Frühehen sind ein weltweites Problem. Dennoch gibt es Unterschiede bei der Verbreitung, den Motiven, den sozialen und gesetzlichen Gegebenheiten vor Ort.
Im Folgenden stellen wir daher einzelne Länder genauer vor und berichten dabei auch über positive Interventionsbeispiele.
Wir bemühen uns, die Links regelmäßig zu überprüfen, es kann aber dennoch vorkommen, dass einige empfohlene Webseiten/Quellen Beiträge entfernen oder an anderer Stelle hinterlegen.
Die Kindheit war ihr plötzlich genommen, als Hadjo Garbo aus Niger schon mit 13 Jahren mit einem älteren Mann verheiratet wurde. Statt in die Schule zu gehen, wurde sie nach kurzer Zeit schwanger. Wie bei vielen Mädchen in Niger war die Geburt für ihren unausgereiften Körper aber zu viel und es kam nach drei Tagen Geburtswehen zu einer Stillgeburt und Geburtsfisteln, die psychische und körperliche Schäden hinterlassen haben. Schlussendlich hat ihr Mann sie deswegen verbannt und Hadjo musste sich wegen dieser Schande vor der Familie und Freunden zurückziehen. So eine Geschichte ist nicht ungewöhnlich in Niger, in dem Land mit der höchsten Rate von Frühehen auf der Welt.
Frühehen kommen im west-afrikanischen Land im Rahmen von sehr schwerer Armut vor. Niger steht auf dem letzen Platz von 187 Ländern im UNDP Human Development Index. Stets durch Dürren gefährdet und mit nur 3 % fruchtbarem Land muss das auch politisch instabile Land hartnäckig ums Überleben bei Nahrungsmittelkrisen kämpfen. Dazu wächst die Bevölkerung, die schon bei 17 Millionen Menschen liegt, wie kein anderes Land auf der Erde: pro Frau kommen etwa 7 Kinder zur Welt.
In Niger werden 75% der Mädchen vor der Volljährigkeit verheiratet und ein Drittel schon vor dem 15. Lebensjahr. Es sind die Mädchen aus ländlichen armen Gebieten mit niedriger Bildung, bei denen das größte Risiko besteht. Oft werden die Mädchen von den Eltern oder anderen Familienangehörigen den Männern gegen einen Brautpreis versprochen. Die Männer sind im Durchschnitt 10 Jahre älter, oft sogar noch mehr. Frühehen in Niger sind auch mit Polygamie und Sklaverei verbunden. Polygamie ist in Niger üblich und trägt daher viel zu der hohen Rate von Frühehen bei. Manche Mädchen müssen die noch schlimmere Sklaverei erleiden. Reiche Männer kaufen oft zusätzliche Frauen als Sklavinnen oder „wahaya“ (PDF-Datei)
Die Frühehe hat gravierende Folgen für das weitere Leben der Mädchen in Niger. Viele Mädchen sterben bei der Geburt oder leiden jahrelang unter Gesundheitsproblemen. Minderjährige Frauen in Niger sind auch sehr häufig von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffen.
Die Eheschließung bedeutet in der Regel auch, dass Mädchen nie eine Chance auf Bildung haben werden.
Das hohe Vorkommen in Niger entsteht aus einer Mischung von schwerer Armut und traditionellen Weltvorstellungen, die Ehe als Absicherung der Ehre und Frauen vor allem als Gebärende betrachten. Obwohl ein Brautpreis für das Mädchen bezahlt wird, ist es oft eher die finanzielle Entlastung, die Mädchen nicht mehr ernähren zu müssen, die eine langfristige Rolle spielt. Der Islam, die Religion von 98% der Bevölkerung, wird oft benutzt, die traditionelle Sitte zu rechtfertigen. Auch weil es oft noch geringe Bildungsmöglichkeiten für Mädchen gibt, halten die Eltern die Ehe für einen Schutz vor außerehelicher Schwangerschaft, die auch oft wegen Vergewaltigung vorkommt, wenn die Mädchen nicht zur Schule gehen.
Nach dem Zivilrecht ist 15 das Mindestheiratsalter für Mädchen. In Niger sieht die Lage aber ziemlich verwirrend aus, da es noch Scharia und Gewohnheitsrecht gibt, die kleine klare Altersgrenze vorschreiben. Obwohl „wahaya“ seit 2003 verboten ist, kommt es immer noch vor. In 2008 hat das Gericht von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) festgelegt, dass die Sitte gegen das eigene Strafrecht und internationales Recht verstößt, und dass der Staat den Schutz des betroffenen Mädchens vernachlässigt hat. Auch beim Scheidungsrecht (PDF-Datei) spielt das Gewohnheitsrecht eine diskriminierende Rolle: der Mann darf sich einseitig ohne Registrierung scheiden lassen, wobei die Frau auch kein Sorgerecht für die Kinder bekommt. Die Frau muss aber, wenn sie sich scheiden lassen möchte, vor dem Gericht eine Genehmigung erhalten.
Auf der internationalen Ebene hat Niger das afrikanische MAPUTO Protocol zu Frauenrechten, in dem Kinderheirat verboten ist, noch nicht ratifiziert. Bezüglich der Auswirkungen vom Gewohnheitsrecht auf Frauenrechte hat Niger auch noch Vorbehalte zur UN Frauenrechtskonvention CEDAW.
Niger braucht dringend Hilfe in allen Entwicklungsbereichen, um das Leben der Bevölkerung zu verbessern. Es haben sich schon einige spezifische Initiativen gegen Kinderheirat und dessen Folgen gebildet:
http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/niger/
http://www.girlsnotbrides.org/wp-content/uploads/2013/10/Ford-Foundation-CM-West-Africa-2013_09.pdf
http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/2014/01/die-fuenfte-frau-das-wahaya-system-im-heutigen-niger/
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/soziales/psfra511.html
http://www.irinnews.org/report/75720/niger-rape-and-beatings-of-women-seen-as-normal
http://www.refworld.org/pdfid/4d9ea2122.pdf
http://www.unicef.org/publications/files/Early_Marriage_12.lo.pdf
Abd-el Kader Boye, Kathleen Hill, Stephen Isaacs and Deborah Gordis „Marriage Law and Practice in the Sahel“ (1991) 22(6) Studies in Family Planning 343.
Fallbeispiel (Quelle)
Mulu ist 13 Jahre alt und hat bereits Schreckliches erlebt. Zwei Mal wurde das äthiopische Schulmädchen entführt und beinahe Opfer einer Zwangsverheiratung. „Brautraub“ nennt sich dieser brachiale Brauch, der in mehreren Gebieten Äthiopiens praktiziert wird. Beim ersten Mal war Mulu elf Jahre alt und gerade auf dem Weg zur Mühle, als eine Gruppe Männer sie von hinten angriff und entführte. In einem Gespräch mit den Eltern einer der Entführer willigten Mulus Mutter und Vater ein, das Mädchen im Austausch gegen eine Kuh und zwei Schafe an den Kindesentführer zu verheiraten. Mulu gelang die Flucht und sie konnte einer Zwangs- und Frühehe entgehen. Auch bei einer weiteren Entführung durch einen 39-Jährigen Mann schaffte es Mulu erneut, sich zu befreien. Doch nicht alle Mädchen in Äthiopien haben so viel Glück wie Mulu, viele werden Opfer eines Brautraubs und sind gezwungen, den Rest ihres Lebens an der Seite des Entführers zu verbringen.
Statistik
Landesüberblick
Äthiopien ist mit etwa 94 Millionen Einwohnern und einem jährlichen Bruttonationaleinkommen pro Kopf von 470 US-Dollar eines der ärmsten Länder der Welt (Weltbank 2013)[4]. Beinahe ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsgrenze. Im Human Development Index 2013 liegt Äthiopien auf Platz 173 von insgesamt 187 Ländern. Strukturelle Probleme, wie die Folgen langer Dürreperioden auf die Landwirtschaft, das hohe und schnelle Bevölkerungswachstum –2050 wird Äthiopien zu den zehn bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gehören[5]– oder zunehmende Bodenerosion und damit einhergehender Ressourcenmangel, bleiben ungelöst. Ein Großteil der äthiopischen Bevölkerung, 43,5%, sind äthiopisch-orthodoxe Christen, knapp 34% Muslime und 18% Angehörige des protestantischen Glaubens[6].
Vorkommen
Mehr als 40% der äthiopischen Frauen werden verheiratet, bevor sie ihr 18. Lebensjahr erreichen. Damit hat Äthiopien eine der höchsten Früheheraten weltweit. Zwei von fünf Mädchen werden sogar jünger als oder im Alter von 15 Jahren verheiratet. In der Amhara Region im Norden Äthiopiens trifft dies auf knapp die Hälfte aller Mädchen zu. Ein besonders grausamer Brauch ist der sogenannte Brautraub, der noch immer in einigen Gebieten Äthiopiens praktiziert wird. Hierbei lauert ein Mann einem Mädchen auf, vergewaltigt und entführt es und holt sich anschließend bei den Eltern der Entführten die Erlaubnis, sie zu heiraten. Unter dem übermächtigen sozialen Druck, sehen diese keine andere Möglichkeit, als den Vergewaltiger der Tochter als deren Ehemann zu akzeptieren. In Bezug auf Brautraub sind statistische Datengrundlagen kaum vorhanden oder teilweise sehr unterschiedlich. Laut einer Studie des äthiopischen Finanz- und Wirtschaftsentwicklungsministeriums und UNICEF gehen 69% der Ehen in Äthiopien im Jahre 2003 auf eine Entführung zurück[7]. Bei der Umfrage „The 2005 Ethiopia Demographic and Health Survey“ gaben acht Prozent der befragten Frauen an, dass sie Opfer eines Brautraubes waren[8]. Ein derartiges Absinken ist höchst unwahrscheinlich. Fakt jedoch ist, dass diese besonders grausame Form der Früh- und Zwangsehe in Äthiopien weiterhin besteht.
Beweggründe
Die minderjährigen Bräute müssen oft schon als kleine Mädchen, noch vor der eigentlichen Eheschließung, ins Haus der Schwiegereltern ziehen und dort harte Feld- und Hausarbeit übernehmen. Für die Familie des Mannes bedeutet dies eine Arbeitskraft umsonst, für die der Mädchen, die finanzielle Entlastung, ein Kind weniger ernähren zu müssen. Auch für die besonders grausame Praktik des Brautraubs, ist einer der Hauptgründe die extreme Armut. Heiratet ein Mann eine Frau auf legalem Wege, so bedeutet das oftmals, dass er eine enorme Summe an die Eltern des Mädchens zahlen müsste. Bei einer Entführung ist dies nicht der Fall, die Männer müssen kaum etwas zahlen. Außerdem kommt es oftmals zu einer Entführung, wenn das Gesuch eines Mannes ein Mädchen zu heiraten, von deren Familie abgelehnt wird. Entführen die Männer dann ein Mädchen, vergewaltigen und schwängern es, hat ihre Familie kaum eine andere Wahl, als das Kind an ihren Entführer zu verheiraten. Im Falle einer Flucht erwartet die jungen Mädchen oftmals soziale Stigmatisierung und Ausgrenzung.
Gesetzliche Lage
Im Jahr 2001 wurde das Mindestheiratsalter in Äthiopien von 15 auf 18 Jahre angehoben, doch vor allem auf dem Land sind Kinderehen und Zwangsheiraten noch gängige Realität. Es fehlt an politischen Organen, welche die Einhaltung der gesetzlichen Regelung kontrollieren und bei Missachtung sanktionieren. Auch Gewalt gegen Frauen ist durch das Äthiopische Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt. Der Strafrahmen sieht ein bis fünf Jahre Freiheitsentzug vor, im Falle einer Vergewaltigung bis zu 15 Jahren[9]. Doch nur in sehr wenigen Fällen kommt es zu einer Anzeige. Das liegt unter anderem an der geringen Aufklärung über das Thema Gewalt, so gaben bei einer Umfrage 2011 68% der befragten Frauen an, dass sie glauben, ihr Ehemann habe das Recht sie zu schlagen[10]. Seit der Reform des Familiengesetzes 2005 ist die weit verbreitetet Praktik des Brautraubes verboten und wird mit einer Strafe von bis zu 20 Jahren Gefängnis geahndet. Zusätzlich legt Artikel 587 des Gesetzes fest, dass auch im Falle der Einwilligung des Opfers in eine Ehe (vielmehr die Einwilligung ihrer Familie) die Strafe besteht und das Opfer ein Recht auf Wiedergutmachung hat[11]. Zwar hat der Großteil der äthiopischen Regionen das Familiengesetz offiziell angenommen, doch ist auch in diesem Falle die Umsetzung in der Praxis mangelhaft: Das Justizsystem ist überfordert, es gibt zu wenige Poilzeibeamtinnen, und männliche Polizisten sind oftmals unzureichend sensibilisiert oder mangelhaft ausgebildet in frauenrechtlichen Themen. Hinzu kommt, dass viele Richter sich eher traditionellen Riten, als staatlichen Gesetzen verpflichtet fühlen.
Interventionsbeispiele
Quellen
[1] http://www.unicef.org/infobycountry/ethiopia_statistics.html
[2] http://www.unicef.org/infobycountry/ethiopia_statistics.html
[3] http://dhsprogram.com/pubs/pdf/FR255/FR255.pdf
[4] http://data.worldbank.org/country/ethiopia
[5] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/-/209506
[6] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Aethiopien_node.html
[7] http://www.itacaddis.org/docs/2013_09_24_08_09_26_Ethiopia_FGM_Final.pdf
[8] http://dhsprogram.com/pubs/pdf/FR179/FR179%5B23June2011%5D.pdf
[9] https://www.ecoi.net/file_upload/4232_1412928833_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-geschlechtsspezifische-verfolgung-in-ausgewaehlten-herkunftslaendern-april-2010.pdf
[10] http://dhsprogram.com/pubs/pdf/FR255/FR255.pdf
[11] https://www.ecoi.net/file_upload/4232_1412928833_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-geschlechtsspezifische-verfolgung-in-ausgewaehlten-herkunftslaendern-april-2010.pdf
Fallbeispiel[i]
Rubi ist glücklich, als sie ihre Prüfung zum Realschulabschluss in Dinajpur in Bangladesch besteht. Doch als sie nachmittags ihren Eltern davon erzählen will, gibt es keinen Anlass mehr zur Freude: Rubi soll verheiratet werden, teilen ihr die Eltern mit. Zu dieser Zeit ist das Mädchen 15 Jahre alt. Eine Heirat würde das Ende ihrer Ausbildung bedeuten. Doch Rubi wehrt sich. Sie weiß, dass das offizielle Heiratsalter in Bangladesch 18 Jahre beträgt. Sie wendet sich an Freunde, Klassenkollegen, Lehrer und bittet eine Kinderhilfsorganisation um Hilfe. Da Rubi eine Geburtsurkunde besitzt, kann sie ihr Alter nachweisen und schließlich der geplanten Frühehe entgehen. Doch nicht alle Mädchen erfahren so viel Unterstützung wie Rubi, und auch die eigene Geburtsurkunde besitzen viele Mädchen in Bangladesch nicht.
Statistik
Landesüberblick
Bangladesch gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und ist gleichzeitig unter den Flächenstaaten der am dichtesten besiedelte Staat der Welt. Knapp ein Drittel der 156 Millionen BewohnerInnen Bangladeschs lebt unter der Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar am Tag. Unter- und Fehlernährung sind weit verbreitet.
Vorkommen
Laut einer UNICEF-Veröffentlichung von 2013 heirateten 74% der 20- bis 49-jährigen Frauen in Bangladesch vor ihrem 18. Geburtstag, knapp 40% der Frauen gar vor dem Erreichen ihres 15. Lebensjahres.[iii] Eine Studie der internationalen Organisationen ICDDR und PLAN Bangladesh von 2012 kommt zu leicht positiveren Ergebnissen. Doch noch immer haben 64% der 20- bis 49-jährigen Frauen vor ihrem 18. Geburtstag geheiratet.[iv] Besonders besorgniserregend sind die Zahlen in Hinblick auf die ländliche Bevölkerung: Hier beträgt die Rate der Frühehen 71% in der Altersgruppe der 20- bis 24-jährigen Frauen. Mit diesen erschreckenden Zahlen ist Bangladesch, nach Niger, das Land mit dem zweithöchsten Vorkommen von Frühehen.
Beweggründe
Verschiedene Faktoren beeinflussen die extrem hohe Rate an Frühehen in Bangladesch, allen voran ökonomische Ursachen. Zum einen werden Mädchen jung verheiratet, wenn ihre Eltern nicht mehr für den Unterhalt aufkommen können und somit die Verantwortung an die Familie des Bräutigams übergeben wollen. Dies wird durch die zahlreichen Naturkatastrophen, denen die Bewohner Bangladeschs ausgesetzt sind, gefördert, denn oftmals führen diese zum Verlust des gesamten Besitzes. Zum anderen spielt die Mitgift eine besondere Rolle, denn je älter ein Mädchen verheiratet wird, desto höher ist ihre Mitgift, für die viele Familien auch ohnehin schon schwer aufkommen. Obwohl die Mitgift im Jahr 1980 gesetzlich verboten wurde, wird diese Tradition nichtsdestotrotz weitergeführt. Ferner spielt der frühzeitige Schutz der Ehre eine große soziale Rolle. Viele Familien fürchten nämlich einen Verlust der Ehre durch ein „Fehlverhalten“ der Mädchen und verheiraten sie deswegen so früh wie möglich. Hinzu kommt, dass unverheiratete Mädchen sexuellen Belästigungen und Übergriffen ausgesetzt sind, die im schlimmsten Fall sogar zum Raub führen.[v]
Gesetzliche Lage
Bereits seit 1929 sind Frühehen in Bangladesch nicht erlaubt. Das offizielle Heiratsalter liegt für Frauen bei 18 Jahren, für Männer bei 21. Doch die Umsetzung des Gesetzes ist seit seiner Einführung mehr als mangelhaft und steht auf wackeligen Beinen. Erst im September 2014 hatte die Regierung einen Gesetzesentwurf beschlossen, der die Herabsetzung des Mindestheiratsalters für Frauen auf 16 und für Männer auf 18 Jahre vorsah. Dieser Entwurf der Regierung kann als Versuch, die offiziellen Zahlen zu beschönigen, gedeutet werden, denn wenn bereits 16-Jährige Mädchen offiziell heiraten dürfen, fällt ein Großteil der Fallzahlen aus der Statistik heraus. Der Gesetzesentwurf stieß auf große Kritik seitens nationaler und internationaler NGOs. Bisher scheint es, als ob die Regierung der Gegenwehr nachgegeben hat, der Gesetzesentwurf ist erst einmal auf Eis gelegt.
Die Tatsache, dass Bangladesch trotz der Festlegung des weiblichen Mindestheiratsalters auf 18 Jahre zu den Ländern mit der weltweit höchsten Rate an Frühehen zählt, ist Indiz der mangelnden Kontrollmöglichkeiten und –fähigkeiten der Regierung bezüglich der Implementierung der Gesetzgebung. Regierungsbeamte und Behörden untergehen das offizielle Mindestheiratsalter, sie akzeptieren oftmals gefälschte Geburtsurkunden oder verzichten gar komplett auf einen Altersnachweis der Mädchen.[vi]
Interventionsbeispiele
Quellen
[i] https://www.devex.com/news/how-birth-certificates-help-fight-child-marriage-84927
[ii] http://reports.weforum.org/global-gender-gap-report-2014/economies/#economy=BGD
[iii] http://data.unicef.org/corecode/uploads/document6/uploaded_pdfs/corecode/Child-Marriage-Brochure-HR_164.pdf
[iv] https://plan-international.org/publications/child-marriage-in-bangladesh
[v] https://www.hrw.org/report/2015/06/09/marry-your-house-swept-away/child-marriage-bangladesh
[vi] http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Bangladesch/kinder.html
[vii] https://plan-international.org/girls-rights-activists-helping-end-child-marriage
Fallbeispiel[i]
Aracely ist 13 und im vierten Monat schwanger, als ihr Ehemann sie verlässt. Das Kind sei nicht von ihm, so seine Begründung. Im Alter von elf Jahren wurde das Mädchen an einen 34-jährigen Mann verheiratet. Mittlerweile ist Aracely 15 und alleinerziehende Mutter. Ihr Sohn David ist 17 Monate alt und gesund, sein Vater hat ihn noch nie gesehen. Bereits während ihrer Schwangerschaft wurde Aracely nicht mehr von ihrem Ehemann finanziell unterstützt. Die Hoffnung, dass eine Hochzeit eine finanzielle Absicherung des Mädchens bedeutet, hat sich ins Gegenteil gewandt: Aracely hat wegen ihrer Hochzeit ihre Ausbildung abgebrochen und muss nun für Zwei sorgen.
Statistik
Landesüberblick
Guatemala ist der bevölkerungsreichste Staat in Zentralamerika und ethnisch äußerst heterogen. Die Mehrheit der Guatemalteken, 58%, bezeichnet sich als Ladinos, 45% als Indígena. Insgesamt gibt es 22 verschiedene Mayavölker in Guatemala. Zwischen den unterschiedlichen Ethnien sind große soziale Unterschiede zu verzeichnen. Es sind vor allem die Mayas, die von extremer Armut betroffen sind. Im Jahr 1996 wurde der über 35 Jahre andauernde Bürgerkrieg, dem Schätzungen nach bis zu 250.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, beendet. Doch noch immer zeigen die extrem ungleiche Verteilung von Wohlstand und Landbesitz, sowie hohe Kriminalität und mangelnde strafrechtliche Verfolgung, dass die Ursachen und Folgen des Bürgerkriegs noch immer nicht überwunden sind.
Vorkommen
Frühehen sind ein weit verbreitetes Phänomen in Guatemala. Knapp ein Drittel der 20- bis 24-jährigen Frauen wurde unter 18 Jahren verheiratet.[iv] Laut UNICEF werden gar 7% der Mädchen vor ihrem 15. Geburtstag verheiratet.[v] Eine Studie des UN-Bevölkerungsfonds aus dem Jahr 2007 kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahlen unter der Mayabevölkerung noch deutlich extremer sind: 40% der Mädchen heiraten unter 18 Jahren. Auch ist der Unterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung gravierend. Auf dem Land sind es mehr als die Hälfte der 20- bis 24-Jährigen, die unter 18 heirateten, 13% unter 15 Jahren.[vi] Zusätzlich hat bereits ein Viertel der Frauen zwischen 20 und 24 unter 18 Jahren entbunden.[vii]
Beweggründe
Es sind vor allem die Armut und mangelnde ökonomische Perspektiven, die Eltern dazu treiben, ihre Kinder früh verheiraten zu wollen. Die Hochzeit der Tochter, oftmals mit einem deutlich älteren Mann, wird als ihre finanzielle Absicherung betrachtet. Auch die Angst vor sexuellem Missbrauch der Tochter führt dazu, dass viele Eltern ihre Töchter jung verheiraten, um sie auf diesem Wege zu „schützen“. Außerdem sind traditionelle Vorstellungen, welche die Rolle von Mädchen und Frauen ausschließlich in ihrer Funktion als Ehefrau und Mutter sehen, sowohl unter Männern als auch Frauen weit verbreitet.
Gesetzliche Lage
Mit elterlicher Zustimmung dürfen Mädchen in Guatemala ab dem 14. Lebensjahr heiraten, Jungen ab 16 Jahren. Ohne Einwilligung der Eltern liegt das Heiratsalter für beide Geschlechter bei 18 Jahren. Doch wie die Statistiken zeigen, wird das gesetzliche Mindestheiratsalter bestenfalls als Empfehlung gesehen.
Interventionsbeispiel
Quellen
[i] http://www.nytimes.com/interactive/2015/02/08/opinion/sunday/exposures-child-bride-mother-stephanie-sinclair.html?_r=0
[ii] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Guatemala_node.html
[iii] https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gt.html
[iv] http://www.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/MarryingTooYoung.pdf
[v] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/guatemala/
[vi] http://www.unfpa.org/end-child-marriage
[vii]http://oegf.at/wp-content/uploads/2018/02/weltbevbericht_2013_DE.pdf
[viii] http://www.popcouncil.org/research/abriendo-oportunidades-opening-opportunities
[ix] http://www.cfr.org/peace-conflict-and-human-rights/child-marriage/p32096#!/?cid=otr_marketing_use-child_marriage_Infoguide#!%2F
[x] http://girlsnotbrides.theideabureau.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2014/01/Equality-Now-Protecting-the-Girl-Child-JAN-2014.pdf
Razia (Name geändert) ist eine 19-jährige Pakistanerin aus Thatta, die im Alter von 12 Jahren verheiratet worden ist. Grund für ihre frühe Vermählung war das so genannte watta satta (zu Deutsch: Geben und Nehmen), ein Ritual, bei dem Bruder und Schwester in dieselbe Familie einheiraten. Der Bruder von Razia wollte eine Frau heiraten, dessen Familie im Gegenzug um die Hand von Razia für den eigenen Sohn anhielt. Das Einverständnis für diesen Brauttausch gaben die Eltern, die sich dadurch weniger finanzielle Probleme erhofften. Razia wurde nicht nach ihrer Meinung oder ihren Wünschen gefragt und musste die Schule, damals war sie in der dritten Klasse, abbrechen. Auch in der Familie des Bräutigams lebte Razia in bitterer Armut und musste trotz baldiger Schwangerschaft harte körperliche Arbeit verrichten. Folgen waren eine Frühgeburt des Kindes, das aufgrund von Unterernährung starb. Kurze Zeit später verstarb auch ihr Ehemann aufgrund eines Überfalls auf offener Straße. Daraufhin wurde Razia von ihren Schwiegereltern verstoßen und musste wieder zurück in ihr Elternhaus ziehen. Die Organisation Adolescent Friendly Centres (AFCs) wurde auf Razia aufmerksam und verhalf ihr durch Unterstützung, Bildung und Aufklärung zu einem neuen und selbstständigeren Leben. Durch ihr Engagement beim Early Childhood Care and Development (ECCD) versucht Razia heutzutage Millionen anderen Mädchen, die von Früh- und Zwangsehen betroffen sind, zu helfen.[i]
Pakistan, auch die Islamische Republik Pakistan, liegt in Südasien und wurde im Jahr 1956 für einen unabhängigen Staat erklärt. Neben dem Parlament hat zudem das Militär großen Einfluss auf die Politik. Der Islam ist als Staatsreligion in der Verfassung manifestiert, sodass 96% der Bevölkerung Muslime sind. Zu den religiösen Minderheiten zählen unter anderem ca. 2,8 Millionen Christen und 3 Millionen Hindus. Ihnen räumt die Verfassung zwar Rechte ein (wie z.B. durch den Christian Marriage Act aus dem Jahr1872[viii]), nichtsdestotrotz sind sie häufig Opfer von Diskriminierungen und Gewaltakten.
