Mit der preisgekrönten Dokumentation „Maimouna - la vie devant moi“ hat sie ein Portrait der jungen Projektmitarbeiterin Maimouna Ouédraogo geschaffen (www.maimouna-derfilm.de).
Überall, wo der Film zwischen dem 6. Februar, dem internationalen Tag „Null Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung und dem 8. März, dem Weltfrauentag, mit den beiden Gästen und der Filmemacherin gezeigt wurde, waren die Kinosäle ausverkauft. „Wir möchten den mutigen Frauen aus Afrika zeigen, dass wir im Kampf gegen die Verstümmelungen an ihrer Seite stehen“, so Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES zu den Hintergründen der Besuchsreise. TERRE DES FEMMES unterstützt die Organisation Bangr Nooma seit zehn Jahren mit Spenden. Dadurch konnten insgesamt 22.000 Mädchen vor der Verstümmelung bewahrt werden.
Interview mit Rakiéta Poyga

Foto ©: Almut Sülzle
Frau Poyga, was erhoffen Sie sich von der Filmreise für Ihr Projekt Bangr Nooma?
Unser großes Ziel ist ja, FGM (Female Genital Mutilation) völlig abzuschaffen. Wir hoffen, dass wir durch die Rundreise viele Menschen erreicht haben, die nun besser verstehen können, was vor sich geht. Denn nicht nur in Burkina wird beschnitten, auch in Deutschland passiert das, dann eben heimlich. Die Leute müssen wachsamer werden, sodass die Praxis endlich abgeschafft werden kann.
Für Bangr-Nooma wünsche ich mir, dass man uns auch weiterhin hilft. Bangr-Nooma deckt nur eine verhältnismäßig kleine Provinz in Burkina ab; wir haben den Berg noch nicht versetzt, aber ein Stück gerückt haben wir ihn. Die Reise hat uns geholfen, den Berg noch weiter in Bewegung zu setzen. Das Ziel heißt: Null Beschneidung in Burkina.
Was unternehmen Sie konkret für die Mädchen in Ihrer Region?
Die Mädchen sollen in die Schule geschickt werden, denn Bildung ist wesentlich für ein Leben. Lesen und Schreiben sind die Grundlage, um zu Lernen und um sich zu bilden. Bildung ist das Wichtigste im Kampf gegen FGM. Dadurch hat es die nächste Generation besser.
Welche Projekte sind in nächster Zukunft geplant?
Der Kampf gegen FGM wird noch eine Zeit dauern. Über viele Jahre hinweg müssen verschiedene Geldgeber gefunden werden, die die Arbeit gegen FGM unterstützen. Bis jetzt sind wir von den Geldgebern sehr abhängig. Ziel ist es, dass Bangr-Nooma irgendwann selbstständig. Wir wollen ein Ausbildungszentrum für Fortbildungskurse einrichten, eine Art Hilfe-zur-Selbsthilfe-Einrichtung. In einem Zentrum für Mädchen und allein stehende Mütter sollen Frauen und Mädchen lernen zu Nähen oder zu Klempnern, oder sie werden Fahrrad-Reparateur.
Wie können die Menschen in Deutschland die Arbeit von Bangr Nooma unterstützen?
Die finanzielle Unterstützung wird vor allem gebraucht für notwendige Operationen bei Betroffenen. Außerdem müssen die Betriebskosten unserer Organisation natürlich bezahlt werden. Leider können wir nur in zwei von 45 Provinzen in Burkina arbeiten. Das könnte mehr sein, wenn es die finanziellen Möglichkeiten dazu gäbe. Das Know-How ist da, das Geld fehlt leider und die Regierung gibt für den Kampf gegen FGM nicht viel aus.
Von der finanziellen Unterstützung abgesehen, kann man in Burkina Praktika machen. Das verändert den Menschen; man lernt, mit weniger zu leben, wird sparsamer und reifer. Man engagiert sich für andere Menschen und lernt, sich nicht nur auf sich selbst zu konzentrieren.
Interview mit Maimouna Ouédraogo

Foto ©: Almut Sülzle
Es hat mir gut gefallen, weil sehr viele Menschen da waren, die sich für meine Arbeit interessieren. Wenn andere die eigene Arbeit schätzen, dann steigert das ihren Wert. Das motiviert mich sehr!
Was motiviert dich am meisten, weiter zu machen?
Dadurch dass ich selbst betroffen bin, will ich dafür kämpfen, dass andere nicht in die gleiche Situation kommen. Mir macht es großen Spaß, Menschen zu überzeugen. Meine Überzeugungskraft bestätigt mich dann wiederum und ich freue mich, dass ich die Menschen erreiche. Die Arbeit ist eine große Herausforderung für mich!
Welche neuen Ideen, die konkret in die Projektarbeit in Burkina einfließen werden, nimmst Du mit nach Hause?
Beeindruckt haben mich Menschen, die Geld gespendet haben, obwohl sie selbst nicht so viel davon haben. Ich freue mich darauf, in Burkina von diesen Menschen zu erzählen; außerdem kann ich erzählen, dass es in Deutschland, weit weg von Burkina, viele Menschen gibt, die Interesse am Thema der weiblichen Genitalverstümmelung haben und bereit sind, Ländern zu helfen, dagegen zu kämpfen.
Interview mit UlrikeSülzle

Foto ©: Juliane v. Krause
Ich bin privat mir einer Freundin nach Burkina Faso gekommen und durfte Frau Poyga kennenlernen. Rakiéta Poyga hat mich mit aufs Land genommen und ich durfte bei der Aufklärungsarbeit zuschauen. Ich war auf der Suche nach einem Thema für meine Diplomarbeit und eigentlich war mir das Thema FGM zu grausam. Dann habe ich das Angebot, einen Film zu drehen, trotzdem angenommen, weil ich fasziniert war von der Aufklärungsarbeit. Dieses Engagement wollte ich in Deutschland zeigen, denn hier fehlt leider noch das Verständnis, dass die Menschen in Burkina sehr wohl gegen Beschneidung kämpfen und sehr erfolgreich sind – Frauen wie Männer!
Hast Du den Film auch schon in Burkina gezeigt? Wo sonst noch?
Zuerst habe ich den Film Maimouna gezeigt, denn ihre Meinung war mir sehr wichtig. Sie hat dann erlaubt, dass er auch anderen - ihrer Familie, ihrem Dorf - gezeigt werden darf. Maimouna hat uns viel Vertrauen entgegen gebracht und war sehr offen. Es hat mich gefreut, dass sie mit dem Ergebnis zufrieden war. Jetzt läuft der Film im ZDF-Doku-Kanal. Gerade haben wir die Zusage für ein Filmfest in Kanada, in Montréal, bekommen; wir versuchen, den Film bei Arte unterzukriegen, was leider nicht so einfach ist. Und wir haben die Hoffnung, dass der Film auf dem FESPACO, einem Filmfestival in Burkina Faso, gezeigt wird. Das wäre ein Traum für mich.
Wie sieht Deine weitere Arbeit aus? Sind neue Projekte geplant, die auch FGM betreffen?
Wenn es meine Gesundheit erlaubt, würde ich gerne etwas über Prostitution in Burkina Faso oder über Frauen, die als „Hexen“ von ihrer Familie verjagt werden. Das würde ich gerne mit Rakiéta zusammen machen. Mal sehen!
Die Besuchsreise ist eine Kooperation von TERRE DES FEMMES, ASW und (I)NTACT und wird gefördert vom Katholischen Fonds, Misereor, Plan und dem Referat Gleichstellung für Frau und Mann der Stadt Leipzig.