Foto: © Newtown grafitti auf Wunderstock (Lizenzhinweis)Die Minderheit der Hazara in Afghanistan erleidet seit langer Zeit schwere Angriffe seitens der Taliban. Eine besonders grausame Tat ereignete sich am 15. Mai 2020: die Taliban griffen die Entbindungsstation des Dasht-e-Barshi Krankenhauses in West-Kabul an, bei dem viele Mütter und Neugeborene getötet wurden. Die Mehrzahl der Opfer gehörte der Hazara-Community an.
Die Ideologie, Politik und Aktionen der Taliban zeigen, dass sie ganz gezielt Anschläge auf die Hazara verüben, um sie als ethnische Gruppe auszulöschen. Ein Friedensabkommen mit den Taliban wäre aus diesem Grund nicht vertretbar und für die Hazara-Minderheit, vor allem aber für die Hazara-Frauen, fatal.
Die Errungenschaften der Hazara-Frauen
Hazara-Frauen haben in der Post-Taliban Ära, trotz systematischer Diskriminierung, Angriffen und Tötungen sehr viele Errungenschaften erzielt. Sie haben es geschafft, mit traditionellen Tabus zu brechen, und dadurch wichtige Fortschritte für Frauen auf den Weg gebracht, die es in der Geschichte Afghanistans vorher nicht gab.
Heute sind Hazara-Frauen in vielen Lebensbereichen öffentlich vertreten. So sind die erste Leiterin des Frauenministeriums, die erste Leiterin der Menschenrechtskommission, die erste Gouverneurin einer Provinz und die erste Bürgermeisterin Afghanistans, Hazara-Frauen.
Friedensgespräche müssen inklusiv sein
Nun wird befürchtet, dass ein Friedensabkommen mit den Taliban all ihre Errungenschaften zu Nichte machen könnte. Hazara-Frauen misstrauen dem gesamten Prozess, da viele Argumente dagegen sprechen, dass die Taliban an einem gesamtgesellschaftlichen Frieden interessiert sind. Dies fängt schon mit der Agenda der Taliban an, welche die Forderungen von Frauen außen vorlässt. Zudem haben sich die Taliban nie für ihre Verbrechen entschuldigt. Nach der Verabschiedung eines Friedensabkommens wird es keine Garantie dafür geben, dass die Regierung Frauen und Minderheiten z.B. vor Diskriminierung und Gewalt schützt.
Aus diesem Grund müssen Frauen und v.a. Frauen, die ethnischen Minderheiten wie den Hazara angehören, bei den Friedensgesprächen mit der Taliban eine zentrale Rolle spielen. Sie sind es, die am meisten unter der Herrschaft der Taliban gelitten haben. Wenn die Schlüsselakteure in den Friedensgesprächen die Situation von Frauen und besonders die von Frauen ethnischer Minderheiten außer Acht lassen, stärkt das Friedensabkommen lediglich die frauenfeindliche Ideologie der Taliban und macht die Errungenschaften von afghanischen und nicht zuletzt von Hazara-Frauen der letzten 18 Jahre rückgängig. Dies würde Afghanistan weitere Jahrzehnte der Gewalt und Unterdrückung bringen.
Friedensgespräche und Verhandlungen mit den Taliban setzen voraus, dass die Taliban für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden, insbesondere für ihre Angriffe auf ethnische Minderheiten. Außerdem müssen Minderheiten- und Frauenrechte ein zentraler Bestandteil der Friedensgespräche und daraus resultierender politischer Lösungen sein. Nur so kann Afghanistan einen konsensfähigen neuen, friedlichen Weg einschlagen.
Quelle
MS Magazin
Bildunterschrift: Hazara Frauen bei einer Demonstration