Laut dem Bericht Education for All Global Monitoring Report 2014 der UNESCO können nur 60% der Bevölkerung richtig lesen und schreiben, 47% davon sind Frauen. Zudem bleiben etwa 5,5 Millionen Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren dem Schulunterricht fern. Pakistan hat somit eine der niedrigsten Einschulungs- und Alphabetisierungsquoten weltweit.[ix]
In den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 sind 506 Fälle von Frühehen und Zwangsverheiratung bei den pakistanischen Behörden eingegangen. Die Statistik Pakistan Demographic and Health Survey 2012-13 des National Institute of Population Studies Islamabad belegt, dass 44 von tausend Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren Kinder bekommen, von denen allerdings nur 7% Zugang zu Verhütungsmitteln hatten. Eine von 89 Frauen stirbt bei der Geburt, darunter auch viele Minderjährige.[x] Schätzungen zufolge sind jährlich 100 – 700 Frauen christlichen und 300 Frauen hinduistischen Glaubens zwischen 12-25 Jahren von Zwangsehen und -konversion betroffen.[xi]
Die Meinungen der Frauen bzw. Mädchen werden bei der Beschließung einer Ehe nicht eingeholt oder schlichtweg ignoriert. Jegliche Auflehnung gegen das bestehende patriarchale System wird meist gewalttätig unterdrückt und führt im schlimmsten Fall zur Ermordung der Frau – auch „Ehren“-Mord genannt (siehe weiter unten). In Pakistan müssen Frauen bei der eigentlichen Hochzeitszeremonie nicht einmal anwesend seien. So genannte Handschuh-Ehen legitimieren Eheschließung in Abwesenheit der Ehepartner, sofern je ein Vertreter beider Parteien anwesend ist und der Ehe zustimmt, auch wenn sich die zu Vermählenden nicht einmal kennen.
Pakistan hat eine der höchsten „Ehren“-Mordraten weltweit. Jedes Jahr werden hunderte bis tausende Pakistanerinnen ermordet oder entstellt, weil sie mit ihrem Verhalten angeblich die Familienehre „beschmutzt“ haben.[xii] Für die meisten Morde wurden die Täter bis jetzt jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen. In einigen Provinzen Pakistans muss die „verlorene“ Ehre des Mannes öffentlich wiederhergestellt werden, um einen noch größeren Ehrverlust zu vermeiden. Sollte sich der Mann dieser Aufgabe widersetzen, wird auch er als „ehrlos“ abgestempelt und von der Gesellschaft ausgegrenzt - auch Männer sind demnach von Gewalt im Namen der Ehre betroffen.[xiii] Die einzelnen Provinzen haben zudem auch eigene Bezeichnungen für die so genannten Ehrenmorde. In Sindh beispielsweise, wo 359 der insgesamt 869 „Ehren“-Morde im Jahr 2013 registriert worden sind[xiv], werden sie karo-kari genannt, was soviel wie „schwarze Frau“ und „schwarzer Mann“ bedeutet.[xv]
Die Zahl der registrierten „Ehren“-Morde für das Jahr 2015 liegt bei 1096, in der ersten Hälfte diesen Jahres waren es 300, obwohl eine sehr viel höhere Dunkelziffer zu vermuten ist.[xvi] [xvii] Diese Annahme bestätigt sich dadurch, dass die Pakistaner „Ehren“-Morde nicht als eine Angelegenheit des Staates ansehen, sondern als Familienangelegenheit, bei der es keiner Strafverfolgung bedarf.
Neben dem oben genannten Brauch des watta satta (Brauttausch) ist es in Pakistan zudem möglich, eine langjährige Familienfehde durch Hochzeiten zu beenden. Dies geschieht durch die Einheiratung der Tochter der einen Familie in die des verfeindeten Stammes. Bei diesem Austausch, auch als swara bezeichnet, müssen die Mädchen trotz offizieller Beilegung des Konflikts der Schikane und Demütigung der vormals verfeindeten Familie erdulden.[xviii]
Abgesehen von den zahlreichen tradierten Bräuchen, die Frühehen begünstigen, gibt es individuelle Gründe dafür, warum Eltern ihre Kinder früh vermählen. Einerseits wird die Familie entlastet, da für ein Kind weniger gesorgt werden muss. Andererseits verdient sich die Familie mit dem Brautgeld etwas zum Unterhalt dazu. Zudem ist eine frühe Vermählung meistens eine Garantie für die „Reinheit“ und „Unberührtheit“ der Tochter. Die vielen vor allem gesundheitlichen Risiken der Mädchen, wie beispielsweise eine frühe Schwangerschaft, werden dabei allerdings ausgeblendet.
Das Mindestheiratsalter liegt laut dem Child Marriage Restraint Act von 1929 für Jungen bei 18 Jahren, für Mädchen aber bei 16 Jahren. Trotz dieser gesetzlichen Regelung können Mädchen mit dem Einverständnis ihrer Eltern noch vor ihrem 16. Geburtstag heiraten, so dass immerhin 3% der Mädchen im Alter bis 15 Jahren vermählt werden.[xix]
Wie bereits erwähnt wurde, werden „Ehren“-Morde als Familienangelegenheit betrachtet. Zu einer Strafverfolgung kam es im Grunde kaum. Kam es bis vor Kurzem doch zu einer Verhandlung, bestand die Möglichkeit, den Täter freizusprechen, wenn die Familie des Opfers (die auch meist die Familie des Täters ist) ihm offiziell verzieh.[xx]
Das könnte sich jetzt jedoch ändern: Anfang Oktober diesen Jahres hat das pakistanische Parlament einstimmig ein Gesetz gegen „Ehren“-Morde verabschiedet. Damit wurde die Gesetzeslücke geschlossen, die es möglich gemacht hatte, dass Täter keinerlei Strafe für das Verbrechen verbüßen mussten. Das neue Gesetz sieht für Täter nun eine lebenslange Haftstrafe vor. Eine Vergebung sei jetzt nur noch möglich, wenn die Todesstrafe gegen den Täter verhängt wird. Dadurch könne er heute zwar der Todesstrafe entgehen, müsse aber dennoch eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen. Unterschiedlichen Quellen zufolge beläuft sich die Strafe auf zwischen 12,5 bis 25 Jahre.[xxi] [xxii] [xxiii] Problematisch ist jedoch auch nach Erlass des neuen Gesetzes, dass die Entscheidung, ob es sich um einen „Ehren“-Mord handelt, im Ermessen des zuständigen Richters liegt.[xxiv]
Premierminister Nawaz Sharif sprach sich für den Erlass des neuen Gesetzes gegen „Ehren“-Morde aus und betonte, dass nichts Ehrenhaftes an einem „Ehren“-Mord sei. Außerdem werde sich die Regierung dafür einsetzen, dass das neue Gesetz auch tatsächlich durchgesetzt wird. [xxv]
Gleichzeitig wurde vom Parlament ein Gesetz gegen Vergewaltigung verabschiedet, das nun die Verwendung von DNA-Analysen als Beweismittel zulässt.[xxvi] Außerdem müssen Urteile innerhalb von drei Monaten gesprochen werden und im Falle einer Verurteilung belaufe sich die Haftstrafe auf 25 Jahre. [xxvii]
Stand: 12/2016
Quellen:
Djeba ist 20 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern. Trotz ihrer guten Leistungen in der Schule, musste Djeba die Schule abbrechen, weil sie im Alter von 14 Jahren mit einem 17 Jahre älteren Mann verheiratet wurde. Die so früh geschlossene Ehe beschreibt sie als Alptraum. Insbesondere während ihrer Schwangerschaften litt Djeba unter großen Schmerzen, sodass sie sich nicht mehr um den Haushalt kümmern konnte und dadurch der Schikane ihrer Schwiegermutter ausgesetzt war. Um Mädchen vor demselben Schicksal zu bewahren und Frühehen zu beenden, arbeit Djeba als lokale Aktivistin in Mali und leistet Präventions- und Aufklärungsarbeit. Ihr größter Wunsch ist es, ihre bestehende Ehe endlich aufzulösen.[i]
Mali ist eines der größten Länder Afrikas und zugleich eines der ärmsten Länder weltweit.[v] 95% der Bevölkerung gehören dem Islam an. Zu den Minderheiten gehören Christen, von denen einige gleichzeitig auch Animisten sind.[vi] Insbesondere die Scharia, welche die islamischen Rechtsgrundrechte vorgibt, und das Gewohnheitsrecht bestimmen die gesetzliche Lage in Mali. 54% der Bevölkerung sind unter 18 Jahre alt. Das Durchschnittsalter beträgt 16 Jahre.[vii] Die Amtssprache ist Französisch.
Mali hat eine der höchsten Vorkommen an Frühehen weltweit. 55% der Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, 15% sogar bevor sie 15 Jahre alt sind.[viii] Laut der Studie „Child Marriage in West Africa and Cameroon: A Desk Review“ vom Plan West Africa Regional Office (Plan WARO) aus dem Jahr 2014 leben 66% der Betroffenen in ländlichen Gebieten, die meisten Frühehen finden prozentual (87%) in der Region Kayes statt. Das Durchschnittsalter der Mädchen bei der ersten Eheschließung beträgt 16,5 Jahre. Zudem haben 13% der Mädchen und jungen Frauen noch vor dem 16. Geburtstag ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Schule, sofern eine besucht wurde, abgebrochen werden musste.[ix] 86% der verheirateten Mädchen, verglichen mit 62% der unverheirateten, haben keinen Zugang zu Bildung. Viele Mädchen werden zudem später eingeschult, als das offizielle Einschulungsalter vorsieht. Dies führt dazu, dass die Mädchen noch während der Grundschule das heiratsfähige Alter erreichen und verheiratet werden. Oftmals ist eine Rückkehr dann nicht mehr möglich, insbesondere nach der Geburt des ersten Kindes.[x]
Gründe für Frühehen sind vielseitig. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Entlastung der Familien, da es einen Menschen weniger zu versorgen gilt, sondern vielmehr um das Brautgeld, das die Brauteltern für ihre Tochter erhalten. Des Weiteren sollen sexuelle Aktivitäten der Mädchen kontrolliert und uneheliche Schwangerschaften verhindert werden, um das Ansehen der Familie nicht zu schädigen. Frühehen werden oft auch als Erziehungsmaßnahme eingesetzt.[xi]
Malische Frauen unterliegen streng patriarchalen Strukturen. Sie sind in ihrem Elternhaus erst von ihrem Vater oder Bruder, dann von ihrem Ehemann im Haus der Schwiegereltern abhängig. Es ist Frauen sogar gesetzlich untersagt, ohne die Erlaubnis des Vaters bzw. Mannes aus dem Haus zu gehen.[xii]
Im Jahr 2009 wurde eine reformierte Version des Family Codes vorgestellt, welche die Gleichstellung von Frauen und Männern forderte und Frauen mehr Rechte zusprechen sollte. Das Mindestheiratsalter sollte beispielsweise von 15 auf 18 Jahre angehoben werden. Obwohl sich Mali als ein säkularisierter Staat deklariert, stieß die Gesetzesänderung beim High Islamic Council of Mali und der muslimischen Bevölkerungsmehrheit auf Proteste, weil die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht mit dem Islam zu vereinbaren sei. Tausende Muslime gingen daraufhin auf die Straßen, unter ihnen auch viele Frauen. Der amtierende Präsident Amadou Toumani Touré lehnte daraufhin den Gesetzesvorschlag ab und bat das malische Parlament um eine Anpassung der vorgelegten Version. Im Jahr 2011 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das viele Frauen erneut in ihren Rechten beschneidet.[xiii] Das Mindestheiratsalter für Mädchen liegt nun bei 16 Jahren und für Jungen bei 18 Jahren. Die Ausnahme erlaubt allerdings eine Verheiratung schon mit 15 Jahren.[xiv]
[i] https://plan-international.org/djeba-my-child-marriage-nightmare
[ii] http://www.worldbank.org/en/country/mali
[iii] http://hdr.undp.org/en/content/table-1-human-development-index-and-its-components
[iv] Plan WARO: Child Marriage in West Africa and Cameroon: A Desk Review (PDF-Datei)
[v] https://www.ein-herz-fuer-kinder.de/2009/04/de/afrika/mali/schule-fuer-naeherinnen-schule
[vi] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mali-node/mali/208242
[vii] Plan WARO: Child Marriage in West Africa and Cameroon: A Desk Review (PDF-Datei)
[viii] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/mali/
[ix] Plan WARO: Child Marriage in West Africa and Cameroon: A Desk Review (PDF-Datei)
[x] http://educationenvoy.org/wp-content/uploads/2013/09/Child-Marriage.pdf (PDF-Datei)
[xi] Plan WARO: Child Marriage in West Africa and Cameroon: A Desk Review (PDF-Datei)
[xii] http://www.aljazeera.com/programmes/witness/2010/09/201095141841631119.html#
[xiii] https://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/mali
[xiv] https://www.fidh.org/International-Federation-for-Human-Rights/Africa/mali/Mali-s-new-Family-Law-women-s
[xv] http://www.tostan.org/news/changing-course-30-malian-communities-publicly-abandon-female-genital-cutting-and-childforced
[xvi] https://www.ein-herz-fuer-kinder.de/2009/04/de/afrika/mali/schule-fuer-naeherinnen-schule
Constanza wurde im Alter von 12 Jahren verheiratet. Sie verließ ihren Ehemann, weil sie noch ein Kind und keine Ehe- und Hausfrau sein wollte. Sie suchte Asyl in ihrem Elternhaus. Allerdings wurde sie von ihrer eigenen Mutter für die Flucht bestraft, brutal zusammengeschlagen und mit einer Fußfessel ans Bett gekettet. Trotz Fußfessel schaffte es Constanza sich von den Fängen ihrer Mutter zu befreien. Sie wurde auf offener Straße von einem Polizisten gefunden und in ein Kinderheim gebracht. Dort wurde sie in Obhut genommen und psychologisch sowie juristisch betreut. Mit ihrer Flucht wurde ein Präzedenzfall angestrebt, um die Öffentlichkeit für die Folgen von Frühehen für junge Mädchen zu sensibilisieren. Allerdings kam es nie zu einer Gerichtsverhandlung, weil Constanza aus dem Kinderheim geflohen ist.[i]
Rumänien ist seit Anfang des Jahres 2007 Mitglied der Europäischen Union. Die Bevölkerung besteht zu 89,9% aus Rumänen. Zu den ethnischen Minderheiten, die insgesamt 10% der Bevölkerung ausmachen, gehören offiziell u.a. 6,6% Ungaren und 2,5% Roma.[v] Die Rechte dieser Minderheiten sind nach den europäischen Menschenrechtskonventionen in den Gesetzen verankert, allerdings leiden vor allem die Roma unter sozialer Ausgrenzung und Armut.[vi] Eine Volkszählung im Jahr 2002 ergab, dass etwa 500.000 Roma in Rumänien leben, allerdings wird die tatsächliche Zahl auf weitaus mehr geschätzt. Grund für diese Abweichung ist die Aberkennung der Roma als eigene Ethnie seitens der rumänischen Bevölkerung. Schätzungen zufolge leben zwischen 1,4 und 2,5 Millionen Roma in Rumänien.[vii] Sie stellen inoffiziell daher die größte Minderheit in Rumänien dar.
Die Angaben zu Frühehen in diesem Abschnitt beziehen sich lediglich auf die Roma.
Die Statistik des „Institute for Research of the Quality of Life“ (2002) bestätigt, dass 35% der Roma-Frauen noch vor dem Erreichen ihres 16. Lebensjahres, 31% zwischen 17 und 18 Jahren und 26% im Alter zwischen 19-22 verheiratet worden sind.[viii] Die in Ramnicelu lebenden Roma verheiraten ihre Kinder besonders früh. Dort liegt das durchschnittliche Heiratsalter zwischen 8 und 12 Jahren.[ix]
Aufgrund dieser zahlreichen Frühehen ist auch die Geburtenrate von unter 18-jährigen Roma-Mädchen sehr hoch. Die Studie „Come Closer: Roma Inclusion and Exclusion in Present-day Romanian Society“ aus dem Jahre 2008 von Gábor Fleck und Cosima Rughniş (in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union) besagt, dass 55% der Roma-Frauen als Minderjährige schwanger wurden.[x] 10% der Mädchen bekommen im Alter zwischen 10-15 Jahren ihr erstes Kind, 48% zwischen 16-18 Jahren.[xi]
Die Volkszählung aus dem Jahr 2002 zeigt, dass nur 21% der Roma-Kinder im Alter zwischen 15 und 18 zur Schule gehen, von denen 18% Mädchen sind. Lediglich 9% der Roma zwischen 18 und 30 Jahren haben einen Schulabschluss und nur 2% der Jugendlichen zwischen 19 und 22 Jahren besuchen eine weiterführende Hochschule.[xii] Gründe für den frühen Schulabbruch sind neben Frühehen (4%) primär Diskriminierungen, die fehlenden finanziellen Mittel für Materialien und Kleider (44%), schlechte Noten (16%) und die fehlende Unterstützung durch die Eltern (9%).[xiii] Die patriarchalen Strukturen erschweren es den jungen Mädchen zudem, eine gute Ausbildung zu erlangen, da sie von ihren Eltern dazu erzogen werden, die typische Frauenrolle der Hausfrau und Mutter zu übernehmen. Nur selten dürfen sie nach der Hochzeit weiterhin die Schule besuchen.
Es gibt viele Arten der Frühehe bei den Roma. Eine davon ist der Brauch paruvimos (Brauttausch), bei dem Bruder und Schwester in ein und dieselbe Familie einheiraten. Dadurch halbieren sich die Kosten für die Hochzeit und auch das Brautgeld entfällt.[xiv] Eine besonders große Rolle bei diesen Hochzeiten spielt das Ansehen der Familien. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Jungfräulichkeit des Mädchens und der damit einhergehende Stolz, wenn die Familienehre erfolgreich bewahrt wurde. Viele Eltern befürchten nämlich den Verlust der Kontrolle über die Mädchen während der Pubertät und ein eventuelles Abgleiten auf die „schiefe“ Bahn. Zudem werden viele Hochzeiten pompös und protzig gefeiert, um so zusätzlich gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten. Dies geschieht auch dann, wenn die Familie es sich prinzipiell nicht leisten kann.[xv]
Zu weiteren Gründen für Frühehen gelten neben dem ökonomischen Aspekt, wie z.B. die Verbindung zweier reicher Familien, auch die Angst vor einer Entführung (Brautraub oder o nasimos[xvi]), bei dem Mädchen vergewaltigt und dadurch zur Ehe gezwungen werden. Schon im 19. Jahrhundert wurden Frühehen vollzogen, um Mädchen vor der sexuellen Nötigung durch Bojaren (adligen Großbesitzern) zu schützen.[xvii]
Das gesetzliche Mindestheiratsalter von Jungen und Mädchen in Rumänien liegt bei 18 Jahren (Family Code: Artikel 4), allerdings erlaubt eine Ausnahme die Verheiratung mit 16 Jahren durch die Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters. Eine vorzeitig geschlossene Ehe wird offiziell nicht anerkannt, es sei denn die Ehepartner haben zwischenzeitlich das Mindestheiratsalter erreicht oder ein Kind zur Welt gebracht.[xviii]
Die Interventionsmöglichkeiten der rumänischen Polizeibehörden halten sich mangels Beweisen allerdings in Grenzen, da beispielsweise Roma-Hochzeiten in der Regel von allen Anwesenden als interne Familienfeiern getarnt werden und die Mädchen sich nicht trauen, Widerstand zu leisten. Die Regierung wurde infolgedessen bereits mehrfach von der EU-Kommission kritisiert.
[i] Kurzbericht: ARD-Europamagazin (https://www.youtube.com/watch?v=oDp_lwz_S0M)
[ii] http://data.worldbank.org/country/romania
[iii] http://hdr.undp.org/en/content/human-development-index-hdi-table
[iv] http://www.focus.de/finanzen/news/wohlstand-in-europa-armut-in-deutschland-ist-groesser-als-in-slowenien_aid_949511.html
[v] Marieta Radu: „Promoting the Social Inclusion of Roma“, S.5
[vi] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/rumaenien-node/-/210868
[vii] Marieta Radu: „Promoting the Social Inclusion of Roma“, S.2
[viii] http://www.balkaninsight.com/en/article/romania-s-roma-to-drop-early-marriage-tradition
[ix] http://www.papatya.org/pdf/Country%20report%20Rumaenien-en.pdf, S.7
[x] http://www.unicef.org/romania/Early_marriages_Romani_CRISS.pdf, S.32
[xi] http://ec.europa.eu/justice/discrimination/files/roma_romania_strategy_en.pdf, S.4
[xii] ebd., S.9
[xiii] http://www.state.gov/documents/organization/160210.pdf, S.38
[xiv] http://www.unicef.org/romania/Early_marriages_Romani_CRISS.pdf, S.35
[xv] ebd., S.34
[xvi] ebd., S.35
[xvii] http://www.okay-line.at/file/656/poliszwangsheirat.pdf, S. 5
[xviii] http://www.unicef.org/romania/Early_marriages_Romani_CRISS.pdf, S.60-62
[xix] http://www.romaeducationfund.hu/sites/default/files/publications/romania_report.pdf, S.47
[xx] ebd., S.50
[xxi] http://www.papatya.org/pdf/Country%20report%20Rumaenien-en.pdf, S.7-8
Boutaida ist elf Jahre alt und lebt in Ba-Illi. Sie ist die einzige Tochter der Familie und ihre Mutter die dritte Frau ihres Vaters. Als die Mutter den Vater für einen anderen Mann verlässt, wurde Boutaida innerhalb der eigenen Familie benachteiligt und vernachlässigt. Um der Einsamkeit und Armut zu entgehen, akzeptierte sie die Hochzeit mit einem 10 Jahre älteren Mann, der um ihre Hand anhielt und ihr die Hoffnung auf ein besseres Leben zu geben schien. Um jedoch der Zahlung des vollständigen Brautpreises zu entgehen, entführte der Verlobte Boutaida noch vor der eigentlichen Vermählung und schickte dem Vater anstelle von zehn Kühen nur zwei. Eine lokale Organisation wurde auf das Schicksal von Boutaida aufmerksam und befreite sie nach einem Monat aus der Frühehe.[i]
Tschad ist ein sehr facettenreiches Land mit etwa 120 verschiedenen ethnischen Gruppen. Die Mehrheit der Bevölkerung (52%) sind sunnitische Muslime, gefolgt von 22% Christen und 22% Animisten. Anhänger des Animismus glauben an übernatürliche Kräfte sowie die Beseeltheit der Natur. Dies schließt auch den Glauben an Geister und Dämonen ein, mit denen man durch Riten und Bräuche Kontakt aufnehmen kann.[v] Obwohl die Einschulungsquote bei über 90% liegt, verlassen Mädchen früher die Schule als gleichaltrige Jungen.[vi]
Tschad hat die dritthöchste Rate an Frühehen weltweit. 29% der Mädchen heiraten noch vor ihrem 15. Geburtstag, 68% bevor sie 18 Jahre alt sind. Die Studie „Demographic and Health Survey Chad“ (2004) besagt, dass 71% der Frauen zwischen 25-49 Jahren noch vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden. 42% bekamen noch vor ihrem 18. Lebensjahr ihr erstes Kind.[vii]
Gründe für die hohe Rate an Frühehen in Tschad sind vor allem ökonomischer Natur. Neben der frühen finanziellen Entlastung erhalten Eltern bei der Vermählung ihrer Töchter zusätzlich einen Brautpreis in Form von Geld oder auch Tieren. Gleichzeitig möchten Eltern ihren Töchtern ein besseres Leben ermöglichen, sie vor sexuellen Übergriffen schützen und ihre Ehre und Unberührtheit sicherstellen, da beispielsweise eine uneheliche Schwangerschaft Schande über die ganze Familie bringen würde. Eine besondere Rolle spielen auch die sozialen Gegebenheiten. Viele Eltern wurden selbst früh verheiratet und führen diese Tradition fort. Zudem erwartet auch die Gesellschaft, dass ein Mädchen jung und „rein“ verheiratet wird, da sonst vom Gegenteil ausgegangen wird und das Mädchen und ihre Familie in Verruf geraten. Durch Frühehen soll zudem die Familienbindung gestärkt werden, da die Mädchen ihre Männer als Beschützer und Ernährer wahrnehmen und sich dadurch verpflichtet fühlen, eine gute Hausfrau und Mutter zu sein. Hinzu kommt auch die Annahme, dass junge Frauen mehr Kinder gebären können als ältere. Viele Schwiegermütter drängen ihre Söhne auch dazu, eine junge Frau zu heiraten, um die Schwiegertöchter als Arbeitskraft für anstehende Arbeiten auf dem Feld auszunutzen.[viii]
Bis vor kurzem lag das Mindestheiratsalter in Tschad für Mädchen bei 15 Jahren und für Jungen bei 18. Allerdings erlaubt das Gewohnheitsrecht eine Vermählung schon mit 13 Jahren[ix], obwohl die Ehe mit einer 13-Jährigen gesetzlich mit einer Vergewaltigung gleichsetzt wird und dadurch theoretisch strafbar ist.[x]
Einen Fortschritt im Kampf gegen Früh- und Zwangsehen ist die Anhebung des gesetzlichen Mindestheiratsalters auf 18 Jahre für beide Geschlechter im März 2015. Durch diese Reform werden Zwangsehen mit einer Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren und einem Bußgeld von etwa 1.000 – 5.000 US-Dollar bestraft.[xi]
[i] http://www.girlsnotbrides.org/girls-voices/boutaidas-story-chad/
[ii] http://data.worldbank.org/country/chad
[iii] http://hdr.undp.org/en/content/table-1-human-development-index-and-its-components
[iv] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Tschad_node.html
[v] http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/animismus/ch/1f124cb3f11e7efa72bf92e4d32c28d3/
[vi] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Tschad_node.html
[vii] http://dhsprogram.com/pubs/pdf/FR170/FR170-TD04.pdf
[viii] Henri Nzeyimana „Girls not Brides – Addressing Child Marriage in Chad
[ix] http://www.humanium.org/en/chad/
[x] http://www2.ohchr.org/english/bodies/cedaw/docs/ngos/AmnestyInternational_forthesession_Chad_CEDAW50.pdfforthesession_Chad_CEDAW50.pdf, S.10-11, 17
[xi] http://reliefweb.int/report/chad/chad-national-campaign-end-child-marriage-takes
[xii] https://au.int/en/newsevents/27017/working-breakfast-meeting-auc-campaign-end-child-marriage-africa-african-first
[xiii] https://www.internews.org/sites/default/files/resources/chad_media_guide_-_final_for_publication_041012_19.12.12.pdf
Regina (15 Jahre) musste in der Schule eine Prüfung wiederholen, die sie nicht bestanden hatte. Allerdings weigerte sich ihr Bruder, weiterhin die Schulgebühren zu zahlen, weil er sie verheiraten wollte. Daraufhin übernahm der Direktor der Schule vorübergehend die Kosten für Reginas Schulbesuch. Regina wehrte sich gegen ihre bevorstehende Frühehe, weil sie noch zur Schule gehen wollte und zudem befürchtete, dass der Mann viel älter sein würde als sie selbst. Daraufhin wurde sie von ihrem Bruder aus dem Haus geschmissen und lebt seitdem bei ihrer Tante, die sie bei ihrem Widerstand gegen die Frühehe unterstützt. Für Regina ist der Schulabschluss das allerwichtigste Mittel, um ihrer Frühehe zu entkommen. Wenn sie älter ist, möchte sie Präsidentin von Sierra Leone werden.[i]
Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt. 70% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, d.h. mit weniger als 1$ pro Tag. Diese extreme Armut ist heutzutage noch die Folge des Bürgerkrieges, der zwischen 1999-2002 in Sierra Leone herrschte und beinahe das gesamte Land verwüstete.[vii] Die Bevölkerung besteht etwa zu 70 Prozent aus Muslimen, zu 20 Prozent aus Christen und zu 10 Prozent aus Animisten.[viii] Anhänger des Animismus glauben an übernatürliche Kräfte sowie die Beseeltheit der Natur. Dies schließt auch den Glauben an Geister und Dämonen ein, mit denen man durch Riten und Bräuche Kontakt aufnehmen kann.[ix] 59% der Menschen in Sierra Leone sind AnalphabetInnen.
