Kinderhandel in Kolumbien

Zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel haben wir durch July Cassiani-Hernandéz‘ Artikel „Die Situation der Kinderrechte in Kolumbien“ bereits einen Einblick in die Problematik von Menschenhandel und sexuellem Missbrauch in Kolumbien erhalten.

Anlässlich des diesjährigen Weltkindertages möchten wir uns auf einen konkreten Fall konzentrieren: Alexandrith.

 

15-jähriges Mädchen vermisst – ein Fall von Kinderhandel in Kolumbien

Von July Cassiani-Hernandéz

Alexandrith ist ein 15-jähriges Mädchen, welches seit drei Monaten in Cartagena, Kolumbien, vermisst wird. Ihr Verschwinden hat landesweit das Interesse der Medien geweckt. Gleichzeitig hat es Licht auf eine Thematik geworfen, für die sich Menschen- und Frauenrechtsorganisationen schon lange einsetzen, welche aber kaum Aufmerksamkeit im öffentlichen Diskurs findet: es geht um Menschenhandel und das Verschwinden von Babys, Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Organ- und Kindersexhandel.

Alexandrith lebte in einer Gemeinde in der Nähe von Cartagena, Bayunca, einer ländlichen Gegend, in der Armut, mangelnde Bildung und Kriminalität zum Alltag gehören. Neben Bayunca gibt es weitere Dörfer wie z.B. Arroyo de Piedra und Arroyo de las Canoas. Obwohl diese Dörfer nur 20 Minuten von Cartagena entfernt liegen, hat die dort lebende Bevölkerung keinen Zugang zur Grundversorgung wie fließendes Wasser, funktionierende Abwassersysteme oder sauberes Trinkwasser.  

Alexadriths Geschichte gleicht derer vieler junger Frauen: sie verschwinden eines Tages spurlos und tauchen nie wieder auf. Die Familie der 15-jährigen organisierte Demonstrationen, um das mediale Interesse auf sich zu ziehen und erstattete mit Unterstützung von Frauenbeauftragten der Stadt Anzeige. Abgesehen von den Demonstrationen, an denen einige Beamte der Stadt teilnahmen, ist jedoch wenig über die Bemühungen der Stadtverwaltung bekannt, diese junge Frau zu finden. Wenn nichts unternommen wird, ist sie bald eine der mehr als 100.000 vermissten Personen, darunter 9964 Kinder, die es bis 2020 laut des Committee on Enforced Disappearances (CED) gab.

Laut dem jüngsten UNICEF-Berichts aus dem Jahr 2018 leben schätzungsweise 35.000 Kinder in sexuellen Ausbeutungsverhältnissen. Den Vereinten Nationen zufolge werden in Kolumbien nur wenige Anstrengungen unternommen Vermisste zu finden, obwohl das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen 2007 unterzeichnet wurde.

Diese düsteren Tatsachen werden untermauert durch Aussagen von Kindern und Jugendlichen, die im Rotlichtmilieu von Bogotá lebten. Ihre Geschichten sind Zeugnis staatlichen Versagens: Häufig wurden sie bereits im Alter von 3 Monaten missbraucht. Viele verschwanden, nachdem sie von ihren Verwandten verkauft wurden, oder sie flohen im Jugendalter, um sexualisierter Gewalt und Misshandlung innerhalb der eigenen Gemeinde oder sogar der Familie zu entkommen. Anschließend wurden sie von Menschenhändlern gefangen genommen, die sie sexuell missbrauchten und sie zwangen, ihren Körper zu verkaufen. Von ihren Einnahmen bleibt kaum etwas für sie selbst übrig: sie mussten durchschnittlich so viel davon abgeben, wie kolumbianische Angestellte mit Mindestlohn normalerweise in zwei Tagen verdienen.

Den Aussagen sieben befragter Jugendlicher zufolge, brachten ihre Händler und Vergewaltiger (oft Familienmitglieder) ihnen bei, Drogen zu nehmen, um den täglichen Missbrauch zu ertragen.

Zusätzlich zu diesen Zeugenaussagen gibt es viele Kinder, die in Schutzhäusern leben und deren Herkunft völlig unbekannt ist. Sie sind weder gemeldet, noch kennt man den Aufenthaltsort ihrer Eltern. Viele dieser Kinder waren Teil eines Kinderhandelrings und von sexueller Ausbeutung betroffen, seit sie Babys waren.

In Ländern wie Kolumbien ist es wichtig, die Maßnahmen zur Suche nach den Vermissten zu überprüfen, und zwar über die bürokratischen Verfahren hinaus, die es bereits gibt. Es bleibt auf die baldige sichere Heimkehr von Alexandrith zu hoffen, die als lokales Symbol für staatliche Nachlässigkeit und Indolenz steht. Ihr Aufenthaltsort und ihre aktuelle Situation sind unbekannt, aber ihr Verschwinden wirft Fragen auf, denen sich die kolumbianische Regierung zwingend stellen muss.

Wir haben die Erlaubnis von Alexandriths Familie über ihr Verschwinden zu berichten

 Portrait des vermissten MädchensPortrait des vermissten Mädchens durch den Künstler Miguel Burgos (by Miguel Burgos)

Stand September 2021