Die vertrauliche Spurensicherung – Notwendige Hilfe nach Vergewaltigungen

Gewalt und ihre Folgen

Sexualisierte Gewalt ist ein massiver Angriff auf die physische und psychische Integrität der Betroffenen und traumatisiert diese schwer. Es gibt kein Verhalten von Mädchen und Frauen, das Gewalt rechtfertigt. Vergewaltigung ist eine der brutalsten sexualisierten Gewaltformen. Sie ist eine aggressiv motivierte Gewalttat und stellt für die Betroffenen eine lebensbedrohliche Situation dar. Vergewaltigung wird als Mittel eingesetzt, um Frauen und Mädchen zu erniedrigen, zu demütigen und um Macht und Kontrolle auszuüben. Gewalt in jeder Form bedeutet für Frauen und Mädchen eine massive Verletzung ihrer Persönlichkeit und ihrer körperlichen Unversehrtheit. Mädchen und Frauen erleben in dieser Situation einen völligen Kontrollverlust über ihren Körper und ihren Willen. Die meisten fühlen sich lebensgefährlich bedroht, ohnmächtig, schutzlos und der Willkür einer anderen Person ausgesetzt. Wenn der Täter bekannt oder gut vertraut ist, bedeutet die Gewalt darüber hinaus einen massiven Vertrauensmissbrauch.

In dieser Situation gibt es kein "richtiges“ oder "typisches“ Verhalten, sondern nur intuitive Reaktionen, die das Ziel haben zu überleben. Manche Frauen sind starr vor Angst und lassen die Gewalt scheinbar teilnahmslos über sich ergehen. Andere wehren sich körperlich oder verbal. Jede Verhaltensweise stellt einen Schutzmechanismus dar, um das eigene Überleben zu sichern.

Die Strafanzeige – ein schwieriger Weg für Betroffene

Betroffene sind nach einer Vergewaltigung häufig orientierungslos, stehen unter Schock und sind traumatisiert. Die wenigsten Betroffenen können direkt nach der Tat vernunftorientiert handeln. Die Entscheidung den Täter anzuzeigen überfordert die meisten Betroffenen, erst recht, wenn unmittelbar nach der Tat darüber entschieden werden muss und wenn es sich bei dem Täter um einen nahen Angehörigen handelt. Betroffene müssen sich soviel Zeit nehmen dürfen, wie sie für diesen Schritt benötigen. Deshalb ist die vertrauliche Spurensicherung eine unabdingbare Maßnahme im Kampf gegen sexualisierte Gewalt.

Die vertrauliche Spurensicherung

Bei der anzeigenunabhängigen oder vertraulichen Spurensicherung können Betroffene in Opferschutzambulanzen Blut und Urin abgeben, ihre Unterwäsche hinterlegen und die Gewalttat schildern. Fachexperten sichern Sperma und Hautpartikel, dokumentieren fotografisch die Auswirkungen der körperlichen Gewalt und archivieren alles gerichtsfest. Betroffene können somit auch Jahre später noch Anzeige erstatten. Nach dieser für die Frauen und Mädchen kostenfreien gynäkologischen Untersuchung wird das beweisfähige Material chiffriert und bei Bedarf gekühlt für bis zu 20 Jahre vertraulich aufbewahrt. Eine Dokumentation der Verletzungen macht die Angaben zur Gewalttat überprüfbar. Dies ist für strafrechtliche (Anzeige) aber auch für zivilrechtliche Schritte (Schadensersatz, Schmerzensgeld) von Bedeutung. Betroffene haben dadurch genügend Zeit, um sich in Ruhe zu überlegen, ob sie Anzeige erstatten möchten oder nicht.

Der Entschluss, nach einer Vergewaltigung die Spuren sicher stellen zu lassen ist kein einfacher. Betroffene werden aufgrund gesellschaftlich kursierender Vergewaltigungsmythen mitverantwortlich gemacht - z.B. die Aussage, die Frau hat mit ihrer Kleidung provoziert und zur Tat animiert. Frauen und Mädchen müssen befürchten, dass ihnen nicht geglaubt wird und durch sogenanntes „victim blaming“ die Schuld fälschlicherweise bei der Betroffenen gesucht wird. Leider werden Täter viel zu selten verurteilt. Bei ungefähr 90 Prozent der Vergewaltigungsprozesse bleiben die Täter straffrei. Es ist sehr wichtig, Frauen und Mädchen zu ermutigen, Strafanzeige zu erstatten und sie vor- und nach dem Gerichtsprozess zu begleiten und zu unterstützen. Die anonyme, vertrauliche Spurensicherung trägt dazu bei, dass mehr Frauen und Mädchen sich entschließen sich gegen dieses Verbrechen zu wehren und die Tat anzuzeigen. Sie ist ein wesentliches Instrument im Kampf gegen Gewalt an Mädchen und Frauen.

Es gibt immer noch zu wenige Einrichtungen in Deutschland, die eine vertrauliche Spurensicherung“ durchführen. Während einige Regionen gut versorgt sind, wird insbesondere in vielen ländlich geprägten Regionen eine Unterversorgung deutlich.

Die Situation ist je nach Bundesland sehr verschieden. Eine Übersicht der Einrichtungen aktualisieren wir kontinuierlich.

TERRE DES FEMMES fordert die Bundesregierung auf jetzt zu handeln!

TERRE DES FEMMES fordert eine flächendeckende Versorgung von sogenannten Opferschutzambulanzen, bei denen eine vertrauliche Spurensicherung möglich ist und Beweise bis zu 20 Jahre gerichtsfest gelagert werden! Es muss die Garantie einer vertraulichen anzeigenunabhängigen Spurensicherung geben.

Gemaß Koalitionsvertrag und Istanbul-Konvention, welche seit über einem Jahr in Kraft getreten ist (01.02.2018), ist die Bundesregierung verpflichtet, vertrauliche Spurensicherung in Deutschland flächendeckend zu gewährleisten.