Sierra Leone hatte besonders unter der Ebola-Epidemie zu leiden. Laut der World Health Organization (WHO) gab es etwa 9.000 Fälle von Ebola-Erkrankungen. Dadurch haben viele Familien ihre Ernährer und viele Kinder ihre Eltern verloren.[x]
Sierra Leona hat eine der höchsten Raten an Frühehen weltweit. 39% der Mädchen heiraten noch vor ihrem 18., 13% sogar vor ihrem 15. Geburtstag. Dies hat zur Folge, dass 68% der Frauen im Teenageralter schwanger werden. Laut der Studie „Sierra Leone Demographic and Health Survey“ (SLDHS 2008) hatten 28% der insgesamt 7.374 befragten Frauen im Alter von 15. Jahren das erste Mal Sex.[xi] Auch das Durchschnittsalter der ersten Entbindung beträgt 15 Jahre.[xii] Grund für diese hohe Zahl an Teenagerschwangerschaften ist neben Frühehen vor allem der fehlende Zugang bzw. der schlechte Umgang mit Verhütungsmitteln. Etwa 92% der Frauen gaben an, keinerlei Verhütungsmittel zu benutzen.[xiii] Mit verheerenden Folgen: Mädchen unter 18 Jahre machen 40% der Frauen aus, die im Kindsbett sterben.[xiv]
Auch in Sierra Leone ist eines der wichtigsten Beweggründe für Frühehen die finanzielle Entlastung der Familien. Einerseits, da es einen Kopf weniger zu versorgen gilt, andererseits, weil die Familie der Braut von der Familie des Bräutigams ein Brautgeld erhält. Viele Mädchen stimmen einer Frühehe zu, weil sie viele Geschenke vom Bräutigam erhalten und sich durch das Einheiraten in eine etwas finanzkräftigere Familie finanzielle Absicherung erhoffen. Oftmals wird ein Mädchen auch zu einer Frühehe gezwungen, weil sie unehelich schwanger geworden ist. Durch die Verheiratung soll dann die vermeintliche Familienehre bewahrt werden. Zudem wird das Alter eines Mädchens in Sierra Leone nicht an Jahren, sondern an der körperlichen Entwicklung festgemacht. Sofern ein Mädchen die Pubertät beendet zu haben scheint, wird es für heiratsfähig erklärt. Nach der Geburt des ersten Kindes bestehen die Ehemänner oftmals darauf, dass die Mädchen zu Hause bleiben und sich um die Kinder und den Haushalt kümmern. Mädchen und Frauen unterliegen demnach patriarchalen Strukturen, die sie auf die Rolle der Hausfrau und Mutter reduzieren. Diese Rollenverteilung wird ihnen meistens auch schon im Elternhaus vorgelebt. Hinzu kommen zusätzlich die hohen Kosten für den Schulbesuch, welche die Männer und Familien kaum aufbringen können, sodass die Mädchen gezwungen sind, die Schule frühzeitig abzubrechen.[xv]
Insbesondere die Ebola-Epidemie 2014 führte zum Anstieg von Frühehen. Da viele Kinder verwaisten und dadurch ihren gesetzlichen Vormund verloren, wurde die Verantwortung für die Mädchen durch eine frühzeitige Ehe auf die Familie des Bräutigams übertragen.
In Sierra Leone beträgt das Mindestheiratsalter gemäß dem Child Right Act (2007) 18 Jahre, allerdings wird dieses Gesetz durch das Gewohnheitsrecht (Customary Marriage and Divorce Act, 2007) ausgehebelt. Obwohl das Mindestheiratsalter auch in dieser Gesetzgebung auf 18 Jahre festgelegt ist, erlaubt es die Ausnahme im zweiten Abschnitt durchaus, Mädchen mit dem Einverständnis eines gesetzlichen Vertreters früher zu verheiraten.
Aktuell versuchen der Bildungsminister von Sierra Leone, Dr. Minkailu Bah, sowie die School Principals and Head Teachers Association ein Schulverbot für schwangere Teenager durchzusetzen, um die anderen Schulkinder vor dem „schlechten“ Einfluss der schwangeren Mädchen zu schützen.[xvi]
Am 17. August 2016 hat die Regierung von Sierra Leone die Teilnahme des Landes an einer Kampagne der Afrikanischen Union zur Abschaffung von Frühehen gestartet, die zum Ziel hat, den sozialen Wandel in Afrika zu beschleunigen und die Regierungen zur Entwicklung von Aufklärungs- und Präventionsstrategien zu ermutigen. Bislang nehmen 15 afrikanische Länder an der Kampagne teil. Die Regierung zeigt mit der Teilnahme, dass sie ihren Kampf gegen diese folgenreiche Praxis intensivieren will. [xvii]
[i] http://www.plan.ie/stories/2014-berbarattis-education-journey/
[ii] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/SierraLeone_node.html
[iii] http://hdr.undp.org/sites/default/files/Country-Profiles/SLE.pdf
[iv] https://plan-uk.org/file/beforetheirtimereportpdf/download?token=-jpyqRik, S.11
[v] http://www.unicef.org/infobycountry/sierraleone_statistics.html
[vi] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/sierra-leone/
[vii] http://www.state.gov/e/eb/rls/othr/ics/2013/204729.htm
[viii] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/SierraLeone_node.html
[ix] http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/animismus/ch/1f124cb3f11e7efa72bf92e4d32c28d3/
[x] http://www.globalgiving.co.uk/pfil/18165/projdoc.pdf, S.2
[xi] http://dhsprogram.com/pubs/pdf/sr171/sr171.pdf, S.6
[xii] http://www.unicef.org/evaldatabase/index_72952.html
[xiii] http://dhsprogram.com/pubs/pdf/sr171/sr171.pdf, S.7
[xiv] http://www.forwarduk.org.uk/what-we-do/africa-programmes/sierra-leone-maternal-mortality/
[xv] https://plan-uk.org/file/beforetheirtimereportpdf/download?token=-jpyqRik, S.11-17
[xvi] https://africasacountry.com/2015/04/the-folly-of-barring-pregnant-girls-from-school-in-sierra-leone
[xvii]http://www.girlsnotbrides.org/sierra-leone-launches-au-campaign-on-child-marriage/
[xviii]http://www.care.de/informieren/themen/frieden-gerechtigkeit/studien-hintergruende/tag-des-maedchens/kinderheirat-zur-armut-verurteilt/
[xix] http://www.childhelpsl.org/en/
[xx] http://www.aworldatschool.org/upforschool
[xxi] unsere-arbeit/themen/internationale-zusammenarbeit/internationale-kooperationen/266-arbeit-gegen-genitalverstuemmelung-in-sierra-leone-aim
Stand: 09/2016
Fallbeispiel
Santadevi Meghwal 20 Jahre: Sie kommt aus Rajasthan. Die Eltern hatten ihre Heirat vorgenommen, da war sie gerade mal 11 Monate alt. Sie erzählt:“ Es ist ein Teil der Tradition in unserem Dorf, dass, wenn ein älterer Verwandter stirbt, ein Kind innerhalb von 13 Tagen verheiratet wird.“ Sobald das Mädchen in das Jugendalter kommt, wird die Hochzeit vollzogen. Mit 16 erfuhr Santadevi von ihrer Heirat und widersprach energisch, dass sie nicht das gleiche Schicksal erleiden wolle wie ihre Schwester, die in ihrer Ehe leide. Sie ging vor Gericht, um auf legalem Weg ihre Heirat zu beenden. Doch der Bräutigam und seine Familie lehnten ab. Nach vielen Auseinandersetzungen hat sie es dennoch geschafft. Mittlerweile hat Santadevi das zweite Jahr ihres Studiums absolviert. Sie möchte Lehrerin werden und Kindern in Lebensfragen zur Seite stehen. (Quelle Nr. 9)
Statistik
Landesüberblick
In den nächsten 30 Jahren wird Indien das Land mit der größten Bevölkerung der Welt sein. Indien ist heute eine der prosperierenden Volkswirtschaften der Welt und wird mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und der USA an dritter Stelle stehen. Jedoch hat es dabei mit großen Problemen der Armutsbekämpfung, der Erweiterung und Qualitätssicherung des Bildungssystem und der Infrastrukturentwicklung zu ringen. (Quelle Nr. 2)
Im Durchschnitt liegt das Einkommen im Jahr bei 1000€ pro Person (Stand 2015).
In Bezug auf die Armut können keine fundierten Aussagen getroffen werden, da Angaben von verschiedenen Quellen äußerst stark variieren. Die Bemessungsgrundlagen Indiens sind dabei sehr umstritten. So hat die Regierung von Indien angegeben, dass im Jahr 2013 22 % der Bevölkerung in Armut leben. Definiert man jedoch Armut nach der Bemessungsgrenze der Weltbank mit 1.25$ pro Kopf und Tag, kann davon ausgegangen werden, dass 32.7 % unterhalb dieser Grenze ihr Leben bestreiten müssen. (Quelle Nr. 6)
Etwa 78% der Bevölkerung kann lesen und schreiben (2). Im Jahr 2009 wurde das Gesetz „Right to Education Act“ erlassen, in welchem das Grundrecht auf Bildung für Kinder von 6 bis 14 Jahre festgeschrieben wurde. Allerdings ist aufgrund der unterschiedlichen Angebote staatlicher und privater Bildungseinrichtungen noch keine einheitliche und ausreichende Qualität der Wissensvermittlung gewährleistet. Auch fehlt es an qualifizierten Lehrkräften, was zur Folge hat, dass der Schulbesuch auf den weiterführenden Schulen rückläufig ist. (Quelle Nr. 7)
Insbesondere Mädchen sind davon betroffen. Laut dem Unicef Bericht von 2011 „The World´s children report“ besuchen 86% Mädchen die Grundschule. Jedoch fällt die Beteiligung bei den weiterführenden Schulen auf einen Anteil von 59%. In ihre Ausbildung wird aufgrund der vorherrschenden patriarchalen Strukturen oftmals weniger investiert. Aber auch der Mangel an weiterführenden Schulen in ländlichen Gebieten, unzureichende Schuleinrichtungen sowie fehlende sanitäre Einrichtungen für Mädchen in Schulen sind weitere Gründe für die Schulabbrüche. (Quelle Nr. 4)
In Indien ist eine Vielzahl von Religionen vertreten. So gibt es 80% Hindus, 13% Muslime, 2.3% Christen, 1.9% Sikhs, sowie Buddhisten, Jainas, Parsen und Bahai (Quelle Nr. 2.)
Offizielle Sprachen sind Hindi, Englisch und 20 weitere regionale Sprachen.
Vorkommen
In Anbetracht des Berichts „Protecting the girl child legal annex“ der Thomson Reuters Foundation waren gemäß erhobener Daten aus den Jahren 2007 bis 2008, 42,9% der indischen Frauen im Alter von 20-24 Jahren bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Das sind gleichzeitig 40% der Frühehen weltweit, wodurch Indien den traurigen Spitzenplatz bei den absoluten Zahlen einnimmt. (3) Darüber hinaus sind 53,4 % der Mädchen in ländlichen Gebieten und 29,7 % der Mädchen in urbanen Gegenden vor dem 18. Geburtstag verheiratet. (8) Die Angaben zeigen, dass in ländlichen Regionen Frühehen vorherrschend sind. Die Mädchen werden oftmals mit älteren Männern verheiratet, da Männer den dominierenden Part in der Ehe übernehmen sollen. Mädchen bzw. Frauen müssen sich ihm sowie seiner Familie, insbesondere der Schwiegermutter unterordnen. Ihre Ausbildung bzw. Schule müssen sie oftmals abbrechen, was sie in eine existenzielle Abhängigkeit führt. Durch ihre niedrige soziale Stellung werden sie häufig Opfer von jeglicher Art von Missbrauch und häuslicher Gewalt. (5)
Beweggründe
In Bezug auf Indien ist es unzureichend, wenn von „Beweggründen“ gesprochen wird. Die wesentliche Ursache oder die Wurzel der frühen Verheiratung von Mädchen beruht auf der Grundeinstellung, dass Männer eine Vorrangstellung in Familie und Gesellschaft besitzen und Mädchen bzw. Frauen als „paraya dhan“ betrachtet werden, was bedeutet „jemandes Vermögen sein“.
Im Wesentlichen verdeutlicht diese Tatsache die Mitgift, die Ausdruck der patriarchalen Strukturen in Indien ist. In einigen Ethnien ist bei einer Eheschließung eine Mitgift zu zahlen. Sie kann als eine Art Aussteuer bezeichnet werden, die der Vater der Braut für die Eheschließung aufbringen muss. Bei einem älteren Mädchen wird oftmals eine höhere Mitgift, bei einem jüngeren Mädchen eine niedrigere Mitgift erwartet. Der Hintergrund ist die Auffassung, dass jüngere Mädchen leichter zu sozialisieren, besser zu kontrollieren und zu erziehen sind und sich weniger widersetzen.
Jedoch ist das Alter für eine Eheschließung auch von der Produktivität bzw. der Arbeitskraft eines Mädchens abhängig. Es ist daher kein Zufall, dass das Heiratsalter oftmals in der Pubertät liegt, da Mädchen ältere Menschen versorgen oder auf Kinder aufpassen können, während der Rest der Familie, z. B in ländlichen Gebieten, auf dem Feld tätig ist. Generell gelten Mädchen in der Herkunftsfamilie sowie in der Familie des Bräutigams als finanzielle Last. Diesbezüglich wird erwartet, eine gute, gehorsame Ehefrau zu sein, was verbunden ist mit bestimmten weiblichen Normen wie schön, anpassungsfähig, fügsam, fleißig und talentiert.
Da Männer ihre Macht in der Vaterschaft in Verbindung mit der Abstammungslinie von Namen, Vermögen, Status und Religion begründet sehen, ist der einzige Weg, diese aufrechtzuerhalten, die Kontrolle der weiblichen Sexualität. Der Beweis für die Macht ist die Jungfräulichkeit und damit verbunden das keusche Verhalten des Mädchens oder der Frau. Die Kaste (gesellschaftliche Klasse) bzw. die Ansicht, dass nur durch die Reinheit des Blutes der Fortbestand der Gesellschaft bzw. Gruppe erhalten bleiben kann, bestimmt, dass ein Mädchen, sobald sie in der Pubertät ist, heiraten muss, um die Jungfräulichkeit sicherzustellen. Damit gilt als gewährleistet, dass das anwachsende Vermögen und die Privilegien der Familie geschützt werden.
Aus diesem Grund gilt in manchen Gegenden, umso jünger das Mädchen, umso respektvoller und heiliger ist es, sie wegzugeben. Laut Aussagen, aus einem Interview mit Männern aus Jharkhand, welche im Report 2015 veröffentlicht wurde 2015 sei die Frage nach der Mitgift in der Vergangenheit nur noch eine symbolische Geste gewesen. Doch steigende Lebensstandards, wachsendes Vermögen und damit einhergehende wachsende Ungleichheit führen bei der Frage der Mitgift zu hochmütigem Verhalten. Auch kann ein Mann mit höherer Ausbildung eine höhere Mitgift verlangen, da er seiner Frau ein besseres Leben bieten kann. Ähnliche Normen bestimmen, dass eine geringere Mitgift akzeptabel für „gute“ und schöne Mädchen ist.
So zeigen diese Beispiele, dass Faktoren wie Vermögensverhältnisse, soziale Normen, internationale wirtschaftliche Dynamiken, Bildung, Ungleichheit im Kastensystem und die Erhaltung sozialer Bande das System der Mitgift beeinflussen und verändern, die Grundhaltungen der patriarchalischen Strukturen nicht beseitigt wird. (Quelle Nr. 8)
Gesetzliche Lage
Das gesetzliche Heiratsalter beträgt in Indien 18 Jahre für Mädchen und 21 Jahre für Jungen.
Diese Altersgrenzen existierten schon im Gesetz zur Einschränkung von Frühehen von 1929, („The Child Marriage Restraint Act“) und sind in der Aktualisierung des Gesetzes, dem Verbot im Jahr 2006 („The Prohibition of Child Marriage Act“) beibehalten worden. Es gibt keine legalen Ausnahmen bezüglich des Mindestalters für Eheschließungen, weder unter dem Gesetz zum Verbot von Frühehen, noch in Anbetracht des Gewohnheitsrechts. Das Gesetz gilt für ganz Indien (außer den Provinzen Jammu und Kashmir) und für alle InderInnen, gleich welcher Ethnie oder Religion sie/er angehören.
Dennoch weist das Gesetz Schwachstellen auf. So werden Frühehen unter dem Verbot des „Child Marriage Acts“ unter Punkt 3 nicht als allgemein illegal, sondern als anfechtbar betrachtet. Opfer von Kinderehen haben die Möglichkeit, die Hochzeit zwei Jahre nach ihrer Volljährigkeit anzufechten. In einigen begrenzten Fällen, in denen Kinder entführt, gehandelt, mit Gewalt gezwungen oder hinterlistig getäuscht werden, sind Kinderheiraten vor der Volljährigkeit nichtig und ungültig. Jedoch war die erhebliche Mehrheit der Fälle, die bis jetzt vor Gericht gebracht wurden, nicht in eine Entführung oder Kinderhandel verwickelt. Aus welchem Grund die Ehen auch oftmals nicht aufgehoben wurden. (3) Darüber hinaus sind auch die Mitgift sowie deren Annahme gesetzlich im „Dowry Prohibition Act“ seit 1961 verboten und laut Absatz 5 nichtig. Der Verstoß dagegen wird mit mindestens 5 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe geahndet. Trotz der strengen Formulierung des Gesetzes ist die Praxis weit verbreitet. Die Daten des „National Crime Records Bureau“ zeigen, dass es einen Anstieg von Todesfällen aufgrund der Nichterfüllung von Mitgiften in den letzten Jahren gibt. In erster Linie wurden die Bräute von der Familie des Bräutigams wegen der Nichteinhaltung des Brautpreises getötet.
Bei der Gesetzgebung im Jahre 2006 wurden so genannte „Child Marriage Prohibition Officers“ für jeden Staat ernannt, jedoch drücken diese gegen Bezahlung einer Geldsumme oft ein Auge bei Frühehen zu. (Quelle Nr. 3)
Interventionsbeispiele
Quellen:
1.) United Nations Development Programme HumanDevelopment Reports
3.) Thomson Reuters Foundation January 2014
5.) www.tdh.de/was-wir-tun/themen-a-z/kinderheirat.html
6.) www.boell.de/de/2013/10/07/indien-erfolgreicher-riese-der-armutsbekaempfung
7.) www.bpb.de/internationales/asien/indien/44534/indiens-bildungssystem
8.) www.nirantar.net/public/site/files/EM_Report_30-4-15.pdf
9.) gulfnews.com/news/asia/india/i-got-married-when-i-was-only-11-months-old-1.1552136
10.) www.girlsnotbrides.org/simple-solution-major-problem-information-helps-girls-say-child-marriage/
Fallbeispiel
In der Literaturrecherche zum Länderbericht Nicaragua wurde deutlich, dass Frühehen eine weit verbreitete Tatsache in Nicaragua sind. Allerdings wurde kein konkretes Beispiel genannt.
Statistik
Landesüberblick
Nicaragua als zweitärmstes Land Südamerikas ist trotz hohem Wirtschaftswachstums in den letzten Jahren äußerst abhängig von der weltwirtschaftlichen Entwicklung und zudem von einer verstärkten neoliberalen politischen Ausrichtung seit den 1990er Jahren vorbelastet. Die meisten finanziellen Einnahmen werden aus der Landwirtschaft, der Fischerei, Gold, der Textilindustrie und der Energiewirtschaft bezogen. Trotz alledem ist es von verschiedenen Ländern und ausländischen Organisationen (u.a. der Entwicklungshilfe) auf finanzielle Hilfe angewiesen. (Quelle Nr. 1 u. 12.)
In Nicaragua sind 42,5% der Menschen von großer Armut betroffen und leben von 2$ oder weniger am Tag. Im Jahr 2005 standen 45% der Menschen sogar weniger als 1$ am Tag zur Verfügung.
Mit der Privatisierung der öffentlichen Bildung unter der Regierung Violetta Barrios de Chamarro 1992 und den geforderten Strukturmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mussten Schulen Schulgebühren erheben, was die Auswirkung hatte, dass viele Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schickten, um das Geld zu sparen. Trotz der Wiedereinführung von kostenfreien Schulen hat Bildung auch 20 Jahre später auf der politischen Agenda eine marginale Bedeutung, was die finanziellen Investitionen von nur 4,7% des Bruttoinlandsprodukts (BPI) für Bildung verdeutlichen. Folglich sind die schulischen Kapazitäten, besonders in ländlichen Regionen, nicht ausreichend, und das allgemeine Bildungssystem weist aufgrund schlechter Ausstattung und mangels qualifizierten Lehrpersonals ein großes Defizit auf.
Auch wenn 91,5% der Kinder die Grundschule (in Nicaragua 6 Jahre) besuchen, so erreichen gerade mal 43% einen Abschluss und im Durchschnitt nur 18,8% das Abitur. Im Jahr 2006 waren 23% der über 15- Jährigen AnalphabetInnen. Auf diese Weise gehen Bildung und Armut Hand in Hand: wo finanzielle Mittel nicht zum Überleben reichen, ist für Schulmaterial, Gebühren und Uniform kein Geld vorhanden. (Quellen Nr. 1, 3, 9 u. 11)
Die Gewalt gegen Frauen ist ein großes Problem. In Nicaragua existiert eine große Anzahl an Gewalttaten gegen Frauen. 67% der Frauen haben in irgendeiner Art Gewalt erlebt. Diese reicht von psychischer über körperliche und sexuelle Gewalt bis hin zu Mord. (Quelle Nr. 9)
Diese Gewalt ist tief historisch, kulturell, ideologisch und religiös in der Gesellschaft verankert und äußert sich demzufolge auch in Form von struktureller und institutioneller Gewalt. Die Wurzel all dessen liegt im patriarchalen System des so genannten Machismo. Das ungleiche Machtgefüge erwartet, dass die Frau sich dem Mann unterordnet. In manchen Fällen verbieten Männer ihren Frauen den Kontakt zur eigenen Familie oder zu Freunden. Außerdem stehen Schwangerschaftsabbrüche ausnahmslos unter Strafe, auch wenn die Schwangerschaft gesundheitsschädlich für die Frau ist. (Quelle Nr. 9 u. 11)
Vor allem das Gesetz verdeutlicht dabei die Vormachtstellung des Mannes.
