Sexistische Werbung leider noch immer allgegenwärtig

Sexism shouldn't sellAuf dem Weg zur Arbeit, zur Universität oder einfach Zuhause am Laptop oder Handy, Werbung ist fester Bestandteil unseres Alltags und begegnet uns in den unterschiedlichsten Formen. Deshalb ist es besonders wichtig, sich mit den transportierten Werten, Rollenbildern und beeinflussenden, manchmal sogar manipulierenden Inhalten auseinanderzusetzen und Verantwortung dafür zu übernehmen, welche Idealbilder und Einstellungen in unserer Gesellschaft gefördert und unterstützt werden.

Der Berliner Senat hat eine wegweisende Entscheidung getroffen und setzt damit ein starkes Zeichen gegen frauenfeindliche und diskriminierende Werbung. In Berlin gilt seit 01.01.2019: „Sexistische oder gewaltverherrlichende Werbung ist verboten.“

Werbung wirkt

In Deutschland dringt die Wirkung von Werbung zunehmend ins Bewusstsein der BürgerInnen. Die BürgerInnen-Bewegungen gegen sexistische Werbung nehmen in vielen Bundesländern zu und der Deutsche Werberat, als aktuelle kontrollierende Instanz, wird mit steigenden Beschwerden zu diskriminierender und sexistischer Werbung konfrontiert. Bereits im ersten Halbjahr 2018 waren Beschwerden gegen Geschlechterdiskriminierung der Hauptbeschwerdegrund und umfassten 137 Fälle.

Dieser Bewusstseinswandel bewegte Regierungen in Städten wie München, Bremen, Leipzig, Flensburg und Frankfurt sexistische Werbung zu verbieten – jetzt auch Berlin.

Der Prozess in Bremen ist ein sehr gutes Beispiel. Bereits 2013 wurde mit Hilfe einer Petition der Beschluss gegen frauenfeindliche Werbung getroffen. Seit April 2017 ist sogar eine eigene Handhabung eingeführt worden, um sexistische Werbung von öffentlichen Flächen zu verbannen. Die ZGF (Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau) ist die offizielle Beschwerdestelle, bei der die BürgerInnen sexistische Werbung melden können. Sie prüft die Beschwerden anhand der Grundsätze des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung. Im Anschluss leitet die ZGF die Beschwerden mit Ihrer Einschätzung an die zuständige Fachbehörde (meistens die Baubehörde) zur finalen Beschlussfassung weiter. 

Doch neben den gesetzlichen Verboten, lassen sich auch andere wirkungsvolle Bewegungen und wichtige Ideen beobachten.

In Hessen findet man Informationen zu Beschwerdestellen vom Landesfrauenrat und einen Ratgeber zur Definition von sexistischer Werbung, der vom Magistrat der Universitätsstadt Marburg herausgegeben wurde.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde 2015 in Rostock auf der 23. Bundeskonferenz der kommunalen Frauen und Gleichstellungsbeauftragten ein bundesweites Verbot sexistischer Werbung beschlossen. Dieser Beschluss wurde als Forderung an die zuständigen Ministerien versandt.

Die Konferenz war begleitet von starker Unterstützung aus Niedersachsens. Die Hannoverschen Fachberatungsstellen bei Gewalt, Krisen und Notlagen für Frauen und Männer sowie der Frauenhäuser in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten der Region Hannover starteten die erfolgreiche Kampagne mit dem Titel „Uns reicht´s! Hannover gegen Sexismus in der Werbung“, welche viel Zustimmung fand.

In Kiel und Leipzig wird aktuell geprüft, ob ein Verbot sexistischer Werbung eingeführt werden soll.

TERRE DES FEMMES begrüßt dieses starke Engagement und weist mit Nachdruck auf die Präsenz und Wichtigkeit des Themas hin, denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Sexistische Werbung ist frauenfeindlich, sie ist frauenverachtend und wir müssen sie auf’s Schärfste verurteilen. Sexistische Werbung sollte bundesweit verboten sein. Die Stellung der Frau spiegelt das Demokratie- und Menschenrechtsbild unserer Gesellschaft wider. In Deutschland, eines der führenden Industrieländer der Welt, mit einem sehr hohen Bildungsniveau und Vorbildfunktion für viele andere Nationen, gibt es in dieser Hinsicht noch sehr viel zu tun.

