Jungfräulichkeit - ein lebensgefährlicher Mythos

TERRE DES FEMMES klärt auf zum Thema Jungfräulichkeit, damit Mädchen und Frauen selbstbestimmt leben können.

Der Mythos vom Jungfernhäutchen wird immer wieder dazu genutzt, Frauen in ihrer Lebensführung zu begrenzen und ihnen ihre sexuelle Selbstbestimmung zu verweigern. In streng traditionell patriarchal denkenden Familien wird die Ehre der Familie mit der Jungfräulichkeit ihrer Töchter in Zusammenhang gebracht. Dass die Jungfräulichkeit anhand des Jungfernhäutchens medizinisch fast nicht nachweisbar ist, wissen wenige.

Um über die physischen Fakten aufzuklären, hat TERRE DES FEMMES bereits in der Vergangenheit mehrere öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durchgeführt.

  

  

1. Materialien zum Mythos Jungfräulichkeit für Jugendliche und Lehrkräfte

Flyer zum Jungfernhäutchen

TERRE DES FEMMES kooperiert mit pro familia Berlin und dem Familienplanungszentrum BALANCE in Berlin, um gemeinsam aufzuklären. Ein Flyer und eine Broschüre, die für Jugendliche entwickelt wurden, sind als Printversion erhältlich.

 

 

  

Broschüre zum Thema JungfernhäutchenDie Broschüre geht auf die Ängste der Jugendlichen ein, thematisiert verschiedene Sichtweisen zur Jungfräulichkeit und bietet ausführliche Informationen zum Jungfernhäutchen. Mehrere Jugendliche kommen zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen.

Hier finden Sie den Flyer und die Broschüre:  frauenrechte.de/jungfrau. Flyer und die Broschüre können Sie über unsere Online-Shop bequem bestellen.

Lehrkräfte finden zusätzlich Anregungen zur Unterrichtsgestaltung unter www.aufklaerungsstunde.de. Die Materialien sind auf die Produkte von o.b. und Carefree ausgelegt, da die Homepage eine Initiative der Johnson & Johnson GmbH ist. Dort kann auch der Lehrkräfte Lehrerleitfaden "Das Jungfernhäutchen - Mythos und Wirklichkeit" herruntergeladen werden. 

2. Eine gefährliche und teure Operation: Die vermeintliche "Rekonstruktion"

In patriarchalen Familienstrukturen ist die Jungfräulichkeit der jungen Frauen entscheidend für die Familienehre. Daher verlangen einige Familien, nach der Hochzeitsnacht ein blutiges Bettlaken als Beweis zu sehen.

Durch den großen sozialen Druck, der so ausgeübt wird, steigt die Nachfrage nach sogenannten Rekonstruktions-Operationen, bei denen das Jungfernhäutchen "wiederhergestellt" werden soll. Diese Operationen sind nicht nur riskant und teuer, sie garantieren auch keine Blutung in der Hochzeitsnacht. Am Schwersten wiegt jedoch, dass sie den Mythos um die Jungfräulichkeit am Leben erhalten.

TERRE DES FEMMES hat hierzu zusammen mit BALANCE und pro familia Berlin eine Stellungnahme (PDF-Datei) verfasst. Sogenannte Rekonstruktionen des Jungfernhäutchens werden häufig unter dem Begriff der Schönheitsoperationen bei gynäkologischen Praxen angeboten. Für TERRE DES FEMMES besteht aber ein großer Unterschied zwischen der Motivation, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen, und dem Druck, die eigene Jungfräulichkeit durch ein blutiges Laken in der Hochzeitsnacht zu beweisen. Zudem sehen wir den Trend zu vermehrten Operationen an weiblichen Genitalien sehr kritisch und haben auch dazu eine Stellungnahme (PDF-Datei) verfasst.

3. Medientipps zum Thema

Die Autorin und Regisseurin Güner Yasemin Balci hat 2015 den Dokumentarfilm „Der Jungfrauenwahn“ gedreht, der auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung zu sehen ist. In ihrem sehenswerten Film geht die Filmemacherin u.a. den Fragen nach, welchen Stellenwert das Gebot der Jungfräulichkeit für junge Menschen aus Einwandererfamilien hat und welche Auswege es aus patriarchalen Strukturen gibt.

Die usbekische Filmemacherin Umida Ahmedova, die auch am internationalen TERRE DES FEMMES Kongress als Podiumsgast teilgenommen hatte, hat 2009 die packende Dokumentation „The Burden of Virginity“ gedreht, in der sie den gefährlichen Mythos der Jungfräulichkeit in der usbekischen Gesellschaft darstellt. Der Film ist nun auf dem TERRE DES FEMMES YouTube-Kanal mit deutschen Untertiteln zu sehen.

Innerhalb der Serie Tatort mit dem Titel "Familienaufstellung" vom 08.02.2009 wurde die Wiederherstellung der Jungfräulichkeit in Zusammenhang mit ehrbezogener Gewalt thematisiert.

Zum Tatort gibt es ein Interview (Radio Bremen) als PDF-Datei mit Rahel Volz, Referentin gegen Gewalt in Namen der Ehre von TERRE DES FEMMES.

Das Haeberle-Hirschfeld-Archive for Sexology der HU Berlin hat eine Filmreihe zu Sexualforschung mit dem bekannten Sexualwissenschaftler Prof. Dr. Erwin J. Haeberle zusammengestellt. Auf unserem YouTube-Kanal findet sich der Film "The Hymen - Myths and Misconceptions". In englischer Sprache räumt er aus sexualwissenschaftlicher Perspektive mit dem Mythos und über die Missverständnisse rund um das Jungfernhäutchen auf.

Eine Literaturliste zum Thema Jungfräulichkeit (PDF-Datei) haben wir für Sie zusammengestellt.

4. Wissenschaftliche Studien zum Jungfernhäutchen (Hymen)

Es besteht noch viel Unwissenheit zum Jungfernhäutchen. Irrtümer zum Gebrauch von Tampons gehören ebenso dazu, wie auch der Fehlschluss, Risse im Jungfernhäutchen wären nur bei sexuell aktiven Frauen zu finden. Es gibt mehrere wissenschaftliche Studien, die Gegenteiliges beweisen.

In einer Untersuchung aus dem Jahre 2004 mit 27 Teilnehmerinnen mit sexuellen Erfahrungen hatten 52% keine sichtbare Hymenbeschädigung. Entgegen der allgemeinen Auffassung, Risse seien meist auf Geschlechtsverkehr zurückzuführen, sei angemerkt, dass Risse im Jungfernhäutchen in beiden Gruppierungen zu finden sind.

In einer anderen Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, ob der Gebrauch von Tampons Auswirkungen auf das Hymen hat. Dabei wurden 300 Frauen untersucht, von denen 100 bisher keinen Sex hatten und nur Binden benutzten, 100 noch keinen Sex hatten und Tampons benutzten und 100 Frauen schon Sex hatten. Das Ergebnis zeigte, dass die ersten beiden Untersuchungsgruppen keine nennenswerten Unterschiede in den Rissen im Jungfernhäutchen aufwiesen. 

Eine weitere Studie wies darauf hin, dass bei 50 von 52 Mädchen, die Tampons nutzen und keinen Geschlechtsverkehr haben, ein Jungfernhäutchen ohne tiefe Einkerbungen oder Risse festgestellt worden ist.