„ Civil Code“ = Bürgergesetzbuch
Artikel 151 ... „der Ehemann ist der Bevollmächtigte der Familie“
Artikel 152... „Der Ehemann ist aufgefordert, mit seiner Frau zu leben, sowie die Frau mit ihrem Ehemann leben und ihm wohin auch immer er seinen Wohnsitz hin verlegt zu folgen hat.“ (Quelle Nr. 10)
Vorkommen
Im Jahr 2007 waren 41% der 20-24 jährigen Frauen in Nicaragua vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet worden. Die Region Atlantico Sur im Nordosten des Landes hat jedoch mit 60% das höchste Vorkommen, gefolgt von Atlantico Norte mit 59% und Rio San Juan mit 56%. Quelle Nr. (4)
Von den 15-19 jährigen Mädchen sind bereits 23% Mütter. (Quelle Nr. 10)
Beweggründe
Frühehen resultieren in Nicaragua aus dem Zusammenspiel von Armut, der patriarchalen Kultur des Machismo und aus mangelnder Bildung.
In Nicaragua sind Mädchen häufiger von Kinderheirat bzw. Frühehen betroffen, wenn sie eine schlechtere oder keine Ausbildung haben, aus ärmeren Verhältnissen kommen und/oder in ländlichen Gebieten wohnen. Im Jahr 2001 war die Wahrscheinlichkeit, dass eine 20-24-jährige Frau aus einer ländlichen Region vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet worden war, eineinhalb mal größer als diejenige, dass eine gleichaltrige Frau aus der Stadt bereits vor dem Alter von 18 Jahren verheiratet wurde.
Darüber hinaus wurden 69% der Frauen im Alter von 20-24 Jahren, die keine Schulbildung oder nur eine Grundausbildung hatten, vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet oder lebten in einer Beziehung. Bei Frauen mit einer fortgeschrittenen oder höheren Ausbildung waren es im Vergleich dazu nur 25%. (Quelle Nr. 4)
Gesetzliche Lage
Laut dem Familiengesetz sind Frauen und Männer gesetzlich berechtigt, die Ehe mit Vollendung des 18. Lebensjahres einzugehen.
Allerdings ist es mit Zustimmung der Eltern bzw. des gesetzlichen Vertreters möglich, schon mit 16 Jahren zu heiraten. (Quelle Nr. 6) Bis zum April 2014 galt diese Ausnahmeregelung für Mädchen schon ab 14 Jahre und für Jungen ab 15 Jahre. (Quelle Nr. 7)
Interventionsbeispiele
Im Abschnitt Landesüberblick wurde die tief greifende Gewalt gegen Frauen erwähnt. Diese steht derzeit im Fokus ziviler Frauenarbeit in Nicaragua.
So gibt es einige Organisationen, die sich mit Aufklärungsarbeit und Bildungsmaßnamen für die generelle Potenzialförderung von Frauen und Mädchen engagieren. Sie tragen somit dazu bei, dass Mädchen und Frauen selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden können. Eine dieser Organisationen ist unser Förderprojekt MIRIAM, das unter anderem auch politische Lobbyarbeit und Öffentlichkeitsarbeit macht sowie psychologische Betreuung und rechtsanwaltliche Vertretung für Frauen mit Gewalterfahrungen anbietet.
Weitere Organisationen, die sich gegen Gewalt an Frauen und für die Gleichberechtigung einsetzen:
Movimiento Autónomo de Mujeres
El Movimiento Feminista de Nicaragua
Red de Mujeres contra la ViolenciaRed de Mujeres contra la Violencia
Colectivo de Mujeres de Matagalpa
Quellen
1) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nicaragua-node/-/223344
2) hdr.undp.org/en/content/table-1-human-development-index-and-its-components
3) www.bpb.de/internationales/amerika/lateinamerika/44824/bildungspolitik
4) www.devinfo.info/mdg5b/profiles/files/profiles/4/Child_Marriage_Country_Profile_LACNIC_Nicaragua.pdf
5) girlsnotbrides.org/child-marriage/nicaragua
6) http://legislacion.asamblea.gob.ni/Normaweb.nsf/xpNorma.xsp?documentId=0E2E8961BDFD480706257E4A006DDE63&action=openDocument <S.41 Titulu III Del Matrimonio, Capitulo I Art. 54
7) faolex.fao.org/docs/pdf/nic138841.pdf
8) www.equalitynow.org/sites/default/files/B+20_Report_EN.pdf
9) Solidarität heute und morgen, Perspektiven gegenseitiger Unterstützung, Informationsbüro Nicaragua e.V. 2012 S. 7-8 /8-13
10) www.nicaragua-forum.de/nica-aktuell/nica-aktuell_01-15-web.pdf
11) http://liportal.giz.de/nicaragua/geschichte-staat/
12) http://liportal.giz.de/nicaragua/wirtschaft-entwicklung/#c3650
Fallbeispiel
Akech ist 16 Jahre alt. Mit 14 Jahren musste sie die Schule abbrechen, weil ihr Onkel die Gebühren nicht mehr zahlen wollte - mit der Begründung, dass sie schon zu alt für die Schule sei. Dabei liebte Akech die Schule. Sie träumte davon, Krankenschwester zu werden. Stattdessen sollte sie einen 50 Jahre alten Mann heiraten, weil dieser ihrem Onkel 75 Kühe als Brautgeld versprochen hatte. Akech, die sich gegen die Verheiratung wehrte, wurde der Beschmutzung der Familienehre bezichtigt und von ihrem Cousin gewaltsam in das Haus des Bräutigams gebracht. Kurze Zeit darauf floh Akech aus dem Haus ihres Mannes und suchte Schutz bei einer Freundin. Allerdings wurde sie von ihrem Onkel ausfindig gemacht, zur Polizei gebracht und musste als Erziehungsmaßnahme eine Nacht im Gefängnis verbringen. Am nächsten Tag wurde sie von ihrem Cousin abgeholt, brutal zusammengeschlagen und wieder in das Haus ihres Mannes gebracht. Seitdem hat Akech keinen Fluchtversuch mehr unternommen.[i]
Statistik
Landesüberblick
Der Südsudan wurde 2011 zu einem unabhängigen Staat erklärt und vereint 60 verschiedene Ethnien sowie 80 unterschiedliche Sprachen. Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Christen, es gibt allerdings auch einige Muslime und Animisten[v]. Etwa 83% der Menschen leben in ländlichen Gebieten, wo die Viehzucht eine essenzielle Rolle einnimmt. Des Weiteren setzt sich die Bevölkerung prozentual mehr aus Frauen als aus Männern zusammen (52% zu 48%).[vi]
Um der hohen AnalphabetInnquote entgegenzuwirken, wurde im Südsudan ein alternatives Schulsystem eingeführt. Dadurch wurde Jungen und Mädchen, die sich den Besuch einer Schule nicht leisten konnten oder diese vorzeitig verlassen mussten, nachträglich eine Schulbildung ermöglicht. Insbesondere schwangere Mädchen und Mütter nehmen dieses Angebot in Anspruch. 2011 haben nahezu 70.000 Schülerinnen durch diese Maßnahme die Schule besucht.[vii]
Vorkommen
Der Südsudan hat eine der höchsten Raten an Frühehen weltweit. 52% der Mädchen heiraten bis zu ihrem 18. Geburtstag, 9% sogar bevor sie 15 Jahre alt sind.[viii] Laut der Studie „ South Sudan Household Health Survey“ 2006 sind beinahe die Hälfte aller Mädchen des Südsudan zwischen 15 und 19 Jahren verheiratet. Zudem hat der Südsudan die höchste Müttersterberate weltweit. Schätzungen zufolge sterben von 100.000 Mädchen und Frauen nahezu 2.050 bei der Geburt.[ix]
Beweggründe
Die südsudanesische Gesellschaft ist stark patriarchalisch geprägt. Frauen unterliegen den Männern und dürfen keinerlei Entscheidung ohne die Zustimmung eines Mannes treffen. Dies trifft auch auf die Wahl des Ehemannes zu. Die meisten Mädchen müssen einen Mann heiraten, den die Familie ausgesucht hat, und der deutlich älter ist als sie selbst. Ein Abweichen von diesen Strukturen hat Gewalt und im schlimmsten Fall den Tod als Konsequenz.
Der wichtigste Grund für eine Frühehe im Südsudan ist das Brautgeld, das die Familie der Braut erhält. Meistens wird die Tochter nicht für Geld oder Gold, sondern für Vieh an den Bräutigam übergeben. Dadurch werden arme Familien in ökonomischer Sicht nachhaltig entlastet. Zudem soll das Mädchen durch eine Frühehe vor vorehelichem Geschlechtsverkehr und ungewollter Schwangerschaft geschützt werden, um so einer Beschmutzung der vermeintlichen Familienehre vorzubeugen. Darüber hinaus würde durch ein „Fehlverhalten“ der Tochter die Höhe des Brautpreises sinken. Hinzu kommt, dass das Brautgeld niedriger ausfällt, je älter ein Mädchen verheiratet wird. Oftmals ist die Frühehe auch die einzige Hoffnung der Familien, ihren Töchtern ein besseres Leben zu ermöglichen.[x]
Gesetzliche Lage
Der Schutz von Kindern vor Diskriminierungen, Gewalt und Frühehen ist im Child Act aus dem Jahr 2008 als auch in der neuen südsudanesischen Verfassung seit 2011 rechtlich verankert. Auch der Brautraub ist nach dem Strafgesetzbuch gesetzlich verboten. Allerdings gibt es im Südsudan kein offizielles Mindestheiratsalter, sodass diese Gesetze in der Praxis kaum umgesetzt oder strafrechtlich verfolgt werden. Zudem verhindert auch das Gewohnheitsrecht einen angemessenen Schutz, da Frühehen zu den Traditionen des Südsudan gehören und dementsprechend über Generationen weitergeführt werden.
Auch eine Scheidung ist im Südsudan sehr problematisch. Laut dem Gewohnheitsrecht ist diese nämlich erst dann zulässig, wenn das gesamte Brautgeld, das zu Beginn an die Familie der Braut gezahlt worden ist, an die Familie des Bräutigams zurückgezahlt wird. Da das Brautgeld allerdings oftmals innerhalb der Familie aufgeteilt wird oder die Familien die nötigen Mittel zur Erstattung selten aufbringen können, müssen die Mädchen und Frauen lebenslang unter dem Reglement ihrer Ehemänner bleiben. Sollte eine Frau dennoch die Scheidung einreichen, kann sie des Ehebruchs bezichtigt werden und im schlimmsten Fall eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren erhalten.[xi]
Interventionsbeispiele
Quellen:
[i] https://www.hrw.org/report/2013/03/07/old-man-can-feed-us-you-will-marry-him/child-and-forced-marriage-south-sudan
[ii] http://data.worldbank.org/country/south-sudan
[iii] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/suedsudan-node
[iv] http://www.care.org/sites/default/files/documents/Gender%20in%20Brief%20South%20Sudan%20.pdf
[v] Animisten gehören dem Animismus an: Es ist ein Religion, die vorwiegend bei den Jäger + Sammler Kulturen (indigene Völker) verbreitet ist. Animisten glauben, dass jedes Detail der Erde eine Seele hat und jedem Wertschätzung zukommen muss.
[vi] ebd.
[vii] https://www.hrw.org/report/2013/03/07/old-man-can-feed-us-you-will-marry-him/child-and-forced-marriage-south-sudan
[viii] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/south-sudan/
[ix] http://www.southsudanmedicaljournal.com/assets/files/misc/SHHS.pdf
[x] http://www.hrw.org/report/2013/03/07/old-man-can-feed-us-you-will-marry-him/child-and-forced-marriage-south-sudan
[xi] https://www.hrw.org/report/2013/03/07/old-man-can-feed-us-you-will-marry-him/child-and-forced-marriage-south-sudan
[xii] http://www.unicef.org/southsudan/10924_12807.html
[xiii] http://www.voanews.com/content/high-dowry-child-marriage-south-sudan-/1690947.html
Kader ist als fünftes von acht Kindern einer Familie im Südosten der Türkei aufgewachsen und wurde im Alter von elf Jahren von ihrer Familie in einem Tauschgeschäft einem jungen Mann zur Frau gegeben. Kaders Familie erhielt dafür von der Familie des Bräutigams eine Braut für einen älteren Bruder des Mädchens. Zwei Jahre nach ihrer Hochzeit wurde Kader bereits zum zweiten Mal Mutter, das Baby starb jedoch. Wenig später wurde auch Kader tot aufgefunden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.[i]
Die Türkei erstreckt sich geographisch über zwei Kontinente. Anatolien, der asiatische Teil des türkischen Staatsgebiets, nimmt etwa 97 % der Fläche ein (790.955 km²). Der europäische Teil, das östliche Thrakien, umfasst etwa 3 % der Landesfläche (23.623 km²). Insbesondere die wirtschaftlichen Ballungszentren um Antalya, Ankara, Izmir, Adana, Bursa und Istanbul stechen bei der Bevölkerungsdichte heraus, denn es herrscht eine starke Binnenmigration aus den ostanatolischen in die westlichen Provinzen. Für die meisten Menschen ist der Grund der Wanderung die Suche nach Arbeit.
Die türkische Gesellschaft ist von starken politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegensätzen gekennzeichnet. So werden Elemente einer modernen, westlichen, demokratischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft mit einem lebendigen und in der türkischen Gesellschaft tief verwurzelten Islam moderner Prägung sowie mit einem teilweise ausgeprägten Nationalismus verbunden. Zu den Hauptbevölkerungsgruppen in der Türkei zählen Türken, Kurden und Araber. Insbesondere die Rechte der kurdischstämmigen Bevölkerung sowie die Anerkennung der Aleviten als eigene Religionsgemeinschaft spielen in der Politik des Landes immer wieder eine wichtige Rolle.
Im Zuge des 1923 geschlossenen Vertrags von Lausanne wurden KurdInnen nicht mehr als anerkannte Minderheiten berücksichtigt. In der Folge wurden entsprechend des islamischen Nationenbegriffs alle KurdInnen als türkische Staatsangehörige der türkischen Nation eingegliedert. Die Worte KurdIn und Kurdistan wurden aus allen Schulbüchern, Lexika und Landkarten gestrichen oder gelten nur noch für die KurdInnen in den Nachbarstaaten. Die öffentliche Verwendung der Sprache wurde verboten, ebenso wie kurdische Kulturvereine und politische Parteien. Diese repressive Politik des türkischen Staates den KurdInnen gegenüber hat zu einem starken Assimilationsdruck und als Reaktion darauf zu heftigen Aufständen geführt. Seit August 1984 führt u.a. die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) einen bewaffneten Kampf gegen militärische und zivile staatliche Einrichtungen mit dem Ziel, ein freies Vaterland bzw. einen autonomen kurdischen Staat zu schaffen. Dieser wird von der türkischen Regierung mit militärischen Einsätzen beantwortet. So hat der Konflikt bis zum heutigen Tag mehr als 40.000 Menschenleben gefordert. Trotz eines kurzzeitigen Waffenstillstands im Jahr 2009 hat sich der Kurdenkonflikt durch den Bürgerkrieg in Syrien nochmal verschärft. So hatte die türkische Regierungspartei AKP noch im Sommer 2009 damit begonnen, auf die KurdInnen zuzugehen. Der Friedensplan sollte den 15 Millionen in der Türkei lebenden KurdInnen mehr kulturelle Rechte zugestehen. Das Ziel der AKP war es, den Einfluss der PKK in den Kurdengebieten zu untergraben und damit die Aussöhnung mit der kurdischen Minderheit zu ermöglichen. Mit den jüngsten Entwicklungen in Syrien rückt eine friedliche Lösung des Konflikts jedoch in weite Ferne. [vi] [vii] [viii] [ix]
Das durchschnittliche Heiratsalter in der Türkei lag im ersten Quartal 2010 bei 26,1 Jahren für Männer und 22,7 Jahren für Frauen (Turkstat). Es existiert jedoch eine Diskrepanz zwischen den Metropolen und den ländlichen Provinzen. In den unterentwickelten Regionen der Osttürkei werden zahlreiche Ehen auch schon vor der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren geschlossen. So betrug der Anteil aller unter 18-jährigen Eheschließenden in der Türkei laut einer Studie der Hacettepe-Universität aus dem Jahr 2012 28%, in Ost- und Südostanatolien sogar 40 bis 42%. [x] [xi]
Die Heirat und die Institution der Familie haben in der Türkei nach wie vor eine hohe Bedeutung. Es herrschen noch weitgehend traditionelle Familienbildungsprozesse vor. In den ländlichen Regionen dient eine frühe Heirat vorrangig der Sicherung der Besitzverhältnisse, verringert aber auch die Gefahr des „Ehrverlustes“ der Frau.
„Ehre“ ist in der Türkei ein zentraler Wert, der das Verhältnis der Geschlechter nachhaltig bestimmt. Im Türkischen hat Ehre viele Bedeutungen, die von einem erreichten Status über Großzügigkeit hin zu bestimmten physischen und moralischen Qualitäten, die Frauen haben sollten, reichen. Das türkische Verständnis von Ehre unterscheidet zwischen geschlechtsneutralen Ehrbegriffen und solchen, die v. a. auf Frauen (namus) oder Männer (seref) angewendet werden. Die Ehre des Mannes hängt weitestgehend von seiner Fähigkeit ab, für die Mitglieder der Familie bzw. seines Haushaltes zu sorgen und sie vor Angriffen durch Außenstehende zu verteidigen sowie die sexuelle Integrität der Frauen derselben Gruppe zu garantieren. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Ehre der Frau in erster Linie auf Regeln zum Schutze ihrer Keuschheit. Für ein unverheiratetes Mädchen bedeutet das vor allem den Erhalt ihrer Jungfräulichkeit. Darüber hinaus verlangt „namus“ von Frauen korrekte Bekleidung und korrektes Verhalten im Umgang mit fremden Männern. Sie dürfen sich in keine Situation begeben, die auch nur den Zweifel aufkommen lassen könnte, dass sie sich nicht den Verhaltensnormen entsprechend benehmen. In einer Gesellschaft wie der traditionellen türkischen, in der sich eine Person durch ihre Mitgliedschaft in einer Gruppe (Familie, Haushalt, größere Verwandtschaft) definiert, wird jegliches Verhalten des Einzelnen in Bezug auf die gesamte Gruppe gewertet. So betrifft eine Verletzung der geltenden Normen, die der Begriff der Ehre in sich trägt, nicht nur die Person, die in einen Ehrkonflikt involviert ist, sondern ihre gesamte Solidargemeinschaft.[xii]
Das gesetzliche Heiratsalter in der Türkei beträgt 18 Jahre – für beide Geschlechter. Das Mindestalter kann allerdings umgangen werden, wenn die Eltern ihr Einverständnis zur Ehe geben. Auch in diesem Fall muss das Kind aber mindestens 17 Jahre alt sein. Unter „besonderen Umständen“ darf man auch jedoch schon unter 16 Jahren heiraten, wenn ein Gericht dies erlaubt.
Viele Eheschließungen erfolgen darüber hinaus nicht standesamtlich, sondern lediglich religiös. Diese Imam-Ehen haben laut dem türkischen Strafgesetzbuch (Artikel 230/5-6 TCK) gesetzlich zwar keine Gültigkeit, religiöse Eheschließungen werden von den beteiligten Familien häufig aber als bindend angesehen und haben mitunter sogar ein größeres Gewicht als die vor einem Standesamt geschlossenen Ehen.[xiii] Die Schließung einer religiösen Ehe, ohne dass eine zivilrechtliche Trauung vorausging, hatte jedoch strafrechtliche Konsequenzen: Bis 2015 konnten Imame, die Brautpaare ohne amtliche Heiratsurkunde trauten, mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Auch Paare, die sich nur religiös trauten, mussten mit einer Haftstrafe rechnen. Das Verfassungsgericht hat am 29. Mai 2015 jedoch entschieden, dass es nicht rechtens ist, Paare, die nur religiös getraut wurden, strafrechtlich zu verfolgen, während es in der Türkei legal ist, als unverheiratetes Paar zusammenzuleben. [xiv]
Diese Entscheidung wurde jedoch innerhalb der türkischen Gesellschaft kritisiert. Da religiös geschlossene Ehen noch immer nicht vom Staat anerkannt werden, haben die Ehefrauen und Kinder solcher Paare keinerlei Rechte.[xv] Kritiker des Urteils befürchten außerdem, dass dadurch Polygamie sowie Kinder- bzw. Frühehen legalisiert werden könnten. Candan Yüceer von der Republikanischen Volkspartei (Cumhuriyet Halk Partisi, kurz CHP) warnte davor, dass diese Entscheidung zu einer Zunahme von Kinder- und Frühehen führen werde. Zudem hätten Frauen und Kinder im Falle einer Scheidung oder Tod des Ehegatten keinerlei Rechte mehr.[xvi] Der Menschenrechtsanwalt Ergin Cinmen warnte diesbezüglich davor, dass sich für Frauen und Kinder insbesondere in puncto Erbrecht Probleme ergeben werden.[xvii] Auch Metin Feyzioğlu, Präsident der Vereinigung der Rechtsanwaltskammern der Türkei, kritisierte die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Damit werde Frauen unter anderem das Recht genommen, freiwillig eine Ehe einzugehen.[xviii]
Ende Oktober 2016 hat das türkische Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) eine Fatwa[xix] erlassen, die Frühehen verurteilt. Demzufolge soll die Verheiratung Minderjähriger niemals aus einer religiösen Perspektive legitimiert werden. Abgelehnt werden in der Fatwa sowohl Ehen, die zwischen Minderjährigen, als auch zwischen einem/einer Minderjährigen und einer/einem Erwachsenen geschlossen werden.[xx]
Stand: 12/2016
Quellen:
Stand 08/2018
Mit 12 Jahren sollte Bienvienue einen 40 Jahre älteren Mann heiraten. Sie ging damals auf eine staatliche Schule in einem Gebiet in Mokolo im Extremen Norden, als der Mann um ihre Hand anhielt und ihrer Mutter 5000 CFA-Franc (rund 8,5 US $) zahlte. Bienvienue zu Folge nahm die Mutter das Angebot aus finanziellen Gründen an. Nach dem Tod des Vaters war die Familie verarmt und die Mutter konnte nicht mehr für das Schulgeld der Tochter sowie den Lebensunterhalt der Familie aufkommen. Unterstützung erhielt Bienvienue von der Schulleiterin. Diese redete auf die Mutter ein, ihre Tochter nicht mit einem soviel Jahre älteren Mann zu verheiraten. Das bereits angebahnte Ehearrangement wurde gestoppt und die lokal agierende Kinderrechtsorganisation ALDEPA erstattete dem Bräutigam die Mitgift zurück. ALDEPA übernahm zudem die Schulgebühren, Bienvienue geht Dank der finanziellen Unterstützung weiterhin zur Schule. (4)
Kamerun ist die siebtgrößte Wirtschaftsnation in Afrika südlich der Sahara und reich an natürlichen Ressourcen und Bodenschätzen. Wie die meisten afrikanischen Länder hat auch Kamerun eine koloniale Vergangenheit. Die ehemalige deutsche Kolonie ging nach Ende des Zweiten Weltkrieges offiziell in den Besitz des Völkerbundes über, der wiederum ein Mandat zur Verwaltung an Großbritannien und Frankreich gab. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden beide Völkerbundmandate durch die UNO in Treuhandmandate umgewandelt. Ziel der UNO war es, eine allmähliche Selbstverwaltung des Gebietes zu erreichen. Am 1. Januar 1960 erlangte das französische Kamerun nach einer Volksabstimmung und nach dem Auslaufen des UN-Mandats die Unabhängigkeit und nannte sich Ost-Kamerun. Der Norden des britischen Mandats-Treuhandgebietes hatte bei einer vorangegangenen Volksabstimmung für den Anschluss an Nigeria gestimmt, der südliche Teil Britisch-Kameruns sprach sich für die Vereinigung mit dem "französischen" Teil aus.
Die Kolonialzeit hinterließ Spuren bis in die Gegenwart. Die offizielle Zweisprachigkeit, unterschiedliche Schul- und Gerichtssysteme und eine Separatistenbewegung sind nur einige Beispiele. 1990/91 kam es im Zuge des neuen demokratischen Aufbruchs in Afrika auch in Kamerun zu einer Bewegung für eine unabhängige Nationalkonferenz. In der Folge entwickelte sich eine demokratische Öffnung mit der Zulassung von Parteien, unabhängiger Presse und Wahlen, deren demokratischer Charakter aber immer wieder stark umstritten ist. So sind Korruption, Staatsversagen, vor allem im Bildungs- und Gesundheitsbereich, sowie die zunehmende soziale Ungleichheit ein großes Problem der heutigen kamerunischen Gesellschaft. Und auch die Vereinigung des nicht gleichberechtigten anglophonen mit dem frankophonen Teil Kameruns spielt in der Politik des Landes eine wichtige Rolle.
Darüber hinaus kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen. So weist Amnesty International in seinem Jahresbericht zu Kamerun aus dem Jahr 2014/15 auf die Schikane gegen politische GegnerInnen, Übergriffe gegen Homosexuelle und JournalistInnen sowie die Behinderung der freien Meinungsäußerung hin.
Zu einer Verschärfung der Situation haben zudem die Übergriffe der nigerianischen islamistischen Terrorgruppe Boko Haram geführt. Ihre Aktivitäten haben die zunehmende Destabilisierung der Nordregionen Kameruns zur Folge. Übergriffe auf Dörfer mit Toten und Entführten sind mittlerweile an der Tagesordnung. Ein weiterer Effekt des Kriegs im Norden ist darüber hinaus der Einfluss auf das Funktionieren des Bildungssystems. So wird der bildungsmäßig ohnehin schon marginalisierte Norden noch stärker beeinträchtigt. (5,6,7,8)
Bei der Anzahl von Frühehen in Kamerun sind große regionale Unterschiede auszumachen: Im Norden heiraten 73% der Mädchen, bevor sie 18 sind, in der Littoral (Küsten) Region sind es 13%. Der Extreme Norden ist eine von sechs Regionen Kameruns. Sie ist von allen Provinzen die wirtschaftlich am wenigsten entwickelte und bildungsmäßig am geringsten ausgestattete Region. (3)
Diese Situation spiegelt sich besonders in dem Gesellschaftssystem der Mafa wieder. Die Mafa leben in den Mandara-Gebirgen des Extremen Nordens. Bedingt durch ihre Tradition leben sie in einem streng patriarchal organisierten Gesellschaftssystem. Die Mädchen gelten mit Eintritt der Menstruation als heiratsfähig und werden oft von ihren Vätern (zwangs-)verheiratet. Die betroffenen Mädchen sind mit wenigen Ausnahmen nicht alphabetisiert. Obwohl in Kamerun Schulpflicht besteht, gibt es in vielen Dörfern keine Schule. Die Kinder nehmen oft kilometerweite Wege auf sich, um eine Schule besuchen zu können. Eltern müssen für den Schulbesuch ihrer Kinder Hirse oder Ziegen verkaufen, um die Schulgebühren zahlen zu können, häufig werden dabei die Söhne bevorzugt. Darüber hinaus werden viele Mädchen von der Schule genommen, wenn sie verheiratet werden. An den Grundschulen sind daher nur etwas 1/3 der Kinder Mädchen und an den weiterführenden Schulen sind es kaum mehr 10%.