Deutscher Werberat nicht neutral

Aktuell ist der Deutsche Werberat die Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft in Deutschland. Diese Institution prüft, ob ethische Grenzen überschritten werden und nimmt Beschwerden gegen sämtliche Formen der kommerziellen Kommunikation entgegen. Zur Prüfung inhaltlicher Gestaltungsgrenzen von Werbung hat er einen Leitfaden zum Werbekodex herausgegeben, der als Orientierungshilfe werbender Unternehmen und Agenturen dienen soll.

Der Deutsche Werberat ist immer noch der Hauptansprechpartner und die Kontrollinstanz beim Thema „sexistische Werbung“, auf den in vielen Bundesländern verwiesen wird.

TERRE DES FEMMES kritisiert seine Zusammensetzung und die fehlende Neutralität.

Das Entscheidungsgremium wird alle drei Jahre von seinem Träger, dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW gewählt und besteht aus 15 Mitgliedern, acht Männern und nur sieben Frauen. Sie stammen alle aus den Kernbereichen der Werbewirtschaft.

Der ZAW setzt sich aus Organisationen und Unternehmen zusammen, die in Bereichen Medien und Werbung, Werbende Wirtschaft, sowie Kommunikations- und Mediaagenturen tätig sind.

Es erscheint vielen, die erfolglos Beschwerde beim Deutschen Werberat eingereicht haben, dass dieser vielmehr wirtschaftlichen Interessen Vorrang gewährt, statt sexistischer Werbung nachhaltig Einhalt zu gebieten. Eine öffentliche Rüge wird nur in Ausnahmefällen erteilt wird.

Im Deutschen Werberat sind weder Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte noch FachexpertInnen aus den Zivilgesellschaften vertreten.

Keine transparenten Entscheidungen

Statistik Beschwerdebilanz 2012-2016Statistik Beschwerdebilanz 2012-2016. Quelle: Deutscher WerberatMehr als ärgerlich ist auch, dass keine erkennbare Stringenz bei den Entscheidungen des Werberat nachvollziehbar ist. So stuft er manche Werbungen als sexistisch ein, überaus ähnlich gestaltete Werbeanzeigen rügt er jedoch nicht. Ein gutes Beispiel hat Pinkstinks angeführt: die Werbung des Radiosenders „Radio Eins“ unter der Überschrift „Mehr muss man nicht anhaben! Die meisten 80er und die Hits von heute.“, sichtbar eine nur mit einem BH bekleideter Oberkörper einer Frau, deren obere Kopfhälfte fehlt, erhielt eine Rüge. Dagegen erhielt der Senders „BOB! Rock´n Pop“ keine Rüge. Auf der Anzeige ist eine sich bückende Frau von hinten zu sehen, im Zentrum der Blick auf eine leicht durchsichtige Leggins am Po mit der Aussage „Ohne Rock geht gar nicht!“.

Zu dieser Beobachtung passt auch die veröffentlichte Beschwerdebilanz des Deutschen Werberates. Sie zeigt die Entwicklung der Beschwerden von 2012 bis 2016 und macht sichtbar, dass die eingereichte Anzahl der Beschwerden deutlich gestiegen ist, hingegen der Anteil der Rügen nur geringfügig ansteigt.

Bei den ausgesprochenen Rügen kommt hinzu, dass die Unternehmen zu keiner Handlung verpflichtet sind, die gerügte Werbung aus dem Verkehr zu ziehen. Dem Werberat steht lediglich die Befugnis zu, auf die kritisierten Inhalte hinzuweisen, nicht jedoch Sanktionen einzuleiten. Vereinbarungen eine Werbung sofort zu stoppen oder zukünftig nicht mehr zu verwenden basieren auf rein freiwilliger Entscheidung des Unternehmens.

Eindeutig sexistisch - aber ungerügt

Als Richtlinie des Werberates scheint sich herauszukristallisieren, dass überwiegend Abbildungen gerügt werden, in denen Frauen mit Waren oder Gegenständen gleichgesetzt werden, sowie Abbildungen, die sich nur auf das Gesäß von hinten fokussieren. Häufig werden auch Kombinationen aus Text und Bild gerügt.

