V.l.n.r.: Shelly Kupferberg (Moderatorin des Abends), Sabine Constabel (Gründerin SISTERS e.V.), Inge Bell (Vorstandsfrau TERRE DES FEMMES e.V.), Leni Breymaier (MdB), Huschke Mau (Gründerin Netzwerk Ella). Foto: © Isabelle GrubertUnter diesem Motto fand die Veranstaltung von TERRE DES FEMMES am Freitag, den 25.05.2018 in Berlin statt.
Am Vorabend der jährlichen Mitfrauenversammlung von TERRE DES FEMMES e.V. findet traditionell ein öffentlicher Themenabend statt- dieses Jahr unter dem Titel „Für eine Welt ohne Prostitution“. Rund 220 Gäste kamen am 25. Mai 2018 in die Werkstadt der Kulturen, um die Podiumsdiskussion zu verfolgen und natürlich mit zu diskutieren.
Nach einer Begrüßung durch die TDF-Vorstandsvorsitzende Godula Kosack, folgte ein Vortrag von Huschke Mau, der Gründerin des Netzwerks Ella, einem Netzwerk von Aussteigerinnen aus der Prostitution.
Huschke Mau erklärte eindrücklich, warum Prostitution eben kein Job wie jeder andere ist und welche Auswirkungen die unterschiedlichen gesetzlichen Modelle für Frauen in der Prostitution haben: Prohibition, Legalisierung oder das von ihr geforderte abolitionistische Modell.
Laut Huschke Mau fördert die in Deutschland praktizierte Regularisierung nicht die gewollte Entstigmatisierung und macht Menschenhandelnetzwerke erst möglich. Sie spricht sich für das abolitionistische Modell aus, welches von vier Säulen getragen ist: Anerkennung von Prostitution als Gewalt gegen Frauen, Entkriminalisierung der Prostituierten, Ausstiegshilfen und die Freierbestrafung bzw. das Sexkaufverbot. Ihr Fazit ist, dass eine Gesellschaft, die Prostitution anerkennt, eine Gesellschaft ist, die Gewalt gegen Frauen anerkennt.
Die Podiumsdiskussion wurde von der Journalistin und Moderatorin Shelly Kupferberg moderiert. Die vier Podiumsgäste waren Huschke Mau, Sabine Constabel, die seit vielen Jahren als Sozialarbeiterin in Stuttgart arbeitet, die Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier, sowie die TDF-Vorstandsfrau Inge Bell.
„Warum hält sich das Bild der freiwilligen Prostituierten in Deutschland?“ war die Einstiegsfrage an diesem Abend. Inge Bell betonte die Rolle und Verantwortung der Medien. Sie merkte an, dass sich hier in den letzten Jahren durch Mythen-Aufdeckung und Aufklärungsarbeit eine positive Entwicklung zeigt.
Anschließend diskutierten die Frauen über Potential und Probleme des neuen Prostituiertenschutzgesetzes, welches im Juli 2017 in Kraft trat. Dabei kam es auf dem Podium zu unterschiedlichen Einschätzungen. Kritik kam von TDF-Seite, doch Sabine Constabel sprach sich positiv über die verpflichtende Gesundheitsberatung für die Frauen aus, da sie ihrer Einschätzung nach die nötige Aufklärungsarbeit für die meisten ausländischen Prostituierten bietet.
Unterschiedliche Meinungen auf dem Podium gab es auch zur Rolle der Polizei und inwiefern diese durch Kontrollen und Razzien eine Hilfestellung für Personen in der Prostitution bietet. Huschke Mau steht Razzien sehr kritisch gegenüber, während Leni Breymaier Razzien doch wichtig findet, um Prostitutionsbetriebe zu kontrollieren.
Wir diskutierten die Umsetzung des abolitionistischen Modells in anderen Ländern. Als Vorbild zeigt sich Schweden, wo durch langjährige Arbeit Ausstiegsprogramme aufgebaut wurden. Im Kontrast dazu stehen Länder, in denen Ausstiegsprogramme leider noch auf sich warten lassen. Ein Konsens auf dem Podium war, dass man das abolitionistische Modell nicht auf das Sexkaufverbot reduzieren darf. Ohne Ausstiegsprogramme und garantierte Entkriminalisierung der Prostituierten kann das Modell nicht funktionieren.
Was können Einzelpersonen tun, um das abolitionistische Modell auch in Deutschland voranzutreiben? Leni Breymaier betonte, wie wichtig es ist, das Thema in der Gesellschaft breit zu diskutieren und appellierte an alle, Koalitionen zu bilden.
Anschließend folgte eine lebendige Diskussion mit dem Publikum, bei der unter anderem diskutiert wurde, inwiefern die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens verhindern würde, dass Frauen aus finanzieller Not in die Prostitution gezwungen werden. Huschke Mau merkte dabei an, dass Hartz-IV eher ein Einstiegsgrund als ein Ausstiegsprogramm aus der Prostitution darstellt. Armut und finanzielle Not ist auch für Frauen aus Deutschland ein Grund für den unfreiwilligen Einstieg in die Prostitution.
Nach zweieinhalb Stunden voller interessanter Beiträge und lebhafter Diskussion klang der Abend mit einem Sektempfang und dem Markt der Möglichkeiten aus. Hier waren neben TERRE DES FEMMES acht weitere Organisationen vertreten, die zu den Themen Frauen- und Mädchenrechte, Frauenhandel und Prostitution aktiv sind: die Kaffeekooperative, Sisters e.V., das Café Neustart, SOLWODI Deutschland, die Feministische Partei DIE FRAUEN, Zeromachos, Equality Now und UNICEF.
Der Abend hat eindeutig gezeigt, wie wichtig es ist, in der Gesellschaft über Prostitution zu sprechen, aufzuklären und für ein gesetzliches Verbot von Prostitution und damit gegen Gewalt gegen Frauen zu kämpfen.
Hinter allem steht das Motto: Wir sind gegen Prostitution, aber für die Prostituierten!
TERRE DES FEMMES bedankt sich bei allen Beteiligten für diesen gelungenen Abend.
Stand 05/2018