Einer der wichtigsten treibenden Faktoren für Frühehen ist die Armut. Nach UN-Angaben sind fast ein Drittel aller KamerunerInnen arm. Kinderehen werden daher als Möglichkeit gesehen, Einkommen zu generieren. Mädchen sind für ihre Familien oftmals eine finanzielle Last. Viele Eltern wollen die Zukunft ihrer Töchter deswegen durch eine frühe Verheiratung absichern. Denn Mädchen haben in Kamerun kaum Chancen auf ein eigenes Einkommen und damit ein eigenständiges Leben.
Darüber hinaus stehen Frühehen oft im Zusammenhang mit einem niedrigen Bildungsstand. Mädchen und Frauen, die zur Schule gehen beziehungsweise gegangen sind, erfahren seltener Häusliche Gewalt oder sexuelle Belästigung. Ein Schulbesuch führt außerdem in vielen Fällen dazu, dass Mädchen nicht zwangsverheiratet werden. (3/4)
Das Mindestheiratsalter liegt für Mädchen bei 15 Jahren und für Jungen bei 18 Jahren. (4)
Association d’Appui à la Promotion Scolaire des Filles et de jeunes Femmes de M’lay, Huva et Ldama (AFFMHL), ist ein im März 2012 gegründeter Verein zur Unterstützung der Schulbildung von Mädchen und jungen Frauen. Die Stärkung der Mädchenbildung ermöglicht den jungen Frauen, sich eine eigene Lebensperspektive zu entwickeln und wird auf Dauer die Rate der Zwangsverheiratung in der Projektregion reduzieren.
Action locale pour un développement participatif et autogéré Kamerun (ALDEPA) ist eine 1998 gegründete Organisation zur Förderung der nachhaltigen und gerechten Entwicklung der Bevölkerung in Kamerun. Zu ihren Schwerpunkten gehören die Förderung von Initiativen und Aktionen für eine umfassende Beteiligung der gefährdeten Gruppen im Entwicklungsprozess, die Umsetzung von Aktionen zur Gleichstellung der Geschlechter und Förderung einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung und die Förderung von Menschenrechten und vor allem von Kinder- und Frauenrechten.
Stand: 02/2016
Shradha Nepali, 14 Jahre: Wenn nicht eine Gruppe ihrer SchulkameradInnen sie gerettet hätte, wäre Shradha Nepali mit 14 Jahren verheiratet worden. Ihre Familie, bestehend aus sechs Personen, lebt von weniger als einem Dollar pro Tag. Sie leben von dem Wenigen, was sie selbst anbauen und von ein paar Cent einer unterbezahlten Arbeit.
Mahesh Joshi, Koordinatorin der lokalen NGO Peace Win erzählt, dass diese Armut eine der Triebfedern für Frühehen in Nepal ist. Eine Wahl, die viele Mädchen treffen, die wenig Aussichten haben außer einem Leben voller harter Arbeit und Hunger.
Shradha sagt: Ich war mir über die Konsequenzen einer Heirat zu dieser Zeit nicht bewusst. (3)
Nepal liegt zwischen den asiatischen Großmächten: Es grenzt im Norden an China und im Süden an Indien. Nepal ist das zweitärmste Land Südasiens und gehört damit zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Nepal war bis zum zehnjährigen Krieg (1996 bis 2006) 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Erst danach wurde es eine Demokratie. Da Nepal stets ein von der Subsistenzwirtschaft geprägter Agrarstaat war, beschäftigt der Sektor Landwirtschaft mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen und macht einen Anteil von ca. 33% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Die Unternehmen sind zu 90% Kleinbetriebe. Auch wenn sie einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung leisten, haben sie am BIP nur einen Anteil von 4%.
Eine entscheidende Bedeutung für das BIP kommt der finanziellen Unterstützung der ca. 6 Millionen Nepalesen zu, die im Ausland leben. Sie tragen mit ihrem Finanztransfer mit über 25% zum BIP bei.
Das Bildungssystem besteht in Nepal aus einer fünfjährigen Grundschule, einer fünfjährigen Sekundarstufe und einer zweijährigen oberen Sekundarstufe. Innerhalb der Grundschule liegt die allgemeine Einschulungsquote bei 95%. Die Analphabetenrate unter den Erwachsenen liegt bei 45%. (2)
In den weiterführenden Schulen jedoch gingen gemäß eines Berichts des nepalesischen Ministeriums für Bildung im Jahr 2011 in der Altersgruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen nur 69,9% der Mädchen und 70,5% der Jungen zur Schule. Der Bericht verdeutlicht auch, dass die Schulteilnahme von Mädchen im steigenden Alter nachlässt. So sind 48% der 14- bis 15-jährigen und mehr als 90% der 16- bis 17-jährigen Mädchen in den Schulen nicht registriert.
Es sind strukturelle und normative Hindernisse, die den Mädchen die Möglichkeit verwehren, eine höhere Schulbildung zu erlangen. Einige der Hauptfaktoren sind: die Beschränkungen für Mädchen, sich außerhalb des Hauses aufzuhalten, die ungleiche Verteilung der Hausarbeit unter den Geschlechtern und Frühehen. (4)
Eine Studie des United Nations Population Fund (UNFPA) von 2012 zeigt, dass Nepal eine der höchsten Frühehenraten der Welt hat. Von fünf Mädchen sind zwei vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Laut einer Bevölkerungs- und Wohnungsumfrage im Jahr 2011 waren 40% der verheirateten Frauen vor ihrem 19. Geburtstag verheiratet. Mehr als 70% der verheirateten weiblichen Bevölkerung wohnt in ländlichen Gebieten. So sind Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren 1,6 mal eher verheiratet als im Vergleich zu Frauen aus der Stadt in der gleichen Altersgruppe. Den Studien von Hervish und Feidmann Jacobs aus dem Jahr 2011, dem International Center for Research on Women und der Organisation Plan zufolge, gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Frühehen und einem frühzeitigen Verlassen der Schule von Mädchen in ländlichen Gebieten. Sie werden oftmals nach dem frühzeitigen Verlassen der Schule verheiratet. Ein Bericht von der Organisation Plan Nepal aus dem Jahr 2012 stellt fest, dass Frühehen hauptsächlich in Haushalten verbreitet sind, in denen die Menschen keine Schulbildung besitzen. (4) S. 19
Die Motive für Frühehen in Nepal sind zahlreich. Auch wenn oftmals ökonomische Gründe die Ursache sind, resultieren sie hauptsächlich aus den sozialen und kulturellen Normvorstellungen.
Ein wesentlicher Faktor ist, dass sich die Normen, Werte und Erwartungen in Bezug auf Mädchen und Jungen sehr unterscheiden. Jungen werden mit der Erwartung großgezogen, sich um ihre Eltern und deren finanzielle Absicherung im Alter zu kümmern, weshalb Eltern mit begrenzten Ressourcen dazu tendieren, die Bildung der Söhne zu bevorzugen und die Mädchen früh zu verheiraten. Im Gegensatz dazu werden Mädchen dazu erzogen, die Familienehre zu tragen und zu schützen, indem sie zur einer vorbildhaften Schwiegertochter erzogen werden. Das bedeutet, der Familie des Mannes zu dienen, mit anderen Männern nicht zu kommunizieren und fleißig zu sein.
Die Eltern tragen die Verantwortung für die Jungfräulichkeit ihrer Tochter und müssen diese schützen. Da es einfacher ist, diese Aufgabe zu erfüllen, wenn die Mädchen in einem jungen Alter sind, bevorzugen die Eltern, ihre Töchter oftmals im Kindesalter zu verheiraten.
So ist es zum Beispiel in vielen Gemeinden der Terai Region, in der das System der Mitgift (Brautgeld) vorherrschend ist, üblich, dass die Eltern eine geringe Mitgift aufbringen müssen, wenn das Mädchen äußerst jung verheiratet wird. (4)
Gemäß dem Bürgergesetzbuch von 1963 in der elften Überarbeitung ist das gesetzliche Mindestheiratsalter 20 Jahre. Mit dem Einverständnis der Eltern kann jedoch auch mit 18 Jahren geheiratet werden. (4)
Trotz dieser positiven gesetzlichen Bestimmungen ist deren Durchsetzung schwierig, was die hohe Zahl von Frühehen zeigt.
Her Turn ist eine Organisation in Kathmandu, um Mädchen und Frauen in den Bereichen Bildung, Gleichstellung und Potentialförderung aufzuklären. Her Turn bietet einen Workshop für Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren, die aus ländlichen Gebieten stammen. Geführt werden diese Workshops von lokalen Frauentrainerinnen. Die Themen, die behandelt werden sind Gesundheit, Sicherheit und Führungsfähigkeiten. Am Ende des Programms entscheiden die Mädchen mit der Unterstützung der Trainerin was für ein Projekt für die Gemeinde umgesetzt werden kann. Darüber hinaus arbeitet Her Turn mit Oxfam, an einem Aufklärungsprojekt zu Thema Frühehen zusammen. Es wurde ein Hörspiel ins Leben gerufen, das über das lokale Radio gesendet wird. Dabei behandeln zwei junge Mädchen die Probleme, die mit einer Frühehe verbunden sind und entwickeln Lösungen. (5)
Peace Win ist eine gemeinschaftsbasierte Organisation. Sie arbeiten für Kinder, Jugendliche und Frauen. Die Organisation betreibt Aufklärungsarbeit gegen Frühehen in Form von verschieden Aktivitäten wie Streetshows, Kunstwettbewerben, interaktiven Gruppenarbeit in Schulen.
Eine Kampagne gegen Frühehen in der Region Bajura wird in 10 Dörfern durchgeführt und wird unterstützt von Save the Children Nepal. (6)
Stand: 02/2016
Fallbeispiel
Die bisherige Recherche englischsprachiger Literatur konnte keine Fallbeispiele ausmachen.
Statistik
Landesüberblick
Brasilien ist mit einem BIP von ca. 2.353 Mrd. USD im Jahr 2014 die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Das durchschnittliche Einkommen pro Person liegt bei ca. 11.600 USD jährlich. Zwischen 2004 und 2011 konnte das Land ein solides Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 4,9% verzeichnen. Seit 2012 verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation Brasiliens, was mit einer schwierigeren Arbeitsmarktsituation einhergeht. [1]
Brasilien weist im Bereich Bildung Defizite auf. Im Allgemeinen ist das Bildungsangebot nicht ausreichend, so dass nicht alle Menschen Zugang zu Bildung haben. 2014 wurde allerdings eine Bildungsreform verabschiedet, die eine bessere Qualität des Angebotes und einen weitreichenderen Zugang zu Schul- und Universitätsbildung gewährleisten soll. So sollen die Ausgaben in Bildung innerhalb der nächsten Jahre schrittweise auf 10% des BIP ansteigen. [6]
Gewalt gegen Frauen ist in Brasilien ein großes Problem. Nach Schätzungen des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung beläuft sich die Anzahl der versuchten Vergewaltigungen jährlich auf 527.000. Grund dafür sind verbreitete sexistische „Macho“- Ansichten und stereotype Rollenbilder. So macht ein Großteil der Bevölkerung das Auftreten und Verhalten von Frauen selbst für die hohe Anzahl von Vergewaltigung verantwortlich. Diese Haltung wurde auch anhand der Gesetzeslage deutlich. Bis 2009 wurden Vergewaltigungen als Vergehen gegen die soziale Würde geahndet, also als eine Missachtung der Familienehre gewertet. Erst 2009 wurde das Opfer in den Fokus der Straftat gestellt. [7]
2015 wurde neben den Verbesserungen im Strafrecht bei Vergewaltigungen ein neues Gesetz zur Kriminalisierung von Femiziden, also geschlechtsbasierten Straftaten, die häusliche Gewalt sowie die Diskriminierung oder Missachtung von Frauen beinhalten und den Tod einer Frau verursachen, verabschiedet. Mit dem Gesetz wird das Strafmaß solcher Taten erhöht. [8]
Die reproduktiven Rechte von Frauen sind in Brasilien beschränkt. Frauen dürfen einen Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmefällen, wie etwa nach einer Vergewaltigung und bei Lebensgefährdung, vornehmen lassen. Andernfalls droht eine dreijährige Freiheitsstrafe bzw. riskieren Frauen ihre Gesundheit, wenn sie illegale Abreibungen durchführen lassen. [8]
Vorkommen
Obwohl in den anderen Regionen der Welt die Anzahl der minderjährigen Bräute sinkt, bleiben die Zahlen in Lateinamerika und der Karibik relativ stabil. Girls not Brides zufolge weist Brasilien die höchste Anzahl von minderjährigen Ehefrauen in Lateinamerika auf und mit 877.000 die vierthöchste absolute Anzahl von Ehefrauen unter 15 Jahren weltweit. Nach einem Zensus von 2010 leben ca. 65.000 Kinder im Alter zwischen 10 und 14 Jahren in eheähnlichen Gemeinschaften. Allerdings sind die meisten minderjährigen Ehefrauen älter als 12 Jahre. Die Frühehen in Brasilien treten trotz der hohen Anzahl kaum im internationalen Diskurs um Kinderehen auf. [5, 9, 10]
Eine Eheschließung wird in den Studien und der Diskussion häufig mit Zusammenleben oder informellen Zusammenschlüssen gleichgesetzt und findet weniger als ritualisierte Praxis statt. Daher ist es auch schwierig, die tatsächliche Anzahl zu erfassen. Frühehen basieren eher auf sozialen als traditionsbedingten Dynamiken und finden häufig in Übereinstimmung der PartnerInnen statt. [5]
Entgegen des Stereotyps, Kinderheiraten kämen v.a. in ländlichen und indigen geprägten Gebieten vor, ist das Phänomen auch in der Stadt präsent. Auch wenn sowohl Mädchen als auch Jungen davon betroffen sind, kommt eine Verbindung meist zwischen Mädchen und erwachsenen Männern zustande. [5, 11, 12]
Beweggründe
Trotz der hohen Anzahl von Frühehen sind wenige systematische Untersuchungen zum Thema vorhanden. In einer Studie in den beiden Bundesstaaten mit den meisten Ehen von Minderjährigen, Pará im Norden und Maranhão im Nordosten des Landes, wurde den Hintergründen nachgegangen. Einige Motive stehen im Zusammenhang mit der hohen Anzahl von frühen Schwangerschaften in Brasilien. Zum einen wird hier mit einer Ehe die Hoffnung auf Stabilität im Kontext von begrenzten Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten verbunden. Zum andere werden das Drängen der Familie auf eine Eheschließung, um einem drohenden Ansehensverlust der Familie bei einer frühen Schwangerschaft der Tochter zu entgehen, und die Kontrolle der Sexualität von jungen Mädchen als Gründe genannt. [5, 10]
Daneben kommt eine Heirat häufig auch auf Initiative der Mädchen zustande. Mädchen und junge Frauen erhoffen sich von der Verbindung mit älteren Männern bessere materielle und soziale Freiheiten. Dies findet beispielsweise in dem Wunsch Ausdruck, das Elternhaus aufgrund mangelnder Perspektiven oder Gewalterfahrungen zu verlassen und um sich finanziell abzusichern. Nach dem Zusammenschluss werden viele Mädchen von den negativen Konsequenzen überrascht. Dies können frühe Schwangerschaften und die damit einhergehenden Gesundheitsrisiken, schwindende Bildungsaussichten, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, Kontaktarmut, die Kontrolle durch den Mann oder häusliche Gewalt sein. In Brasilien gelten junge Mädchen darüber hinaus als begehrte Partnerinnen. [5, 10]
Gesetzliche Lage
In Brasilien darf gesetzlich ab 18 Jahren geheiratet werden. Es gibt eine Ausnahmeregelung, nach der mit der Zustimmung beider Eltern auch bereits mit 16 Jahren geheiratet werden darf. Unter 16 Jahren erlaubt das Gesetz z.B. im Falle einer Schwangerschaft zu heiraten. [5, 12]
Interventionsbeispiel
Stand: 03/2016
Quellen
Fallbeispiele
Adjaratou ist 11 Jahre alt, als sie von ihrem Vater mit einem 37-jährigen Mann verheiratet wird. Ihr Ehemann verbietet ihr trotz herausragender Noten die Grundschule abzuschließen mit der Begründung, dass ihr Platz zuhause am Herd sei. Um die Ehre der Familie zu wahren, wird von ihr erwartet, seinem Willen zu folgen. Ihrer Tante ist es zu verdanken, dass sie der Situation entkommen kann. Sie nimmt Ajaratou zu sich und schickt sie zur Großmutter des Mädchens, einer respektierten Frau mit gutem Status in der Community. Dort ist sie sicher vor einer Vergeltung ihres Vaters und kann ihre Schulbildung fortsetzen. [1]
Maria wird mit 13 Jahren von ihrem Vater zur Eheschließung mit einem 70-jährigen Mann gezwungen. Sie versucht sich zu wehren. Ihr Vater droht ihr jedoch, sie zu töten, sollte sie sich verweigern, die sechste Ehefrau des Mannes zu werden. Ihre vier älteren Schwestern werden ebenfalls zwangsverheiratet. Von allen Töchtern wird erwartet, ihr Leben als Hausfrauen und Mütter zu leben. Maria zieht zuerst in das Haus ihrer Mit-Ehefrauen, es gelingt ihr aber die Flucht. Sie legt 170 Kilometer zu Fuß zurück, bevor sie zu einer Schutzeinrichtung für Mädchen gelangt. [2]
Statistik
Landesüberblick
Burkina Faso gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Bei einem BIP von 12,5 Milliarden US-Dollar im Jahre 2014 beruht die Wirtschaft neben dem Bergbau und Baumwollanbau primär auf Subsistenzwirtschaft. Damit ist die wirtschaftliche Situation des Landes abhängig von klimatischen Bedingungen und den Weltmarktpreisen. Außerdem spielt die geographische Lage als Binnenland ökonomisch eine benachteiligende Rolle. Ein großer Anteil der Bevölkerung ist von Armut betroffen. So leben 45% der Bevölkerung von weniger als US$1,25 am Tag und das Land weist einen der schlechtesten Werte des menschlichen Entwicklungsindexes auf. Mehr als 80% der Menschen leben auf dem Land und betreiben Subsistenzwirtschaft. Der kulturelle Hintergrund der Bevölkerung ist divers mit ca. 60 verschiedenen ethnisierten Bevölkerungsgruppen. Über 50% der Bevölkerung bekennt sich zum Islam. Seit [6, 7]
Burkina Fasos politisches System ist eine parlamentarische Demokratie nach französischem Vorbild. 2015 fanden seit 55 Jahren zum ersten Mal freie Wahlen statt. Mit der Wahl Roch Marc Christian Kaborés kommt der Präsident des Landes erstmalig nicht aus den Reihen der Militärs. [8, 9]
Anfang 2015 hat die Regierung von Burkina Faso offiziell die Kampagne der Afrikanischen Union zu einer Beendigung der Praxis von Frühehen aufgegriffen und das Thema damit auf die politische Agenda gesetzt. [10]
Vorkommen
West- und Zentralafrika ist nach Südasien die Weltregion mit dem höchsten Vorkommen von Frühehen. Burkina Faso bildet darin keine Ausnahme. Einer UNICEF-Studie zufolge, die Daten zwischen 2005 und 2013 erhob, waren 10% bzw. 52% der 20- bis 24-jährigen Frauen vor ihrem 15. bzw. ihrem 18. Geburtstag verheiratet oder lebten in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Damit steht Burkina Faso an sechster Stelle der Länder mit den höchsten Raten von Frühehen. Wenn die aktuelle Dynamik weiter anhält, wird sich aufgrund des schnellen Bevölkerungsanstiegs die Anzahl von minderjährigen Ehefrauen bis 2050 verdoppeln. Eine weitere UNICEF-Studie zeigt außerdem, dass Burkina Faso zwischen 2000 und 2011 einen negativen Trend in Richtung eines früheren durchschnittlichen Heiratsalters aufwies. [5, 11]
Neben Frühverheiratungen erfahren zahlreiche Mädchen und Frauen in Burkina Faso auch anderen Formen geschlechtsbasierter Gewalt. Von weiblicher Genitalverstümmelung etwa sind einem UNICEF-Bericht von 2013 zufolge 76% der Mädchen und Frauen betroffen. Gesetzlich ist die Praxis seit 1996 verboten. [12]
Obwohl die frühe Verheiratung von Mädchen im ganzen Land hoch ist, gibt es regionale Unterschiede. Beispielsweise weist die Sahelregion im Norden des Landes die höchsten Raten von Frühverheiratungen auf. Des Weiteren sind am meisten Mädchen mit geringem Bildungshintergrund, die von Armut betroffen sind und aus ländlichen Regionen stammen, von Frühehen betroffen. Die Mehrheit der minderjährigen Ehefrauen lebt außerdem in einer polygenen Vereinigung, bei denen eine Hierarchie unter den Ehefrauen vorhanden sein kann. Ein späteres Heiratsalter wurde in Zusammenhang mit dem Innehaben eines Jobs und städtischem Wohnsitz gebracht.
Eine Folge der Vielzahl an Frühverheiratungen in Burkina Faso, sind frühe Schwangerschaften. Die Hälfte der Mädchen, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet sind, wird im ersten Ehejahr schwanger. Eine Schwangerschaft in jungem Alter birgt hohe physische Risiken für die Mädchen. [13, 14]
Beweggründe
Ein Beweggrund für Eltern, ihre Töchter im Kinder- und Jugendalter zu verheiraten, kann deren ökonomisch prekäre Situation sein. Dies kann bedeuten, dass die Schulgebühren nicht bezahlt, Töchter nicht ausreichend ernährt werden können oder durch ihre Verheiratung eine Mitgift erhalten wird. Außerdem werden Ehen geschlossen, um Beziehungen zwischen Familien zu festigen. Des Weiteren spielen kulturelle Traditionen in einem Kontext aus mangelnden Bildungschancen und der Überforderung von Eltern mit einer hohen Kinderanzahl eine Rolle. Um die Familienehre zu wahren, gilt es, eine außereheliche Schwangerschaft der Töchter zu verhindern. Eine frühe Verheiratung bietet die Möglichkeit, dies zu gewährleisten. Da Polygynie weit verbreitet ist, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Mädchen zu verheiraten. Außerdem werden Frühehen im öffentlichen Diskurs selten für problematisch erklärt. Dies wird in einer Studie als Hauptgrund für das hohe Vorkommen und Fortbestehen der Praxis erkannt. [14, 15]
Gesetzliche Lage
In Burkina Faso regelt § 238 des Personen- und Familienrechts die Voraussetzungen für eine Eheschließung. So dürfen Frauen ab 17 Jahren und Männer ab 20 Jahren heiraten. Ausnahmen von diesem Gesetz können von einem Gericht erteilt werden. Außerdem ist es zivilrechtlich geregelt, dass Frauen das Recht haben, ihren Partner selbst zu wählen. [16]
Problematisch ist, dass die gesetzliche Lage nicht konsequent durchgesetzt wird und auch nur für zivile Eheschließungen gilt. Religiöse und traditionelle Eheschließungen kommen häufig vor, sind aber nicht registriert und daher nicht von den gesetzlichen Bestimmungen betroffen. Frühehen werden meist durch religiöse und rituelle Zeremonien geschlossen. [17]
Interventionsbeispiel
Quellen
Stand: 03/2016
Elina V. 19, heiratete einen 24-jährigen Mann als sie 15 war. Er war Fischer und hat ihr gelegentlich Geld gegeben. Sie besuchte die Schule, bis sie von ihm schwanger wurde und von ihrer Mutter gezwungen wurde, ihn zu heiraten.
Ihre Ehe war von Gewalt geprägt und sie musste neben dem Haushalt auch bei der Feldarbeit helfen. Sowohl von ihrem Mann, als auch von ihrer Schwiegermutter wurde sie körperlich und verbal misshandelt. Als ihre Schwiegermutter ihrem Sohn verbot Elina Geld zu geben, jagte er sie fort. Seitdem hat sie keine Unterstützung mehr für sich und ihr Kind und lebt übergangsweise bei ihrer Schwester. [i]
Ein weiteres Fallbeispiel findet sich im Bericht “I’ve Never Experienced Happiness” - Child Marriage in Malawi von Human Rights Watch auf Seite 33.
Bevölkerung: ca. 15.9 Millionen EinwohnerInnen (UNDP)
Platz 170 von 187 im Human Development Index der Vereinten Nationen (Wohlstandsindikator, der die Dimensionen Bildungsindex, Lebensstandard und –erwartung einbezieht) (UNDP)
50,7% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze von 1,25 US$ am Tag (UNDP)
84% der Jugendlichen sind AnalphabetInnen (UNDP)
50% der Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet (unicef)
Malawi liegt am drittgrößten Binnengewässer Afrikas, dem Lake Malawi. In Ermangelung größerer mineralischer Rohstoffreserven ist Malawi fast gänzlich auf landwirtschaftliche Produkte fokussiert. Zu den Hauptexportgütern gehören Tabak, Tee und Zucker. Ca. 90% der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft, im Wesentlichen als Klein- und Subsistenzbauern. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze von 1,25 US$ am Tag und damit in extrem prekären Lebensverhältnissen. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 320 US$ gehört Malawi zu einem der ärmsten Länder der Welt.[ii]
Malawi ist eine junge präsidentielle Demokratie. Erst 1994 fanden nach jahrzehntelanger Einparteien-Herrschaft und Diktatur die ersten freien Wahlen statt, bei denen mehrere Parteien zugelassen waren. Der Präsident ist gleichzeitig Regierungschef. Er besitzt aufgrund seiner direkten Wahl durch das Volk eine starke Stellung.