Anzeige für das Parfüm OpiumAnzeige für das Parfüm OpiumHingegen umstritten und vom Deutschen Werberat genehmigt war die Werbung von Yves Saint Laurent für das beworbene Parfüm „Opium“. Spiegel online berichtet, dass Proteste und Gegenbewegungen zu einem Verbot dieser Werbung in Großbritannien führten. Die eingehenden Beschwerden beim Deutschen Werberat wurden jedoch abgelehnt. Die Werbung würde nicht Verfügbarkeit suggerieren und die Frau zum Objekt deklarieren, sondern eine Form der künstlerischen Abbildung sein.

 

 

 

 

 

Anzeige/Video der Firma sixtAnzeige/Video der Firma sixtAuch die Frühjahreskampagne von Sixt aus dem Jahr 2016 mit dem Titel „Frühlingsgefühle“ hat keine öffentliche Rüge erhalten, sondern wurde als „sexy“ und „selbstbestimmt“ eingestuft.

Quelle: http://marketing-mit-haltung.de

Für TERRE DES FEMMES unterstreichen diese und viele andere Fälle, dass der Deutsche Werberat als Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft seiner Aufgabe ungenügend nachkommt und die Meinung der Gesellschaft nicht adäquat repräsentiert.

Unterstützen Sie uns dabei, dass sexistische und diskriminierende Werbung aus dem Straßenbild und unserer Lebenswelt in Deutschland verschwindet, wir sie ächten und uns mehrheitlich gegen sie zur Wehr setzen.

Werden Sie aktiv:

  1. Reichen Sie für jede frauenfeindliche und diskriminierende Werbung beim Deutschen Werberat ihre Beschwerde ein.
  2. Beschweren Sie sich auch parallel bei den Unternehmen direkt.
  3. Reichen Sie ihre gesehenen fragwürdigen und frauenverachtenden Werbemotive bei uns für den „Zornigen Kaktus“ und bei „Werbemelder.in“ von Pinkstinks ein.

 

Bundesland Gesetzliche Situation sexistischer Werbung Beschwerdestellen
Baden-Württemberg

Das Serviceportal Baden-Württemberg erläutert, dass Werbebotschaften nicht „beleidigend oder rufschädigend“ sein dürfen.

Kein gesetzliches Verbot auffindbar.

Deutscher Werberat

Verweis auf das UWG Gesetz

Bayern der Münchener Stadtrat hat sich einstimmig entschieden, sexistische Plakate oder Spots auf städtischen Werbeflächen zu verbieten (Beschluss: 10.10.2018) Deutscher Werberat
Berlin

Ab 01.01.2019 gelten einheitliche Vorgaben zur Ausgestaltung von freistehenden Werbeanlagen

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin bietet Informationen und Downloads „zur Umsetzung von Maßnahmen gegen sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Werbung im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg“

Deutscher Werberat

 

 

Brandenburg

2015 wurde vom ASF-Landesvorstand Brandenburg der Antrag an die Landesregierung Brandenburg gestellt, das UWG um einige Normen zu erweitern, um sexistische Werbung unter dem Aspekt „Diskriminierende Werbung“ zu verbieten.

Der Landesvorstand der SPD Brandenburg hat sich in seiner Sitzung am 16. April 2016 mit dem Antrag des ASF-Landesvorstands der SPD Brandenburg beschäftigt. Auf Beschluss des Landesvorstands der SPD Brandenburg wurde der Antrag angenommen

Potsdam:

„Keine sexistische oder diskriminierende Werbung auf öffentlichen Flächen der Landeshauptstadt Potsdam“ wurde auf der Stadtverordnetenversammlung vom 27. Juni 2018 thematisiert

Deutscher Werberat

Verweis auf das UWG Gesetz

 

 

Potsdam diskutiert eine Kontaktstelle für Beschwerden einzurichten

 

Bremen

Die Bürgerschaft beschloss 2013, gegen sexistische und diskriminierende Werbung vorzugehen.“

-> Beschluss: Nr. 18/895

In Bremen gibt es seit April 2017 eine eigene Handhabe, um sexistische Werbung von öffentlichen Flächen des Landes und der Stadt Bremen zu verbannen. Auf Werbeträger in privater Hand haben Land und Stadt dagegen keinen Einfluss.

