© UNICEF Data: Monitoring the Situation of Children and Women. 2019. Country Profile: Indonesien
Vorkommen
In Indonesien sind 88% der Bevölkerung islamischen Glaubens. Rund die Hälfte aller Mädchen unter 11 Jahren ist von weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation – FGM) betroffen.
Die Praktik wird dabei oft von medizinischem Personal durchgeführt. In urbanen Gegenden zu 62% von Hebammen und zu 30% von Geburtshelferinnen, in ländlichen Regionen zu 51% von Geburtshelferinnen und zu 39% von Hebammen.
In 81% der Fälle findet die Genitalverstümmelung auf Wunsch der Eltern statt. In Indonesien wird die Praktik khitan oder sunat perempuan genannt. Die Yayasan Assalaam, eine islamische Stiftung, veranstaltet seit 1958 jährlich in z. B. Klassenzimmern eine Massenzeremonie (khitanan massal) zur Beschneidung junger Mädchen. Die Zeremonie findet jeweils im Mondmonat des Propheten Mohamed statt.
In den letzten Jahren nahmen auch Beschneidungen an Babys im Rahmen von „Birth-Packages“ zu. Diese werden kostenpflichtig von vielen Krankenhäusern nach der Geburt angeboten und beinhalten Impfungen, das Piercen der Ohren sowie weibliche Genitalverstümmelung.
Zahlen
Es gibt mehrere Studien, die die Prävalenz von FGM in Indonesien untersucht haben. Diese wurden sowohl von internationalen Organisationen als auch von lokalen NGOs durchgeführt. Dabei wurden unterschiedliche Prävalenzraten erhoben. Indonesische AktivistInnen berichten von annähernd 100 % betroffenen Mädchen und Frauen.
Betroffene: zwischen 49 und 95 % der Mädchen unter 18 Jahren
Beschneidungsalter: 5% innerhalb des ersten Monats nach der Geburt, 72% zwischen dem 1. und 5., 5% zwischen dem 6. und 11, 14% zwischen dem 1. und 4. Lebensjahr und nochmals 3% vor dem 11. Geburtstag.
Die meisten Eingriffe werden von medizinischem Personal durchgeführt.
Formen
In Indonesien werden hauptsächlich Typ I (Klitoridektomie) und Typ IV gemäß WHO-Klassifikation von weiblicher Genitalverstümmelung praktiziert. Unter Klitoridektomie wird das Herausschneiden der Klitoris und/oder der Klitorisvorhaut verstanden. Mit Typ IV sind alle anderen schädlichen Praktiken am weiblichen Genital, wie z. B. Stechen, Verbrennen oder Ätzen, gemeint. Dabei wird meist die Klitorisvorhaut eingeritzt, ohne die Klitoris selbst zu verletzen.
Begründungsmuster
Weibliche Genitalverstümmelung wird in Indonesien religiös begründet. Es wird unter anderem gesagt, dass eine unbeschnittene Frau keine Muslimin sein kann. Die Beschneidung wird als religiöses Ritual verstanden, bei dem das abgeschnittene Fleisch zeremoniell beerdigt wird. Viele muslimische Führer sind der Meinung, dass der Koran Mädchen zur Beschneidung verpflichtet. Diese Meinung ist jedoch in jeder Madhhab (Lehrrichtung in der islamischen Normenlehre) unterschiedlich. So kann es wajib (für alle MuslimInnen verpflichtend) sein oder sunna (empfohlen aber optional). Zudem soll weibliche Genitalverstümmelung die Sexualität der Frau kontrollieren und sie zu einer aufopferungsvollen, anspruchslosen und sicheren Ehefrau werden lassen.
Gesetzliche Lage
Bereits 2006 wurde weibliche Genitalverstümmelung von der Regierung verboten und als „potentially harmful“ eingestuft, also als eine Praktik, die der Gesundheit der Frauen schadet. 2008 veröffentlichte der indonesische Rat der Muslimgelehrten (MUI) eine Fatwa, in der FGM erlaubt, aber nicht vorgeschrieben wurde. Daraufhin erließ die Regierung in 2011 eine Anleitung, wie ÄrztInnen und medizinisches Personal Beschneidungen an Mädchen vornehmen sollen.
Nahdlatul Ulama, Indonesiens größte muslimische Organisation mit über 30 Millionen Anhängern, erließ daraufhin eine Verordnung, in welcher sie sich für weibliche Genitalverstümmelung ausspricht, jedoch darauf hinweist, dass die ÄrztInnen nicht zu viel wegschneiden sollen. Das vorangegangene Gesetz war damit ausgehebelt und durch eine Empfehlung zur Genitalverstümmelung ersetzt worden.
Indonesien verstößt mit der derzeitigen Rechtslage zu FGM gegen mehrere internationale Abkommen wie das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und die Antifolterkonvention (CAT) sowie gegen nationale Gesetze zu Menschenrechten, Kinderschutz, Gesundheit und häuslicher Gewalt. Zudem ist Indonesien Mitglied des World Health Assembly der WHO, welche seine Mitgliedsstaaten verpflichtet hat, alle Maßnahmen zur Beendigung von FGM zu ergreifen.
Unser Engagement
TERRE DES FEMMES hat am 6. Februar 2014 gemeinsam mit der indonesischen Frauenrechtsorganisation Kalyanamitra und der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia! die Kampagne "Genitalverstümmelung in Indonesien - Schutz statt Verharmlosung" gestartet. Als Reaktion auf den Kampagnenstart hat das indonesische Gesundheitsministerium die Empfehlung zur "richtigen" Genitalverstümmelung zurückgezogen. Bei der Anhörung Indonesiens zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention durch die Vereinten Nationen wurden die Delegierten mehrfach nach weiblicher Genitalverstümmelung gefragt und dies mit Informationen untermauert, die von Watch Indonesia! und TERRE DES FEMMES eingebracht worden waren.
Links
- http://www.reuters.com/article/us-singapore-fgm-asia-factbox-idUSKCN12D04E
- http://www.stopfgmmideast.org/countries/indonesia/
- http://theconversation.com/female-genital-cutting-common-in-indonesia-offered-as-part-of-child-delivery-by-birth-clinics-54379
- http://www.nytimes.com/2016/02/05/health/indonesia-female-genital-cutting-circumcision-unicef.html?_r=1
- https://www.theguardian.com/society/2012/nov/18/female-genital-mutilation-circumcision-indonesia
- http://www.irinnews.org/feature/2010/09/02/female-genital-mutilation-persists-despite-ban
- http://www.nytimes.com/2008/01/20/magazine/20circumcision-t.html?_r=3&ref=magazine&oref=slogin&
- http://sisyphe.org/imprimer.php3?id_article=4449
- http://www.who.int/reproductivehealth/publications/sexual_health/rhr_12_25/en/
- http://indonesia.unfpa.org/news/2016/05/tackling-fgm-in-indonesia
- https://www.orchidproject.org/about-fgc/where-does-fgc-happen/indonesia/
Stand: 06/2020