Die Verfassung legt die Gleichberechtigung der Frau fest. Gesetze, die noch überkommene frauenfeindliche Regeln enthalten, sind verfassungswidrig und werden unter Mitwirkung der "Law Commission" aufgehoben.In der Realität ist Malawi von der Chancengleichheit der Geschlechter noch weit entfernt. Mädchen werden schon früh an ihre der Tradition gemäße Rolle als Hausfrau und Mutter herangeführt. Indiz dafür ist, dass bereits in der sekundären Bildung der Anteil von Mädchen und jungen Frauen rapide abnimmt. [iii]
Die etwa 14 Millionen EinwohnerInnen gehören verschiedenen Bantuvölkern an, doch die Zahl der Volksgruppen ist in Malawi anders als in vielen Staaten der Region vergleichsweise klein: Es werden insgesamt 13 verschiedene Kultur- und Sprachgruppen unterschieden. Die größte ethnische Gruppe in Malawi bilden die Chewa, die knapp 40% der Bevölkerung stellen und hauptsächlich in der Zentralregion angesiedelt sind. Es folgen die Lomwe mit 17,6% und die Yao mit 13,5%. Amtssprachen sind Englisch und Chichewa.
In Malawi ist es bisher nicht zu gewaltsam ausgetragenen ethnischen Konflikten gekommen. Ein regionales Identitätsbewusstsein herrscht jedoch vor. Diese regionalen Identitätslinien spielen bis heute eine wichtige Rolle, vor allem bei Korruption und Nepotismus.[iv]
Im Durchschnitt wird eins von zwei Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Eine Studie der Vereinten Nationen 2010 ergab, dass 50% der 20 bis 24-jährigen Frauen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden. Bei den Männern lag der Wert hingegen bei nur 6,4%.
12% dieser Frauen wurde bereits vor ihrem 15. Geburtstag verheiratet. Bei Männern lag der Wert bei 1,2%.[v]
Die Malawische Human Rights Commission stellte in einer Studie von 2005 zu kulturellen Praktiken fest, dass einige Mädchen bereits im Alter von 9 Jahren, unmittelbar nach Erreichen der Pubertät, zur Heirat gezwungen werden, falls sie eine körperlich Reife haben. Jungen hingegen werden meist erst mit 17 verheiratet.[vi]
In Teilen Malawis werden zur Vorbereitung auf die Ehe sogenannte „sexuelle Initiationsriten” durchgeführt: Kusasa fumbi, übersetzt etwa Reinigung. Unter anderem in speziellen Camps werden junge Mädchen, manche gerade erst 7 Jahre alt, gezwungen zu lernen, wie sie Männer sexuell befriedigen sollen. Teilweise werden sie dabei entjungfert, oftmals ohne schützende Kondome. Dadurch erhöht sich für sie das Risiko, schwanger zu werden oder an einer sexuell übertragbaren Krankheit wie HIV zu erkranken. In manchen Fällen soll es dabei auch zu FGM (Female Genital Mutilation) kommen. Genaue Zahlen über die Häufigkeit lassen sich dazu jedoch nicht finden.[vii]
Die Hauptgründe für eine so große Verbreitung von Frühehen in Malawi sind vor allem die große Armut, Teenager-Schwangerschaften, Tradition, eine Kultur die Gewalt gegen Frauen und Mädchen toleriert, sowie ein Mangel an angemessenen Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Alle diese Faktoren sind mit einem Mangel an starken rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen verbunden.
Vor allem die hohe Armut in Malawi ist ein bedeutender Faktor bei Frühehen. Viele arme Familien sehen junge Mädchen als finanzielle Belastung, was dazu führt, dass sie so früh wie möglich versuchen ihre Töchter zu verheiraten. Sowohl die Familien, als auch die Mädchen selbst versuchen die Heirat als einen Weg aus der Armut zu nutzen. Viele Familien glauben, dass ihre Töchter dadurch die Chance auf ein besseres Leben erhalten.
In der nördlichen Region wird eine Ehe auch als Form der Rückzahlung von Schulden geschlossen. Die Eltern geben dabei ihre Tochter einem Gläubiger zur Frau, um damit eine Schuld zu begleichen.
Ebenfalls auf Grund von Armut, lassen sich viele junge Mädchen auf sexuelle Handlungen im Tausch gegen Geld oder Essen ein. Manche werden auch von ihren Eltern dazu gezwungen, da dies in Malawi eine allgemein akzeptierte Praxis ist.
Auf Grund der schlechten Kenntnissen der jungen Mädchen über Sexualität und Verhütung
oder weil sie Verhütung gegenüber dem Mann oft nicht durchsetzten können, werden viele Mädchen schwanger und sind dann gezwungen zu heiraten.
Unverheiratete, schwangere Mädchen werden nach wie vor als Schande angesehen und die Ehe gilt dann als bestes Mittel, um die Familienehre zu bewahren.[viii]
Die malawische Regierung hat 2015 einen Schritt zur Abschaffung von Frühehen getan und das Gesetzt „Marriage, Divorce and Family Relations“ verabschiedet. Darin wird erstmals das Mindestheiratsalter auf 18 Jahre festgesetzt und ein Verstoß kann mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden.[ix]
Allerdings kann das neue Gesetzt nicht die Verfassung überschreiben, welche weiterhin eine Heirat ab 15 Jahren mit Zustimmung der Eltern erlaubt. Auch verbietet die Verfassung nicht konkret die Ehe von Kindern unter 15 Jahren, die Regierung wird lediglich dazu angehalten diese zu „entmutigen“.[x]
Die widersprüchliche Gesetzgebung und die nach wie vor hohe Armut sind daher ein großes Problem für die Bekämpfung von Frühehen in Malawi.
Theresa Kachindamoto, Senior Chief im Dedza Distrikt, hat seit 2014 850 Kinderehen aufgelöst. Sie überzeugte ihre 50 Sub-Chiefs, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, Kinderehen nicht zuzulassen bzw. zu annullieren. Sie setzt sich zudem vehement für ein Ende der sogenannten „sexuellen Initiationsriten” ein. Die Kinder wurden zurück in die Schulen geschickt, notfalls mit Stipendien.
Vier Chiefs, die entgegen der Vereinbarung Kinderehen zugelassen hatten, wurden entlassen und erst wieder eingestellt, nachdem sie die Ehen aufgelöst hatten.[xi]
[i] https://www.hrw.org/report/2014/03/06/ive-never-experienced-happiness/child-marriage-malawi
[ii] http://www.mw.undp.org/content/malawi/en/home/countryinfo/
[iii] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/malawi-node/-/208524
[iv] https://www.liportal.de/malawi/gesellschaft/
[v] https://dhsprogram.com/pubs/pdf/FR247/FR247.pdf
[vi] https://www.hrw.org/news/2014/03/06/malawi-end-widespread-child-marriage
[vii] https://www.one.org/de/blog/2016/04/14/chief-kachindamoto-mutige-kaempferin-gegen-kinderehen/
[viii] https://www.hrw.org/report/2014/03/06/ive-never-experienced-happiness/child-marriage-malawi
[ix] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/malawi/
[x] https://www.hrw.org/news/2015/02/25/dispatches-preventing-child-marriage-malawi
[xi] http://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/03/malawi-fearsome-chief-terminator-child-marriages-160316081809603.html
Fallbeispiel
Mariame wollte eigentlich die High School beenden wie ihre Freundinnen. Aber wie viele junge Mädchen in Guinea, bekam sie Druck, zu heiraten. Nach lokaler Tradition heiratete sie einen älteren Mann, als sie 13 war. Mit ihm zog sie in die Hauptstadt von Sierra Leone, wo sie niemanden kannte. Ihre Eltern verpflichteten sie zwar dazu, einen Mann zu heiraten, der ihnen versprach, dass sie weiterhin die Schule besuchen dürfe. Nachdem sie zu ihm gezogen war, erklärte er allerdings, dass er sie nicht geheiratet habe, damit sie zur Schule gehen kann, sondern damit sie sich um den Haushalt kümmert und ihm Kinder gebärt.
Die fünf Jahre, in denen sie bei ihm lebte, waren von Gewalt geprägt. Nach dem sie keine Kinder bekam, warf er sie aus dem Haus, damit er eine andere Frau heiraten kann, die ihm Kinder gebärt. Mariame kehrte daraufhin zurück zu ihren Eltern nach Guinea. Die mittlerweile 18-Jährige wohnt dort bei ihrer Mutter und besucht wieder die Schule.[i]
Statistik
Bevölkerung: ca. 12,2 Millionen EinwohnerInnen (UNDP)
55,2% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze von 1,25 US$ am Tag (UNDP)
65% der Menschen sind AnalphabetInnen (UNDP)
52% der Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet (UNICEF)
Landesüberblick
Kurz nach der Unabhängigkeit kamen in Guinea bis 2008 zwei langjährige autoritäre Regime an die Macht: 1958 – 1984 die diktatorische Einparteienherrschaft unter Präsident Sekou Touré; 1984 – 2008 das trotz politischer Öffnung autokratische System unter Präsident Lansana Conté. Guinea ist seit der Verfassung von 1991 eine präsidiale Republik. Die Republik Guinea von heute ist geprägt von einem demokratischen Aufbruch.
Guinea gehört trotz großer natürlicher Ressourcen zu den ärmsten Ländern der Welt. Ursächlich dafür ist das unter dem damaligen Staatspräsidenten Sekou Touré durchgeführte Experiment einer sozialistisch orientierten Staats- und Planwirtschaft, das scheiterte und bestehende Wirtschaftsstrukturen ruinierte.
Seit 2010 zielt die Politik verstärkt auf eine Teilhabe am internationalen Wirtschaftssystem ab. Defizite des Rechtsstaats, schwache staatliche Strukturen und unzureichende Ausbildungssysteme verschlechtern zusätzlich die Investitionsbedingungen. Die Bildungspolitik gehört zu den größten Herausforderungen für den guineischen Staat. Die Ebola-Epidemie behinderte zudem einen breiten wirtschaftlichen Aufschwung: Der Ausbruch der Epidemie führte in den Jahren 2014 und 2015 zu einem empfindlichen Rückgang in der binnenmarktorientierten landwirtschaftlichen Produktion und zu ausbleibenden Investitionen. Schlechte Regierungsführung, Vetternwirtschaft und die nach wie vor hohe Korruption (Transparency International Corruption Perception Index 2015 Platz 139 von 167), hemmen nach wie vor den wirtschaftlichen Aufschwung.[ii]
Vorkommen
Etwa 52% der Mädchen in Guinea werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Die Zahl in ländlichen Gebieten ist dabei mehr als doppelt so hoch wie in Städten. [iii]
Nur etwa 23% der Mädchen erhalten eine weiterführende Schulbildung nach der Grundschule. Der Zusammenhang zwischen Bildung und Heiratsalter ist nur schwer zu ignorieren. 73% der Mädchen ohne Schulbildung werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Im Vergleich dazu liegt die Zahl der Frühehen bei Mädchen mit weiterführender Schulbildung bei nur 27%.
Die Zahl der Frühehen hat sich kaum merklich verringert in den letzten 15 Jahren. Nach wie vor sind Mädchen, aus Familien die unter der Armutsgrenze leben, am stärksten gefährdet und nur weniger als 1 von 10 Mädchen verwendet Verhütungsmittel.[iv]
Beweggründe
Wie auch in vielen anderen Ländern, ist Armut der größte Beweggrund für Eltern, ihre Töchter so früh wie möglich zu verheiraten. Oft zahlen die Ehemänner den Eltern einen Brautpreis für ihre Töchter und mit der Heirat gehen die finanziellen Verpflichtungen für das Mädchen von der Familie auf den Ehemann über.
Armut und der mangelnde Zugang zu Bildungseinrichtungen sind die größten Auslöser für Frühehen in Guinea. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze und über ein Drittel der Kinder werden zwei Jahre später eingeschult als eigentlich vorgesehen. 65% der Menschen können nicht lesen und schreiben.
Eine Heirat wird als Verbindung zweier Familien angesehen und nicht als die Wahl von zwei individuellen Menschen. Männer, die mehrere junge Bräute haben, werden hoch angesehen. Das durchschnittliche Heiratsalter bei Mädchen liegt bei 14 Jahren und mehr als 25% der 15 bis 19-Jährigen leben in einer Polygamen Verbindung. [v]
In Guinea gibt es außerdem eine Tradition, die als Soroya System bekannt ist: Wenn die Ehefrau stirbt, bieten ihre Eltern dem Ehemann an, ihre jüngere Schwester zu heiraten, damit eine gute Beziehung mit dem Ehemann und gegebenenfalls auch Unterhaltszahlungen aufrechterhalten werden können.
Stirbt ein Ehemann, kann dann andersherum dessen Bruder seine Witwe zur Ehefrau nehmen.
Es kommt auch vor, dass eine Ehe als „Kompensation“ oder „Einigung“ zwischen Familien von sexuell missbrauchten Mädchen und ihren Peinigern geschlossen wird.[vi]
Gesetzliche Lage
Gegenwärtig regelt in Guinea der Child Code 2011 das Mindestheiratsalter. Darin wird dieses auf 18 Jahre für Mädchen und Jungen festgeschrieben, mit oder ohne Zustimmung der Eltern.
In der Praxis wird ein Verstoß dagegen jedoch nicht konsequent geahndet. Auch finden viele Eheschließungen in sozialen oder religiösen Zeremonien statt, welche nicht unter das Gesetz fallen, aber für die Mädchen genauso bindend sind.
Zwar wurde 2009 eine Sensibilisierungskampagne zur Aufklärung gegen
Kinderheirat von den Behörden Guineas, Journalisten und NGOs durchgeführt. Trotz dieser breit angelegten Kampagne ist die Zahl der Frühehen kaum zurückgegangen.[vii]
Interventionsbeispiel:
Diaryatou kommt aus einer Familie mit vier Ehefrauen und mehr als 20 Kindern. Schon ihre Mutter wurde mit 13 verheiratet. Schon in ihrer Kindheit erlebte sie Gewalt, als sie mit 8 Jahren Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung wurden. Mit 14 Jahren wurde sie mit einem 30 Jahre älteren Mann in Frankreich verheiratet. Die Ehe ist von körperlicher und seelischer Misshandlung geprägt. [viii]
Sie blieb 7 Jahre lang bei ihm, bis sie ihn schließlich mit 21 Jahren verlässt. Hilfe bekam sie dabei von einer französischen Sozialarbeiterin, welche ihr lesen und schreiben beibrachte. Diaryatou schrieb ein Buch („Ich kämpfte für ein neues Leben“) über ihr Leben und gründete 2006 eine NGO. Mit „Espoirs et combats de femmes“ hilft sie Migrantinnen in Frankreich, aber auch Frauen in ihrem Heimatland, die Opfer von sexualisierter Gewalt und weiblicher Genitalverstümmelung wurden.[ix]
Quellen
[i] https://www.childfund.org/Content/StoryDetail/2147492072/
[ii] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/-/206132
[iii] http://www.unicef.org/wcaro/english/UNICEF-Child-Marriage-Brochure-low-Single(1).pdf
[iv] CARE: Vows of poverty, 2016
[v] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/guinea/
[vi] https://www.childfund.org/Content/StoryDetail/2147492072/
[vii] https://www.unicef.nl/media/4464270/unc_rapport_child_notice_guinee_en_final_web.pdf.
[viii] http://www.unicef.org/infobycountry/guinea_46390.html
[ix] http://www.excisionparlonsen.org/diaryatou-bah-du-traumatisme-a-lengagement/
Es war nicht Lucias Entscheidung Velasco zu heiraten. Ihre Tante stellte die beiden einander vor als sie 15 war. Velasco besuchte noch drei andere Mädchen, entschied sich dann aber für Lucia. Lucia wollte ihn nicht heiraten, ihre Familie hielt die Ehe jedoch für eine gute Entscheidung. Kurz drauf wurde sie schwanger und musste die Schule abbrechen. Lucia wollte gerne Lehrerin werden. Sie hofft, dass sie nach der Geburt mit der Unterstützung ihrer Eltern weiter zu Schule gehen kann.[1]
Als Cidalia 15 war, lernte sie einen älteren Mann kennen. Kurz darauf wurde sie von ihm schwanger und musste bei ihm einziehen. Auch wenn es nie eine offizielle Hochzeit gab, wurde die Beziehung als Ehe angesehen. Ihr Mann misshandelte sie und verließ sie nach einem Jahr. Daraufhin musste sie mittelos wieder bei ihrer Familie einziehen. Da sie sich um Ihren Sohn kümmern muss, kann sie die Schule nicht besuchen.[2]
Statistik
Bevölkerung: ca. 25,2 Millionen EinwohnerInnen (UNDP)
Platz 178 von 187 im Human Development Index der Vereinten Nationen (Wohlstandsindikator, der die Dimensionen Bildungsindex, Lebensstandard und –erwartung einbezieht) (UNDP)
54,7% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze von 1,25 US$ am Tag (UNDP)
50% der Erwachsenen sind AnalphabetInnen (UNDP)
48% der Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet (UNICEF)
Landesüberblick
Mozambique gilt als Beispiel für erfolgreichen politischen und wirtschaftlichen Wandel. Das Land erreichte 1975 die Unabhängigkeit von Portugal. Die frühen Jahre des unabhängigen Staates waren durch den 16 Jahre dauernden Bürgerkrieg geprägt. Seit dem Friedensvertrag von 1992 und dem anschließenden Konsolidierungsprozess gilt die noch relativ junge Demokratie trotz innenpolitischer Spannungen im südlichen Afrika und auch international
als politisch stabiles Land. Die Republik Mosambik ist eine zentralistisch strukturierte Präsidialdemokratie. Seit den ersten freien Wahlen vom Oktober 1994 liegt die gesetzgebende Gewalt beim Parlament. [3]
Trotz positiven Wirtschaftswachstum und mittelfristiger Perspektiven leben fast 55% der mosambikanischen Bevölkerung immer noch unter der Armutsgrenze und mit einem Bruttoinlandsprodukt von 593 US-Dollar pro Kopf zählt Mosambik zu den ärmsten Ländern der Welt. Das Land bleibt stark anfällig für äußere Faktoren (Weltmarktpreise für Öl, Weizen und die Exportprodukte Aluminium und Kohle; Wechselkurs). Einheimisches Unternehmertum und lokale Arbeitskraft sind unterqualifiziert und unterentwickelt. Das Geschäftsklima wird von vielen Unternehmern als entwicklungshemmend gesehen. Unzureichender Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, Korruption und wenig oder schlecht ausgebaute Infrastruktur werden als größte Hemmnisse genannt.
Die meisten Menschen im ländlichen Raum leben von Subsistenzlandwirtschaft oder von mit einfachen Mitteln betriebener Fischerei. Etwa die Hälfte aller Erwachsenen sind AnalphabetInnen. Die Gesundheitsversorgung ist unzureichend und die HIV-Prävalenzrate unter Erwachsenen ist mit 12,5% landesweit besorgniserregend.[4]
Vorkommen
Fast jedes zweite Mädchen wird in Mozambique vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, ca. 48%. 14.3% der Mädchen zwischen 20 und 24 wurden vor ihrem 15. Lebensjahr verheiratet. In den nördlichen Regionen liegt die Zahl der minderjährig verheirateten Mädchen sogar bei 55% unter 18 und bei 45% unter 15.
Wie auch in anderen Ländern im südlichen Afrika, besonders aber in Malawi, Zambia und Mozambique, werden sogenannte Initiationsrituale mit jungen Mädchen, teilweise schon im Alter von 9 Jahren, durchgeführt. In Mozambique werden diese Rituale von angesehenen älteren Frauen geleitet, welche die Mädchen auf ihr Leben als verheiratete Frau vorbereiten und sie darüber aufklären, wie sie ihren Ehemann sexuell befriedigen können.
Von Seiten der Gesetzgebung wurde diese Praktik zwar verboten, in etlichen Gemeinden werden diese Rituale aber weiterhin praktiziert. Dabei werden manchmal auch weibliche Genitalverstümmelungen praktiziert, auch im Glauben, dass diese das sexuelle Vergnügen der Männer verbessern würden.[5]
Beweggründe
In Mozambique, wie auch in weiten Teilen des südlichen Afrikas, ist einer der Hauptbeweggründe für Frühehen Armut. Die prekäre finanzielle Lage der Eltern veranlasst diese oft, ihre Töchter sehr früh zu verheiraten. Viele der Mädchen brechen danach die Schule ab und werden schwanger.
Die Eltern erhalten durch die Heirat einen Brautpreis, sog. Lobolo, und müssen dann eine Person weniger finanziell unterstützen, da diese Verantwortung nun in der Hand des Ehemannes liegt. Für eine Familie, die unterhalb der Armutsgrenze lebt, ist das eine große finanzielle Entlastung.
Normen und Grundsätze über die Heiratsfähigkeit eines Mädchens werden in den Gemeinschaften und von MeinungsführerInnen weitergegeben und erhalten. Großen Einfluss haben dabei vor allem die weiblichen Ältesten, die oft auch für die Initiationsrituale verantwortlich sind.
Die Rituale markieren für die Mädchen den Übergang in das Erwachsenwerden und die soziale Norm befürwortet, dass die Mädchen danach für eine Ehe und Fortpflanzung bereit sind. Dadurch werden Frühehen gesellschaftlich legitimiert.[6]
Gesetzliche Lage
Das gesetzliche Mindestheiratsalter in Mozambique liegt bei 18 Jahren. Mit Zustimmung der Eltern ist eine Ehe allerdings schon ab 16 Jahren möglich.
Bei einem Verstoß ist dennoch nicht mit einer rechtlichen Ahndung zu rechnen.
Der Großteil der Ehen sind jedoch religiöse oder soziale Bindungen und werden nicht offiziell registriert. Oft werden diese auch einfach nur durch die Zahlung eines Brautpreises geschlossen. Sie werden von der Gesellschaft jedoch genauso bindend angesehen wie eine Ehe.[7]
Interventionsbeispiele
Im April 2016 hat Mozambique die „National Strategy to Prevent and Combat Child Marriage“ eingeführt. Diese wurde unter der Federführung des Ministeriums für Gender, Kinder und Soziales entwickelt, mit Unterstützung zahlreicher anderer Ministerien, internationaler Organisationen und Partnern. Die Strategie skizziert acht essentielle Säulen, die unabdingbar sind um Frühehen in Mozambique zu beenden. Darunter sind eine soziale Mobilisierungskampagne, die Verbesserung des Zugangs für Mädchen zu Bildung, sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung, Familienplanung und Sexualerziehung, sowie eine Reform des rechtlichen Rahmens.
Damit hat Mozambique eine der ambitioniertesten Strategien gegen Frühehen in der Region eingeführt. Die Umsetzung der Strategie steht jedoch noch am Anfang und es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich diese in den nächsten Jahren verläuft.[8]
Quellen
[1] http://www.unicef.org.mz/en/in-the-end-it-wasnt-my-choice-child-marriage-in-mozambique/
[2] https://www.theguardian.com/global-development/2015/nov/26/mozambique-child-marriage-african-girls-summit-lusaka-zambia
[3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mosambik-node/-/221784
[4] http://www.mz.undp.org/content/mozambique/en/home/countryinfo/
[5] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/mozambique/
[6] http://www.unicef.org.mz/wp-content/uploads/2015/07/EN_Moz_Child_Marriage_aw-Low-Res.pdf
[7] http://www.unicef.org.mz/wp-content/uploads/2015/07/EN_Moz_Child_Marriage_aw-Low-Res.pdf
[8] http://www.girlsnotbrides.org/press-release-mozambique-launches-national-strategy-to-end-child-marriage/
Fallbeispiele
Maha ist erst 13 Jahre alt, aber bereits verheiratet und schwanger. Ihr Ehemann ist zehn Jahre älter als sie. „Ich wollte nicht heiraten, ich wollte die Schule abschließen und Ärztin werden. Aber meine Eltern zwangen mich zur Heirat. Mein Vater war besorgt wegen der sexuellen Belästigungen hier.“[1]
Salma, die mit ihrer Stiefmutter aus Syrien in ein Flüchtlingscamp in Jordanien floh, wurde im Alter von 13 Jahren das erste Mal gegen ihren Willen verheiratet. Während der Ehe wurde sie mehrfach vom Cousin ihres Ehemannes vergewaltigt, ohne dass dieser einschritt. Nachdem sie wegen schweren Blutungen ins Krankenhaus gebracht wurde, wurden ihr Ehemann und sein Cousin verhaftet und die Ehe geschieden. Kurz nach der Rückkehr zu ihrer Familie wurde Salma an einen 20 Jahre älteren Mann verheiratet, um die durch die gescheiterte Ehe beschmutzte Familienehre wiederherzustellen. Heute ist sie 16 Jahre alt, hat ein 9 Monate altes Baby und ist mit Zwillingen schwanger.[2]
Statistik
Landesüberblick
Im Jahr 2011 entwickelte sich aus friedlichen Protesten gegen die Diktatur von Baschar al-Assad ein grausamer Bürgerkrieg. Die Zivilisten erleiden seitdem nicht nur Angriffe seitens der syrischen Regierung sondern auch seitens des „Islamischen Staates“ und verschiedener Rebellenmilizen. Seit September 2014 greifen die USA gemeinsam mit mehreren arabischen Staaten in den Konflikt ein, seit September 2015 auch Russland.[5] Rund 45% der Bevölkerung sind vertrieben, circa 470.000 Menschen getötet worden, geht aus einer Studie des Syrian Center for Policy Research hervor. Die Lebenserwartung ist von 70,5 Jahren (2010) auf 55,4 Jahre (2015) gefallen. Etwa 45,2% der Kinder im Schulalter besuchen keine Schule (mehr).[6]
Vorkommen
Vor Ausbruch des Krieges wurden 13% der Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet und 3% bereits vor ihrem 15. Geburtstag. Neuere Zahlen zum Aufkommen von Frühehen in Syrien stehen uns wegen der chaotischen Situation im Land nicht zur Verfügung.[7] Wir gehen aber davon aus, dass sich das Aufkommen von Frühehen in Syrien verstärkt hat, da sich einige Auslöser von Frühehen durch den Konflikt verschärft haben und gleichzeitig neue hinzugekommen sind. Genauere Informationen gibt es zu syrischen Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflohen sind. Die SOS-Kinderdörfer geben den Anteil der syrischen Flüchtlingsmädchen, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet werden, mit 51% an. Besonders betroffen seien Mädchen aus Flüchtlingscamps in Jordanien, Libanon, Irak und Türkei.[8]
Syrische Flüchtlinge in Jordanien
In Jordanien lag das Aufkommen von Frühehen unter den registrierten Ehen syrischer Flüchtlinge im Jahr 2013 bei 25% und im ersten Quartal 2014 bereits bei 31,7%. Von den syrischen Mädchen, die im Alter zwischen 15 und 17 Jahren verheiratet wurden, wurden 2012 16,2% an einen mindestens 15 Jahre älteren Mann und 48% an einen mindestens 10 Jahre älteren Mann verheiratet. Da syrische Flüchtlinge ihre religiös geschlossenen Ehen häufig gar nicht oder erst später registrieren lassen, ist das genaue Aufkommen von Frühehen unbekannt. Außerdem besteht ohne Registrierung kein Schutz für die Ehefrau sowie für die aus der Ehe hervorgehenden Kinder.[9]
Eine weitere Bedrohung für junge Mädchen in syrischen Flüchtlingsgemeinschaften sind befristete Ehen, also vertraglich zeitlich beschränkte Ehen, die oft mit einer einmaligen Zahlung eines Brautpreises an den männlichen Vormund des Mädchens einhergehen. Die Mädchen müssen bei dieser Form der Ehe auf rechtliche Ansprüche gegenüber dem Ehemann verzichten und geraten so in eine prekäre Lage. Da befristete Ehen in Jordanien illegal sind und oft für eine Form von Prostitution gehalten werden, werden sie oft im Geheimen geschlossen um soziale wie gesetzliche Sanktionen zu umgehen.[10] Daher sind uns keine Zahlen zum Aufkommen von befristeten Ehen bekannt.