Der Bremer Senat hat hierfür ein Verfahren beschlossen. Grundlage sind die Grundsätze des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung

Zentrale Beschwerdestelle: Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF)

-> prüft den Sachverhalt und gibt ihre Einschätzung an die für die Fläche zuständige Fachbehörde weiter

Hamburg

Die Linke fordert ein Verbot sexistischer Werbeinhalte und stellt einen Antrag zum Verbot gegen „Diskriminierende frauenfeindliche und sexistische Werbung“ am 03.01.2018.

Auch das Bündnis 90/ Die Grünen fordern Maßnahmen gegen sexistische Werbung in Hamburg

Deutscher Werberat
Hessen

sexistische Werbung ist seit dem 01.01.2018 in Frankfurt verboten

 

 

Der Landes Frauen Rat in Hessen bietet eine PDF-Datei mit Beschwerdestellen gegen sexistische oder diskriminierende Werbung.

Vom Magistrat der Universitätsstadt Marburg herausgegebener Ratgeber zur Definition sexistischer Werbung und Erklärung zur Beschwerdeeinreichung

Mecklenburg-Vorpommern Bei der 23. Bundeskonferenz der kommunalen Frauen und Gleichstellungsbeauftragten in Warnemünde wurde ein Beschluss für ein Bundesweites Verbot von sexistischer, diskriminierender und frauenfeindlichen Werbung an öffentlichen Plätzen getroffen Deutscher Werberat
Niedersachsen

Niedersachsen fordert die Bundesregierung auf, Kommunen aktiv zu unterstützen, wenn sie im öffentlichen Raum aktiv gegen sexistische Werbung vorgehen.

Die Gleichstellungsbeauftragte der Region Hannover hat mit anderen Mitstreiterinnen die Kampagne „Uns reicht’s! Hannover gegen Sexismus in der Werbung“ ins Leben gerufen. Als nächster Schritt soll das Thema auf die politische Ebene getragen werden

Deutscher Werberat
Nordrhein-Westfalen kein Verbot gegen sexistische Werbung Deutscher Werberat
Rheinland-Pfalz kein gesetzliches Verbot Deutscher Werberat
Saarland kein Verbot gegen sexistische Werbung Deutscher Werberat
Sachsen

Beschluss der Ratsversammlung (RBV-1406 vom 22.11.2012)à Petition: „Schluss mit sexistischer Werbung". Votum: Einstimmig angenommen

Leipzig: Verbot sexistischer Werbung im Mai 2018 vom Stadtrat beschlossen. Verschiedene Ämter der Stadt Leipzig entwickelten gemeinsam mit dem Beirat für Gleichstellung von Frau und Mann einen Kriterienkatalog zu sexistischer Werbung in Leipzig

Deutscher Werberat

Die Stadt Leipzig informiert über Kriterien zu sexistischer Werbung und was gegen sexistische Werbung getan werden kann

Sachsen-Anhalt kein Verbot sexistischer Werbung Deutscher Werberat
Schleswig-Holstein

Flensburg: Beschluss eines Verbots sexistischer Werbung mit großer Mehrheit (26.03.2019). CDU stimmte dagegen.

Lübeck: Antrag für ein Verbot sexistischer Werbung in der KW 12 vorerst gescheitert

Künftig soll in Flensburg eine Arbeitsgruppe die Einhaltung dieser Kriterien überwachen. Diese soll aus Mitgliedern des Gleichstellungsausschusses, Gleichstellungsbüros und Arbeitskreises Vielfalt bestehen.
Thüringen

13 Juni 2017 wurde auf der 27. Gleichstellungsministerkonferenz (GFMK) entschieden die Bundesregierung aufzufordern, geeignete Maßnahmen gegen sexistische Werbung zu entwickeln und Möglichkeiten und Grenzen einer gesetzlichen Regulierung zu prüfen

Mitwirkung auch bei der 28. GFMK

Deutscher Werberat

Stand: 04/2019