Beweggründe
Frühehen waren auch vor dem Krieg ein Problem in Syrien, aber der andauernde Konflikt hat zu einem drastischen Anstieg der Frühehen in Syrien und in Syrischen Flüchtlingsgemeinden geführt.[11] Viele Eltern handeln in dem Glauben, dass die Heirat den Mädchen einen Schutz, sowohl vor sexuellen Übergriffen als auch vor anderen Gefahren auf der Flucht, bietet. Die Verheiratung von Mädchen zum Schutz vor sexuellen Übergriffen ist eng verbunden mit traditionellen Geschlechterrollen und Ungleichheiten, bei denen der Wert eines Mädchens durch den Erhalt der Familienehre und ihre Rolle als Ehefrau und Mutter bestimmt wird.[12] In einer Umfrage unter syrischen Flüchtlingen in Jordanien stimmten 39,3% der Befragten der Aussage zu, dass die Verheiratung von Mädchen unter 18 Jahren dem Schutz der Familienehre dienen kann. 44,2 % der Befragten gaben an, die Verheiratung von Mädchen unter 18 Jahren sei Teil ihrer Gebräuche und Traditionen.[13] Frühehen verstetigen die Geschlechterungleichheiten weiter, da sie den Mädchen die Chance auf Bildung und ökonomische Unabhängigkeit durch eine eigene Berufstätigkeit nehmen.[14]
Andere Eltern handeln aus durch den Konflikt (und durch ihre Flucht) intensivierten ökonomischen Notlagen heraus. Die Familien sehen in der Verheiratung der Tochter eine Möglichkeit, die finanzielle Belastung zu vermindern, denn die Familie erhält häufig einen Brautpreis und sie muss mit dem Übergang der Tochter in den Haushalt der Familie des Ehemannes eine Person weniger versorgen.[15]
Bildung gilt als einer der wichtigsten Faktoren zur Vermeidung von Frühehen, schließlich werden Mädchen, die sich noch in einer Schulausbildung befinden, seltener verheiratet als Mädchen, die nicht (mehr) zur Schule gehen. Seit Beginn des Syrien-Konfliktes sind die Einschulungsraten von fast 100% auf rund 50%, in manchen Regionen, wie zum Beispiel in Aleppo, sogar auf 6% gefallen. Fehlende Bildung erhöht das Risiko für Mädchen, früh verheiratet zu werden.[16]
Gesetzliche Lage
In Syrien liegt das gesetzliche Mindestheiratsalter für Mädchen bei 17 und für Jungen bei 18 Jahren. Mit Genehmigung des männlichen Vormunds und der Zustimmung eines Richters können Mädchen bereits ab 13 und Jungen ab 15 Jahren heiraten.
In Jordanien beträgt das Mindestheiratsalter 18 Jahre, aber mit Genehmigung eines Gerichtes dürfen schon 15-Jährige heiraten.[17]
Im Libanon besteht kein einheitliches Mindestheiratsalter.[18]
Interventionsbeispiele
Stand: 09/2016
Quellen:
[1] http://www.savethechildren.org/atf/cf/%7B9def2ebe-10ae-432c-9bd0-df91d2eba74a%7D/TOO_YOUNG_TO_WED_REPORT_0714.PDF
[2] http://www.jordantimes.com/news/local/child-marriage-rise-among-syrian-refugees
[3] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Syrien_node.html
[4] http://hdr.undp.org/sites/default/files/2015_human_development_report.pdf
[5] http://www.zeit.de/thema/syrien
[6] http://scpr-syria.org/publications/confronting-fragmentation/
[7] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/syrian-arab-republic/
[8] http://www.sos-kinderdoerfer.de/presse/pressemitteilungen/immer-mehr-zwangsheiraten-kinderehen-syrische-fluc
[9] https://www.unicef.org/media/files/UNICEFJordan_EarlyMarriageStudy2014-email.pdf
[10] http://jordan.unwomen.org/en/digital-library/publications/2013/7/gender-based-violence-and-child-protection-among-syrian-refugees-in-jordan
[11] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage-and-the-syrian-conflict-7-things-you-need-to-know/
[12] https://www.savethechildren.org.uk/content/dam/global/reports/education-and-child-protection/too-young-to-wed.pdf
[13] http://jordan.unwomen.org/en/digital-library/publications/2013/7/gender-based-violence-and-child-protection-among-syrian-refugees-in-jordan
[14] https://www.savethechildren.org.uk/content/dam/global/reports/education-and-child-protection/too-young-to-wed.pdf
[15] https://www.savethechildren.org.uk/content/dam/global/reports/education-and-child-protection/too-young-to-wed.pdf
[16] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage-and-the-syrian-conflict-7-things-you-need-to-know/
[17] https://www.unicef.org/media/files/UNICEFJordan_EarlyMarriageStudy2014-email.pdf
[18] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/lebanon/
[19] http://www.jordantimes.com/news/local/child-marriage-rise-among-syrian-refugees
[20] http://www.fr-online.de/politik/fluechtlinge-aus-syrien-zuflucht-vor-erzwungenem-sex-und-gewalt,1472596,34177806.html
[21] http://www.huffingtonpost.com/entry/meet-the-syrian-malala_us_571fb9fde4b01a5ebde3a8ed
Statistik
Landesüberblick
Die Zentralafrikanische Republik ist ein Binnenstaat in Zentralafrika. Die fast 5 Millionen EinwohnerInnen setzen sich aus über 80 verschiedenen ethnischen Gruppen zusammen. Das Land ist heute offiziell eine Demokratie, aber Grundfreiheiten wie die Pressefreiheit sind weiter stark eingeschränkt. Seit der Erlangung der Unabhängigkeit von Frankreich 1960, gab es mehrere Staatsstreiche, Militärrevolten und Bürgerkriege, die zusammen mit der Korruption eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung verhindert haben. Zudem haben sich bewaffnete Konflikte aus Nachbarländern wie Uganda über die Grenzen in die Zentralafrikanische Republik ausgebreitet. [5] Eine halbe Million Menschen sind Binnenflüchtlinge, 400.000 haben in den Nachbarländern Zuflucht gesucht.[6]
Vorkommen
In der Zentralafrikanischen Republik werden 68% aller Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, 29% der Mädchen sogar vor ihrem 15. Geburtstag. Die Raten ergeben sich aus dem Prozentsatz der 20-24-jährigen Mädchen, die vor Erreichen des 18. Lebensjahres verheiratet waren.[7] Damit ist die Zentralafrikanische Republik das Land mit dem dritthöchsten Aufkommen von Frühehen.
Beweggründe
Armut und schlechter Zugang zu Bildung tragen zu dem hohen Aufkommen von Frühehen in der Zentralafrikanischen Republik bei. Das Land hat das zweitniedrigste Brutto-Inlandsprodukt weltweit und Mädchen bleiben durchschnittlich nur bis zum Alter von sieben Jahren in der Schule.
Kulturelle Praktiken wie Polygamie, Brautpreis und weibliche Genitalverstümmelung sind weitere treibende Faktoren von Frühehen. Männer können in der Zentralafrikanischen Republik legal bis zu vier Frauen heiraten. Je jünger die Ehefrau ist, desto höher ist auch der gesellschaftliche Status der Familie.
In Ländern, in denen, wie in der Zentralafrikanischen Republik, Konflikte herrschen, sind Frühehen allgemein weit verbreitet. Die Familien sehen in der frühen Verheiratung eine Möglichkeit, die Sicherheit ihrer Töchter zu schützen, die andernfalls von sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt bedroht sein könnten.[8]
Gesetzliche Lage
Das gesetzliche Mindestheiratsalter liegt in der Zentralafrikanischen Republik bei 18 Jahren. Allerdings ist eine Heirat ab 13 Jahren erlaubt, wenn ein Gericht zustimmt oder das Mädchen schwanger ist. Eine frühere Heirat ist mit Zustimmung der Eltern ebenfalls legal.[9]
Stand: 09/2016
Quellen:
[1] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/ZentralafrikanischeRepublik_node.html
[2] https://esa.un.org/unpd/wpp/DataQuery/
[3] http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/CAF
[4] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/central-african-republic/
[5] https://www.soschildrensvillages.ca/central-african-republic
[6] http://www.savethechildren.org/site/c.8rKLIXMGIpI4E/b.8730175/k.6D31/Central_African_Republic.htm
[7] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/central-african-republic/
[8] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/central-african-republic/
[9] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/central-african-republic
Die junge Esther* aus New York, die einer jüdisch-orthodoxen Familie entstammt, wurde mit 17 Jahren mit einem sechs Jahre älteren Mann verheiratet. Ihre Familie war arm, die Familie ihres Zukünftigen hingegen war gut situiert. Um keine „Schande“ über die Familie zu bringen, stimmte Esther der Hochzeit zu. Sie hat ihren Mann nur ein Mal gesehen, bevor sie ihn vier Monate später geheiratet hat. Es war den beiden nicht gestattet, sich vor der Hochzeit zu sehen, somit hat Esther tatsächlich einen Unbekannten geheiratet. Später fand sie heraus, dass ihr Mann nicht nur zu viel trank, sondern auch Drogen nahm. Er fügte ihr von Anfang an sexualisierte Gewalt zu und drohte ihr außerdem, dass er ihr ihre Kinder wegnehmen würde. Esther berichtet auch davon, dass sie in ihrer Ehe mit Wissen ihres Mannes Opfer von Gruppenvergewaltigungen wurde. Sie beschloss nach neun Jahren, ihn endgültig zu verlassen. Sie floh mit ihren Kindern zu ihren Eltern und erzählte ihnen von ihrem Martyrium. Esther spricht sich heute gegen Frühehen aus und ruft auch andere dazu auf, sich dagegen stark zu machen. Sie bemerkt hierzu, dass, wenn ihre Eltern nicht die Möglichkeit gehabt hätten, durch ihre Unterschrift der Ehe zuzustimmen, sie vielleicht mit 18 den Mut gehabt hätte, nein zu sagen. Die junge Frau sagt des Weiteren, dass ihr gesamtes Leben auch heute noch davon bestimmt wird, dass sie mit 17 verheiratet wurde. [i]
* Name geändert
Bevölkerung: 321 Millionen EinwohnerInnen[ii]
Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf: etwa 49.695 Euro (Stand: 2015)[iii]
UNDP Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (Wohlstandsindikator, der die Dimensionen Bildungsindex, Lebensstandard und –erwartung einbezieht): 8[iv] von 187
Im Juni 2016 betrug die Arbeitslosenquote in den USA 4,9 %. 2015 lebten über 43 Mio. AmerikanerInnen in Armut, über 19 Mio. sogar in extremer Armut.[v]
Die USA gilt als weltweit stärkste Wirtschaftsmacht. Sie ist Mitglied in den bedeutendsten internationalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen und der NATO. Bei den USA handelt es sich um eine Präsidialdemokratie mit einem Zweiparteiensystem. Darin sind die Republikaner und die Demokraten die größten und bedeutendsten Parteien. Zwar gibt es noch weitere kleine Parteien, diese können sich jedoch nicht gegen die oben genannten durchsetzen. Das Zweiparteiensystem birgt auch Probleme: So kommt es häufig zu innerpolitischen Blockaden.[vi] [vii] Bei den USA handelt es sich um eine föderale Republik.[viii] Jeder Bundesstaat verfügt über eine eigene Gesetzgebung. Folglich werden u.a. Straftaten je nach Bundesstaat unterschiedlich geahndet.
Verschiedene Ereignisse haben in den letzten Monaten (und Jahren) verschiedene Debatten ausgelöst:
Aktuell findet in den USA eine Debatte um Rassismus und Polizeigewalt statt. In den letzten Jahren wurden zunehmend junge Afroamerikaner von weißen Polizisten erschossen. Die Opfer waren meist unbewaffnet. Ein Beispiel hierfür ist der Mord an Walter Scott, der – obwohl er unbewaffnet war und somit keine Gefahr für den Polizisten darstellte – durch acht Schüsse in den Rücken getötet wurde. Nur Dank einer Dashcam im Polizeiwagen und der Aufnahme eines Augenzeugen konnte die Schuld des Polizisten bewiesen werden.[ix]
Im Juni 2016 wurde ein Student der renommierten Stanford University, der sich an einer bewusstlosen jungen Frau vergangen hatte, zu lediglich sechs Monaten Haft verurteilt und im September frühzeitig aus der Haft entlassen. Das Gerichtsurteil sorgte in den USA für Empörung und entfachte eine Debatte zum Thema „rape culture“ und Privilegien in den USA. Sexualisierte Gewalt stellt in den USA ein ernstes Problem dar. Tatsächlich handelt es sich bei Vergewaltigungen um das Delikt, das am seltensten angezeigt wird. Grund hierfür sind u.a. die Handhabung solcher Fälle durch die Justiz sowie die Stigmatisierung der Opfer.
Viele Teile der USA gelten noch heute als besonders konservativ. Darunter die Südstaaten: Dort befindet sich der sogenannte „Bible Belt“ (zu deutsch: Bibelgürtel). Dieses Gebiet ist insbesondere vom evangelikalen Protestantismus geprägt. Hier finden die sogenannten „Purity Balls“ (zu deutsch: Reinheitsbälle) statt, bei denen Töchter ihren Vätern versprechen, jungfräulich in die Ehe zu gehen. Bei der feierlichen Zeremonie übergibt die Tochter ihrem Vater einen kleinen Schlüssel, symbolisch für den Schlüssel zu ihrem Herzen. Diesen übergibt der Vater am Tag ihrer Hochzeit ihrem Ehemann. Zudem unterzeichnen beide einen Vertrag, in dem die Tochter ihr Versprechen festhält und ihr Vater verspricht, ein vorbildliches Leben zu führen. Hier wird ersichtlich, dass – wie in vielen anderen Kulturen – besonderer Wert auf die Jungfräulichkeit der Frau gelegt wird, denn für Söhne gibt es eine derartige Zeremonie nicht. Statistiken zeigen zudem, dass 88 Prozent der Mädchen, die ein solches Versprechen auf einem Reinheitsball gegeben haben, dieses nicht halten. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die mangelnde Aufklärung: So sei das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft bzw. einer Schwangerschaft im Teenageralter bei Mädchen, die den „Reinheitsschwur“ geleistet hatten, viel höher, als bei Mädchen, die das nicht haben. Auch das Risiko, sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit anzustecken sei in diesen Fällen höher. [x] [xi] [xii]
Frühehen und Zwangsheiraten werden oft als Phänomen betrachtet, das nur in ärmeren Regionen der Welt bzw. im islamischen Kulturkreis vorkommt. Zwar sind die Zahlen in diesen Teilen der Welt extrem hoch, das heißt jedoch nicht, dass die reichen Industrienationen nicht auch von diesem Problem betroffen sind. So auch die USA. Daten des Tahirih Justice Center in den USA zeichnen ein besorgniserregendes Bild: Zwischen 2004 und 2013 wurden allein im Bundesstaat Virginia fast 4500 Minderjährige verheiratet; davon waren über 200 15 Jahre alt oder jünger.[xiii] In 30 bis 40 % der Fälle waren die zukünftigen EhepartnerInnen 21 Jahre alt oder älter; in einigen dieser Fälle betrug der Altersunterschied zwischen dem/der Minderjährigen und der/dem Erwachsenen sogar Jahrzehnte. 90% der verheirateten Minderjährigen sind Mädchen. 13 der unter 15-Jährigen sollen sogar mit Erwachsenen verheiratet worden sein, die über 20 Jahre älter sind.[xiv] Zwischen 2000 und 2010 haben im Bundesstaat New York 3853 Minderjährige mit Zustimmung ihrer Eltern und/ oder eines Richters geheiratet.[xv] Laut einem Bericht des Tahirih Justice Center aus dem Jahr 2011 soll es zudem 3000 Fälle von Zwangsehen in den USA gegeben haben. Die Ehefrauen sollen meist unter 18 Jahre alt gewesen sein.[xvi]
Einer Umfrage des Tahirih Justice Center zufolge, seien Frühehen bzw. Zwangsheiraten Phänomene, die sowohl in muslimischen wie christlichen (vor allem katholischen), hinduistischen und buddhistischen Kreisen auftauchen. Fairdy Reiss, Gründerin der Organisation Unchained at Last, dokumentierte Fälle von Zwangs- und Frühehen in der jüdisch-orthodoxen Gemeinschaft sowie unter Mormonen. Trotz der religiösen Unterschiede, scheinen die Gründe für eine Frühehe und/oder Zwangsheirat meist dieselben zu sein: Die Kontrolle der Sexualität bzw. der Erhalt der Jungfräulichkeit des Mädchens sowie des Verhaltens der Kinder innerhalb kultureller Normen und die Wahrung der „Familienehre“. Anhand des Beispiels der „Reinheitsbälle“ im Bible Belt ist deutlich zu erkennen, dass insbesondere die Sexualität von Mädchen kontrolliert werden soll. Auch ökonomische Faktoren spielen hier jedoch eine Rolle.[xvii] Beispielsweise fließt Geld in Form von Vermittlungsgebühren oder eines Brautpreises.[xviii] Ein weiterer Grund für eine Frühehe bzw. eine Zwangsheirat ist, dem Bräutigam bzw. der Braut aus der Heimat der Eltern zu ermöglichen, in die USA einzuwandern.[xix] [xx]
In den meisten Bundesstaaten ist eine Eheschließung zwar erst ab 18 Jahren möglich, dennoch gibt es Ausnahmen, die eine frühere Eheschließung ermöglichen. So ist eine Eheschließung mit Zustimmung der Eltern ab dem 16. Geburtstag möglich. Eine zweite Ausnahme stellt die gerichtliche Genehmigung dar: In diesem Fall können sogar Minderjährige unter 16 Jahren heiraten. Wie bereits erwähnt, verfügt jeder Bundesstaat über eine eigene Gesetzgebung. Somit verhält es sich in puncto Eheschließung in jedem Bundesstaat anders. Während in einigen Bundesstaaten eine Eheschließung ausnahmslos erst ab 18 möglich ist, können in Bundesstaaten wie Massachusetts auch 12-Jährige Mädchen heiraten bzw. verheiratet werden.[xxi] Das war auch im Bundesstaat Virginia bis vor Kurzem möglich: Im Fall einer Schwangerschaft konnte eine 12-Jährige heiraten, wenn die Eltern der Eheschließung zustimmten. Im Juli 2016 wurde dort das Mindestheiratsalter jedoch auf 18 Jahre erhöht. Nur noch in Ausnahmefällen könne eine 16-jährige Person eine Ehe schließen.[xxii]
Die Organisation Unchained at Last ist eine non-profit Organisation, die Frauen und Mädchen dabei unterstützt aus Zwangsehen auszubrechen bzw. diese gar nicht erst einzugehen. Dazu bietet die Organisation den Betroffenen unentgeltlich Rechtsberatung und Rechtsbeistand. Beispielsweise wurde Esther aus dem oben genannten Fallbeispiel von Unchained at Last unterstützt. Die Organisation suchte einen Anwalt, der ihr half, das volle Sorgerecht für ihre Kinder zu bekommen. Weiterhin werden junge Mädchen und Frauen bei der Suche nach einer Unterkunft unterstützt. [xxiii] [xxiv] Die Gründerin der Organisation, Fairdy Reiss, heiratetet als 19-Jährige. Wie es in der jüdisch-orthodoxen Gemeinde üblich ist, war die Ehe arrangiert. Nach 12 Jahren Ehe floh sie mit ihren zwei Töchtern vor ihrem Ehemann. Reiss ist sich der Probleme bewusst, denen Frauen auf ihrem Weg aus einer solchen Ehe heraus begegnen.[xxv] 2011 gründete sie die Organisation, die bereits 250 Mädchen und Frauen geholfen hat, aus arrangierten Ehen auszubrechen.[xxvi]
Mit seiner „Forced Marriage Initiative“ bietet das Tahirih Justice Center von Zwangsheirat betroffenen Personen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Religion etc. Unterstützung. Die Organisation bietet den Hilfesuchenden eine umfassende Beratung und versorgt sie mit hilfreichen Informationen (z.B. Notunterkünfte in der eigenen Umgebung).[xxvii] Die Organisation wurde 1997 von der angehenden Juristin Layil Miller-Muro mit dem Ziel gegründet, Frauen, die vor geschlechterspezifischer Gewalt fliehen, Schutz in den USA zu bieten. Ausschlaggebend war der Fall der togolesischen Fauziya Kassindja gewesen, die 1994 als Teenager aus ihrer Heimat über Ghana und Deutschland in die USA geflohen ist, um der Schließung einer polygamen Ehe zu entgehen. Miller-Muro war Teil des Anwaltsteams, das Kassindja vor Gericht vertrat, nachdem diese nach ihrer Einreise in die USA festgenommen wurde. Als Miller-Muro feststellte, dass es wenige Organisationen gab, die Frauen mit Flüchtlingsstatus rechtlichen Beistand boten, gründete sie 1997 das Tahirih Justice Center. [xxviii]
Stand: 12/2016
Quellen:
Fallbeispiel
Nahla war 12 Jahre alt, als ihr Vater ihrer Verheiratung mit einem Mann in seinen 50ern zustimmte. Grund hierfür war die prekäre finanzielle Lage der Familie. Der Vater, selbst 50, hatte erfahren, dass er erst mit 60 in Rente gehen könne, somit war die finanzielle Lage der Familie unsicher. Ein Mann aus den Golfstaaten hatte sich über einen Mittelsmann in Ägypten auf die Suche nach einer jungen Zweitfrau gemacht. Dafür war er bereit, eine hohe Geldsumme zu zahlen. Außerdem versprach er der Familie, ihr monatlich Geld zukommen zu lassen. Der Vater stimmte dem Angebot zu und am nächsten Tag kamen der Mittelsmann und Nahlas zukünftiger Ehemann vorbei, um Nahla zu sehen. Nahla musste Ägypten verlassen, um in das Land ihres Ehemannes zu ziehen, wo sie in einem Haus mit seiner Erstfrau und ihren gemeinsamen Kindern wohnen musste. Das jüngste Kind war drei Jahre älter als Nahla. Sie wurde dort laut eigenen Aussagen wie eine Bedienstete behandelt. Wenn sie sich widersetzte, schlug die Erstfrau sie. Als Nahla es nicht mehr aushielt, floh sie zur ägyptischen Botschaft, wo man ihr jedoch sagte, dass man nichts tun könne, da sie der Eheschließung zugestimmt hatte. Erst mit der Hilfe einiger Nachbarn gelang es ihr, eine Scheidung durchzusetzen und nach Ägypten zurückzukehren.[1]
Statistik
Landesüberblick
Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas.[7] Es handelt sich um eine Präsidialdemokratie.[8] Ägypten war nach Tunesien das zweite Land, in dem der Arabische Frühling Einzug fand. Am 25. Januar 2011 gingen junge ÄgypterInnen auf die Straße, um gegen die sozialen Missstände in ihrem Land zu protestieren und forderten den Rücktritt Mubaraks, der das Land 30 Jahre regiert hatte. Die Hoffnung auf einen Übergang zur Demokratie wurde jedoch kurz nach den ersten demokratischen Wahlen des Landes, aus denen Mohammed Mursi und die Muslimbruderschaft als Sieger hervorgingen, enttäuscht. Stattdessen wurden die Rede-, Presse- und Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt und hunderte DissidentInnen festgenommen. Unter dem Vorwand der Beleidung des Islam und/oder des Präsidenten, wurden immer mehr vermeintliche „Gegner“ der Muslimbrüder festgenommen. 2013 stürzte das Militär Mursi und ein Jahr später ging der General Abdel Fattah Al-Sisi mit 96,2 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 48 Prozent als eindeutiger Sieger aus den Präsidentschaftswahlen hervor. Wahlbeobachter der US-Organisation Democracy International kritisierten jedoch das „Klima der Unterdrückung“ im Land, das eine demokratische Präsidentschaftswahl praktisch unmöglich gemacht hatte.[9] [10]
Auch nach der Machtübernahme Al-Sisis kommt es zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Verschiedene Menschenrechtsorganisationen berichten von Entführungen, gewaltsamem Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und anderen Arten von Folter sowie Ermordungen von DissidentInnen. Ins Visier nimmt die Regierung insbesondere junge Männer und Frauen und zwar sowohl vermeintliche IslamistInnen bzw. Muslimbrüder als auch Liberale. Aufgrund der Einnahme der Sinai-Halbinsel durch islamistische Gruppierungen, setzt das Regime verstärkt repressive Praktiken ein, um ihnen Einhalt zu gebieten.[11]
Ägypten weist auch in puncto Frauenrechte massive Defizite auf. Seit dem Jahr 2008 ist Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) in Ägypten illegal. Dennoch wird sie weiterhin praktiziert. Im August letzten Jahres hat das Parlament einer Gesetzesänderung zugestimmt, die härtere Strafen für FGM vorsieht. Wer FGM vornimmt, muss nun mit einer Haftstrafe von fünf bis sieben Jahren rechnen. Führt die Beschneidung zu Behinderung oder gar zum Tod, beläuft sich die Haftstrafe auf bis zu 15 Jahre. Einer Umfrage des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2014 zufolge, waren 92 Prozent der verheirateten Frauen und Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten. Problematisch ist, dass 82 Prozent der Beschneidungen von ÄrztInnen durchgeführt werden. [12]
Ein weiteres Problem sind die vielen sexuellen Übergriffe, die sich sogar täglich ereignen. Laut einer Umfrage von UN Women aus dem Jahr 2013, seien 99,3 Prozent der Frauen Opfer sexueller Belästigung gewesen.[13] Seit dem 25. Januar 2011, als sich die ÄgypterInnen auf dem Tahrir-Platz zusammenfanden um zu protestieren oder den Jahrestag der Revolution zu feiern, kommt es vermehrt zu sexuellen Übergriffen gegen Frauen. Die Schuld hierfür wird grundsätzlich beim Opfer gesucht, zu Verurteilungen kommt es kaum.[14]
Vorkommen
In Ägypten sollen laut UNICEF 2 Prozent der Mädchen bis zu ihrem 15. und 17 Prozent der Mädchen bis zu ihrem 18. Geburtstag verheiratet sein. Frühehen werden in Ägypten vor allem in armen, ländlichen Gegenden geschlossen. Armut und in der ägyptischen Gesellschaft tief verwurzelte patriarchale Strukturen begünstigen diese Praxis. [15] Nach ägyptischem Recht kann die Ehe erst im Alter von 18 Jahren eingegangen werden. Es gibt jedoch verschiedene Formen der islamischen Ehe, die neben einer offiziellen, staatlich anerkannten Ehe, geschlossen werden können. Diese werden nicht registriert, sodass Schließungen von Kinder- bzw. Frühehen in diesem kontextuellen Rahmen möglich werden. Ein Beispiel hierfür ist die sog. „Urfi-Ehe“. Diese ermöglicht es beispielsweise jungen Paaren, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um sich eine kostspielige Hochzeit zu leisten, dennoch zu heiraten und somit keinen außerehelichen Geschlechtsverkehr zu haben, da dies in patriarchalen Gesellschaften noch immer ein Tabu ist. Mit Vernichtung des Vertrages, der bei der Eheschließung vor zwei Zeugen aufgesetzt und unterzeichnet wird, endet die Ehe. Kinder, die aus einer „Urfi-Ehe“ hervorgehen, gelten als unehelich und tragen somit nicht automatisch den Namen des Vaters. [16] Die „Urfi-Ehe“ wird in Ägypten zunehmend genutzt, um minderjährige Töchter gegen ein Brautgeld mit älteren Männern zu verheiraten.[17]
Es gibt auch die sog. „Misyar-Ehe“ (zawaj al-misyar), die als „Touristen-Ehe“ übersetzt werden könnte. Während ihres Urlaubs suchen sich reiche Touristen aus den Golfstaaten junge Mädchen aus armen Verhältnissen, und schließen für die Dauer ihres Aufenthalts im Land diese Form der islamischen Ehe. Junge Mädchen aus armen Dörfern werden von sog. HeiratsvermittlerInnen zu wohlhabenden arabischen Touristen gebracht, mit denen sie dann zeitlich befristetete Ehen eingehen. Es gibt hier Überschneidungen mit der sog. „Zeitehe“bzw. „Genussehe“ (nikāḥ al-mutʿa). Diese Form der Ehe wird eigentlich nur im schiitischen Islam (z.B. im Iran) praktiziert, kommt jedoch auch in sunnitischen Ländern wie Ägypten vor. Dabei werden Ehen für eine kurze Zeit, auch nur einen Tag oder ein paar Stunden, geschlossen. Die Eheschließung erfolgt privat und Ehedauer u. Ä. werden in einem informellen Vertrag zwischen den zwei „Eheleuten“ festgehalten. Der Mann und die Frau, die diese Form der Eheschließung wählen, einigen sich über die Dauer der Ehe. [18] [19]
Eine genaue Trennung zwischen den hier genannten Eheformen ist schwierig, da auch die „Urfi-Ehe“ zeitlich begrenzt sein kann und wie die „Misyar-Ehe“ genutzt wird, um minderjährige Mädchen zu heiraten. In den hier vorgestellten islamischen Eheformen verzichten Mann und Frau auf bestimmte Ansprüche, die ihnen im Falle einer staatlich anerkannten Eheschließung zustehen würden (z.B. verzichtet die Frau auf ihr Recht auf Unterhalt).
Beweggründe
Grund für die Verheiratung minderjähriger Töchter ist meist die prekäre ökonomische Lage der Familie, die sich dadurch eine Besserung ihrer Lebensumstände erhofft. Das sog. „Brautgeld“ spielt hier eine wichtige Rolle. Immer öfter suchen sich reiche Männer aus den Golfstaaten minderjährige Ehefrauen in Ägypten und versprechen ihren Familien dafür ein hohes Brautgeld. Wie bereits erwähnt, kommen Frühehen überwiegend in ländlichen Gegenden vor, die meist von Konservatismus und Traditionsdenken geprägt sind. Doch auch die Angst, dass die eigene Tochter niemals heiraten wird, ist ein Grund für eine frühe Verheiratung.[20]
Gesetzliche Lage
Nach der Revolution wurden von konservativen Kräften mehrere Versuche unternommen, das Mindestheiratsalter zu senken. Demnach sollten auch minderjährige Mädchen heiraten können. Dieses Vorhaben ist jedoch gescheitert.[21] Somit liegt das Mindestheiratsalter – das bereits im Jahr 2008 festgesetzt wurde – bei 18 Jahren.[22]
Im Januar 2016 wurde das „Touristen-Gesetz“ erlassen, das einem Mann aus dem Ausland – meist aus den reichen Golfstaaten – die Eheschließung mit einer ägyptischen Frau, die mindestens 25 Jahre jünger ist als er, nur erlaubt, wenn er 50.000 ägyptische Pfund auf ihren Namen einzahlt. Das Gesetz soll die ökonomischen Interessen der Frau schützen. Es handelt sich hierbei nicht um ein neues Gesetz, sondern um eine Modifizierung eines Gesetzes aus dem Jahr 1976: Dieses verbat die Ehe zwischen einem Nicht-Ägypter und einer Ägypterin, wenn jener 25 Jahre älter war als sie. Im Jahr 1993 wurde dieses Verbot aufgehoben und die Bedingung eingeführt, dass der ausländische Mann einen bestimmten Betrag zu zahlen hat, um eine mindestens 25 Jahre jüngere Ägypterin heiraten zu dürfen. Kritiker sehen diese „Touristen-Ehen“ jedoch als eine legalisierte Form der Prostitution. Die Egyptian Initiative for Personal Rights bezeichnet die Vorstellung, dass die Anhebung des „Brautpreises“ auf 50.000 ägyptische Pfund das Problem der Touristen-Ehen beseitigen wird, als naiv. Entgegen der Meinung der Befürworter des Gesetzes, werden Mädchen und Frauen durch dieses Gesetz nicht geschützt. Mädchen müssen diese Ehen auf Zeit eingehen, um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Ein derartiges Gesetz und die aktuelle Modifizierung fördern diese Praxis nur, da den Familien jetzt ein höherer Preis für ihre Töchter gezahlt wird.[23] [24]
Interventionsbeispiele
Das Kinderhilfswerk Plan-International engagiert sich in Ägypten, um Frauen- und Kinderrechte zu schützen. Mit seinen Programmen, versucht „Plan International Egypt“ auf sog. harmful traditional practices wie Frühehen und FGM aufmerksam zu machen und somit Betroffene zu schützen. Das Empowerment der Mädchen soll durch Bildung gefördert werden.[25]
Die Association of the Egyptian Female Lawyers setzt sich u.a. gegen Kinderehen ein. Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise ein Projekt gestartet, um syrische Flüchtlingsmädchen vor „Zeitehen“ zu schützen.[26] Beispielsweise bietet die NGO Betroffenen Unterstützung in rechtlichen Angelegenheiten. 2015 wurde eine Kampagne ins Leben gerufen, deren Ziel die Abschaffung von Kinder- und Frühehen ist. Dazu soll ein Netzwerk bestehend aus AnwältInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen eng mit NGOs zusammenarbeiten, die Betroffene von Frühehen in sozialen wie rechtlichen Angelegenheiten unterstützen.[27] Zudem veranstaltet die Organisation Seminare zu den Themen Frühehen und Menschenhandel, um diese Probleme in den am stärksten betroffenen Bezirken anzugehen.[28]
Quellen:
[1] https://www.alaraby.co.uk/english/features/2014/10/9/the-shame-of-child-marriage-in-egypt
[2] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Aegypten_node.html
[3] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Aegypten_node.html
[4] http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/EGY
[5] https://www.alaraby.co.uk/english/features/2015/6/8/almost-half-of-egyptians-are-illiterate
[6] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/egypt/
[7] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624
[8] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Aegypten_node.html
[9] http://www.n-tv.de/politik/Al-Sisi-holt-fast-100-Prozent-der-Stimmen-article12925576.html
[10] http://www.dailynewsegypt.com/2015/07/01/from-palace-to-prison-1-year-of-morsis-rule/
[11] https://www.hrw.org/world-report/2016/country-chapters/egypt
[12] https://www.hrw.org/news/2016/09/09/egypt-new-penalties-female-genital-mutilation
[13] http://www.huffingtonpost.com/engy-abdelkader/99-percent-of-egyptian-women-girls-have-been-sexually-harassed_b_3373366.html
[14] https://www.theguardian.com/world/2013/jul/05/egypt-women-rape-sexual-assault-tahrir-square
[15] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/egypt/
[16] http://www.kas.de/wf/doc/kas_12726-544-1-30.pdf?080108111937
[17] https://www.alaraby.co.uk/english/features/2014/10/9/the-shame-of-child-marriage-in-egypt
[18] http://egyptianstreets.com/2015/08/01/child-marriages-form-15-of-all-marriages-in-egypt/
[19] http://egyptianstreets.com/2014/07/23/the-story-behind-child-brides-in-egypt/
[20] https://www.alaraby.co.uk/english/features/2014/10/9/the-shame-of-child-marriage-in-egypt
[21] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/egypt/
[22] https://egyptianstreets.com/2015/08/01/child-marriages-form-15-of-all-marriages-in-egypt/
[23] https://english.alarabiya.net/en/2016/01/18/Does-Egypt-s-new-tourist-marriage-law-really-protect-women-.html
[24] http://www.npr.org/sections/parallels/2016/02/01/463708687/does-egypts-law-protect-short-term-brides-or-formalize-trafficking
[25] https://plan-international.org/egypt/protection-egypt
[26] http://www.aeflwomen.com/en/legal-protection-for-syrian-women-and-girls-exploited-for-temporary-marriage-and-non-marriage-documents
[27] http://www.aeflwomen.com/en/the-association-of-egyptian-female-lawyers-launches-a-campaign-to-eliminate-early-marriage
[28] http://www.aeflwomen.com/en/public-seminar-on-dangers-of-trafficking-and-violence-against-women-and-children
Stand: 01/2017
Fallbeispiel
Marisela Antonio Cruz aus Mexikostadt wurde mit 16 Jahren zur Ehe gezwungen. Sie wuchs in einer armen Gegend auf und hatte bereits mit 13 Jahren die Schule verlassen, um gemeinsam mit ihrer Mutter als Haushälterin zu arbeiten und somit ihre Familie finanziell zu unterstützen. Als ihr Vater herausfand, dass Marisela einen Freund hatte, schlug er sie. In seinen Augen hatte sie die Familie durch ihre Beziehung bloßgestellt. Marisela wollte in ihrem Alter nicht heiraten. Doch ihr Vater ließ ihr keine andere Wahl und da Marisela Angst hatte, heiratete sie ihren Freund. So wie Marisela, ergeht es vielen Frauen in Mexiko, insbesondere in ärmeren Gegenden[1]
Statistik
Landesüberblick
Bei Mexiko handelt es sich um einen Föderalstaat mit 31 Bundesstaaten und einem Bundesdistrikt. Ähnlich wie in den USA, verfügt jeder Teilstaat über eine eigene Verfassung und Gesetzgebung.[7] Mexiko ist eine Präsidialrepublik.[8]
Mexiko gilt als fortgeschrittenes Schwellenland. Es befindet sich an 15. Stelle der größten Volkswirtschaften weltweit. Das Land ist sowohl Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als auch der G20 (Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer). Die Modernisierung der mexikanischen Volkswirtschaft wurde durch das im Jahr 1994 geschlossene Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) eingeleitet. Die USA ist – sowohl was den Export als auch den Import betrifft – der wichtigste Handelspartner Mexikos. Trotz allem stellt die Armut vieler Teile der Bevölkerung, die unter anderem auf die ausgeprägten Ungleichheiten bei der Einkommensverteilung zurückzuführen ist, ein großes Problem dar. Laut Daten aus dem Jahr 2014 sind 46,2 % der mexikanischen Bevölkerung arm. 9,5 % lebten demnach sogar in extremer Armut. Die ärmsten Bundesstaaten finden sich im Süden des Landes. Diese sind: Chiapas, Oaxaca, Guerrero und Veracruz.[9]
Im Norden Mexikos finden sich die sogenannten Maquilas. Dabei handelt es sich um Montagebetriebe, in denen importierte Einzelteile zu (halb-)fertigen Produkten zusammengesetzt und anschließend exportiert werden.[10] Mit den Maquilas sollte die Armut in ärmeren Gebieten bekämpft werden, jedoch werden die Beschäftigten (meist Frauen) dort zunehmend ausgebeutet und müssen unter katastrophalen Bedingungen arbeiten. [11] [12]
In puncto Sicherheit und Achtung der Menschenrechte weist Mexiko verschiedene Probleme bzw. Defizite auf. Diese ergeben sich unter anderem aus dem Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Drogenkartellen, der sich nach dem von Präsident Felipe Calderon im Jahr 2006 initiierten Krieg gegen die Drogenkartelle verschärft hat. Tatsächlich sollen seit 2006 über 25 500 Menschen verschwunden sein. Zudem sei laut Human Rights Watch die Rate der extralegalen Hinrichtungen durch Sicherheitskräfte alarmierend hoch.[13]
Besonders besorgniserregend ist die Lage mexikanischer Frauen. In den letzten Jahren berichteten verschiedene Frauenrechtsorganisationen von einer steigenden Zahl an Femiziden. Die Opfer sind oft junge Frauen aus ärmeren Gegenden. So sind beispielsweise zwischen Januar und März 2015 80 Frauen im Bundesstaat Chihuahua verschwunden. Die Opfer solcher Verschleppungen tauchen meist nie wieder auf. [14] Laut dem Instituto Nacional de Estadística y Geografía (INEGI; Nationales Institut für Statistik und Geographie ) ist für Frauen zwischen 15 und 29 Jahren der Femizid die zweithäufigste Todesursache.[15] Zudem wird laut Human Rights Watch die Bestrafung von Männern, die Mädchen und Frauen sexualisierte Gewalt zufügen, von der „Keuschheit“ des Opfers abhängig gemacht.[16]
Vorkommen
Laut eines aktuellen Berichts von ONU Mujeres kommt es in Mexiko häufig zur Schließung von Frühehen. Besonders betroffen hiervon sind Mädchen. Mindestens jede 5. Frau ist bei ihrer Eheschließung unter 18. Laut der Organisation Girls not Brides werden 5 % der mexikanischen Mädchen bis zu ihrem 15. Geburtstag verheiratet. 23 % sind es vor ihrem 18. Geburtstag.[17] Besonders Mädchen aus der indigenen Bevölkerung sind von Frühehen betroffen. In Chiapas, Guerrero und Veracruz beträgt die Rate an Frühehen unter Indigenen über 40 %.[18] Die gemeinnützige Organisation México Funciona hat zahlreiche Fälle dokumentiert. Insgesamt sollen 2014 in ganz Mexiko 5234 Frühehen registriert worden sein. Dabei soll es sich sowohl um Ehen zwischen Minderjährigen als auch um Ehen zwischen Minderjährigen und Erwachsenen handeln. In 15 Fällen sollen 12-Jährige zur Ehe mit einem Erwachsenen gezwungen worden sein.[19] Allein im Bundesstaat Colima wurden über 150 Minderjährige zur Ehe gezwungen, darunter auch 15-jährige Mädchen, die mit Männern über 40 oder sogar 50 Jahren verheiratet wurden.[20] Zwischen 2007 und 2015 heirateten allein im Bundesstaat Mexiko 10.272 minderjährige Mädchen.[21]
Beweggründe
Laut ONU Mujeres werden Frühehen insbesondere in ländlichen Gegenden sowie innerhalb von indigenen Gemeinschaften geschlossen. Auch die soziale Schicht spielt in puncto Frühehen eine Rolle: Auf einer nationalen Skala gehörten 37,3 % der Frauen, die unter 18 waren, als sie geheiratet haben, einer unteren sozialen Schicht an, wohingegen nur 4,2 % der besser situierten Frauen unter 18 waren, als sie heirateten.[22] Tatsächlich spielen laut México Funciona oft ökonomische Gründe eine besonders wichtige Rolle. Besonders arme Familien verheiraten ihre Töchter im Tausch gegen eine Geldsumme.[23] Manchmal ist auch die Sorge um die Zukunft der Tochter der treibende Faktor: So hätten Eltern ihre minderjährigen Töchter zu einer Ehe mit finanziell besser situierten Erwachsenen bzw. älteren Männern gezwungen, weil sie sich dadurch eine Besserung ihrer Lebensumstände erhofften.[24] Doch wie im Falle Mariselas ersichtlich wird, spielen auch konservative Vorstellungen eine wichtige Rolle, wenn es zur Schließung von Frühehen kommt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn das Mädchen schwanger ist. Durch eine Eheschließung möchte die Familie die eigene „Ehre“ wahren bzw. wiederherstellen.[25]
Gesetzliche Lage
Laut Código Civil Federal (mexikanisches Zivilgesetzbuch) sah der mexikanische Staat für Jungen ein Mindestheiratsalter von 16 Jahren, für Mädchen von 14 Jahren, vor. Im Dezember 2014 wurde die Ley General de los Derechos de las Niñas, Niños y Adolescentes (General Law on the Rights of Children and Adolescents [26]) erlassen, die mit dem Artikel 45 eine Anhebung des Mindestheiratsalters auf 18 Jahre festgelegt hat. Wie bereits erwähnt, verfügt in Mexiko jeder Teil- bzw. Bundesstaat über eine eigene Verfassung und Gesetzgebung. Somit muss jeder Bundesstaat die eigene Gesetzgebung mit dem neuen Gesetz in Einklang zu bringen.
Geschlechtsverkehr mit einer/einem Minderjährigen unter 12 oder bis 15 Jahren – je nach Bundesstaat – wird in Mexiko als Vergewaltigung geahndet. Dabei ist es irrelevant, ob der/die Minderjährige zugestimmt hat oder nicht. Wer unter Anwendung einer Täuschung oder List eine 16 bis 18-jährige Person zum Geschlechtsverkehr „überredet“, wird gerichtlich verfolgt, wenn der/die Minderjährige, dessen/deren Eltern oder Vormund Anzeige erstattet.[27] In einigen Bundesstaaten – darunter Campeche und Baja California – kann eine volljährige Person, die Geschlechtsverkehr mit einer minderjährigen Person hatte, einer Haftstrafe jedoch entgehen, wenn sie jene heiratet.[28] Dadurch werden Kinderehen im Grunde legitimiert. Bis Ende November 2016 war das auch in Sonora möglich. Durch eine Änderung des Strafgesetzbuches kann der Täter jetzt nicht mehr durch eine Eheschließung mit dem Opfer einer Haftstrafe von zwei bis vier Jahren entgehen.[29]
Interventionsbeispiel
ONU Mujeres arbeitet gemeinsam mit Institutionen auf lokaler sowie nationaler Ebene, um Kinder- und Frühehen zu verhindern. Die Organisation hat im Rahmen der Kampagne „Únete para poner fin a la violencia contra las mujeres y niñas“ („UNiTE to End Violence against Women“ [30]) eine Kampagne zur Bekämpfung von Frühehen zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember 2015 gestartet. Diese zielt darauf ab, in allen Teilstaaten Mexikos Frühehen abzuschaffen und das Mindestheiratsalter ausnahmslos auf 18 Jahre anzuheben. [31] [32]
Die Organisation México Funciona versucht mit ihrer Dokumentierung von über 5234 Fällen von Frühehen die jeweiligen Teilstaaten dazu zu bewegen, etwas gegen diese Praxis zu unternehmen. Abel Palomera Meza, Vorsitzender von México Funciona, kündigte an, dass die Organisation sich dafür einsetzen wird, Kinderehen zu beseitigen. Dazu bemüht sich die Organisation, die Gesetzgebungen der jeweiligen Teilstaaten dahingehend zu beeinflussen, dass das Mindestheiratsalter ausnahmslos auf 18 festgesetzt wird. Ein erster Erfolg ist bereits zu verzeichnen: Colima verbietet nun Ehen von unter 18-Jährigen.[33] Außerdem müssen laut Palomera Meza Standesbeamte für das Problem Kinderehen sensibilisiert werden, da es für viele schlichtweg „normal“ sei, solche Ehen vorzunehmen. Das Vorhaben der Organisation schließt u.a. Programme zur sexuellen Aufklärung von Kindern und Jugendlichen ein. Sie sollen zudem über die Themen Früh- und Zwangsehen informiert werden.[34]
Quellen:
[1] http://english.cctv.com/2016/07/22/VIDE7YfYLAZZysQux7cGnEiS160722.shtml
[2] http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/MEX
[3] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Mexiko_node.html
[4] http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/MEX
[5] http://cuentame.inegi.org.mx/poblacion/analfabeta.aspx?tema=P
[6] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/mexico/
[7] https://www.bwlh.de/Recht_International/Mexiko/mexiko.html
[8] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Mexiko_node.html
[9] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mexiko-node/-/213650
[10] http://www.lateinamerika-studien.at/content/lehrgang/lg_mader/lg_mader-349.html
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Maquila
[12] http://www.lateinamerika-studien.at/content/lehrgang/lg_mader/lg_mader-352.html
[13] https://www.hrw.org/world-report/2016/country-chapters/mexico
[14] https://amerika21.de/2015/03/114308/frauen-verschwunden-chihuahua
[15] http://www.criteriohidalgo.com/noticias/hidalgo-ujul/muestra-inegi-cifras-negras-contra-mujer
[16] https://www.hrw.org/world-report/2016/country-chapters/mexico
[17] http://www.girlsnotbrides.org/child-marriage/mexico/
[18]http://www2.unwomen.org/~/media/field%20office%20mexico/documentos/publicaciones/2016/matrimonio%20infantil_.pdf?v=1&d=20161007T001122
[19] http://expansion.mx/economia/2016/01/28/en-mexico-5234-casos-de-matrimonio-infantil
[20] https://www.elnoticieroenlinea.com/?p=37157
[21] http://www.eluniversal.com.mx/articulo/metropoli/cdmx/2016/07/13/promulgan-ley-para-evitar-matrimonio-de-menores-de-18-anos
[22]http://www2.unwomen.org/~/media/field%20office%20mexico/documentos/publicaciones/2016/matrimonio%20infantil_.pdf?v=1&d=20161007T001122
[23] http://preventforcedmarriage.org/forced-marriage-overseas-mexico/
[24] http://colimanoticias.com/159-ninos-fueron-obligados-a-contraer-matrimonio-con-personas-mayores/
[25] https://rotativo.com.mx/mujer/555534-mexico-ninas-se-casan-restablecer-orden-familiar/
[26] http://www.leyderechosinfancia.mx/wp-content/uploads/2015/02/EN-LeyGeneralDeLosDerechosDeNi%C3%B1asNi%C3%B1osAdolescentes.pdf (Englisch)
[27] https://es.wikipedia.org/wiki/Edad_de_consentimiento_sexual#M.C3.A9xico
[28] http://internacional.elpais.com/internacional/2016/05/06/mexico/1462565899_296452.html
[29] http://sonoranews.tv/2016/11/30/aumentan-penas-por-delito-de-estupro/
[30] http://endviolence.un.org/about.shtml (Englisch)
[31] http://mexico.unwomen.org/es/noticias-y-eventos/articulos/2015/10/llamado-no-matrimonio-infantil
[32] http://fusion.net/story/238202/the-united-nations-urges-mexico-to-crack-down-on-child-marriages/
[33] http://www.eluniversal.com.mx/articulo/estados/2016/09/9/congreso-de-colima-prohibe-matrimonio-infantil
[34] http://colimanoticias.com/159-ninos-fueron-obligados-a-contraer-matrimonio-con-personas-mayores/
Stand: 01/2017