Berlin, 16.01.2013. In Deutschland ist fast jede achte Frau von sexueller Gewalt betroffen. Der Täter ist dabei in der Regel kein Unbekannter: Bei fast zwei Drittel der angezeigten Vergewaltigungen ist der Täter ein Verwandter, der Partner oder ein guter Bekannter der Betroffenen. „Nur die wenigsten Frauen erstatten überhaupt Anzeige, wenn sie von ihrem Freund oder Mann vergewaltigt wurden. Die Dunkelziffer bei Beziehungstaten ist extrem hoch“, berichtet Irmingard Schewe-Gerigk, Vorsitzende von TERRE DES FEMMES. Laut Familienministerium erstatten lediglich acht Prozent der Frauen Anzeige, die körperliche oder sexuelle Gewalt in ihrer Paarbeziehung erlebt haben.
Anzeige bei einer Vergewaltigung in der Ehe zu erstatten, ist erst seit 1997 in Deutschland möglich. „Seitdem macht das Gesetz deutlich, dass auch in der Ehe die Frau nicht Eigentum des Mannes ist. Nein heißt Nein – egal ob mit Trauschein oder ohne!“, betont Schewe-Gerigk, die als damalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen maßgeblich an der Reformierung des Gesetzes beteiligt war.
Das Anzeigeverhalten von Betroffenen hat sich nach Reformierung des Paragraphen 177 im Jahre 1997 nur leicht verändert: Um etwa 15 Prozent ist die Anzahl der Anzeigen seitdem gestiegen. „Ob die Zunahme der Anzeigen in den letzten Jahren auf die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe zurückzuführen ist, darüber lässt sich nur spekulieren“ erklärt Schewe-Gerigk. In der Polizeistatistik wird erst seit 2011 die sogenannte Täter-Opfer-Beziehung ausgewiesen. Sie zeigt, dass bei knapp 30 Prozent der Vergewaltigungen der Täter ein Verwandter oder der Partner war.
Mit knapp 8.000 Anzeigen jährlich liegt Deutschland bei der Anzeigebereitschaft im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld. Die Gründe für die niedrige Anzeigebereitschaft sind vielfältig. So geben sich viele Frauen eine Mitschuld oder schämen sich für die Tat. TERRE DES FEMMES fordert mehr Aufklärungsarbeit, um das Unrechtbewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen und mehr Unterstützung für die Betroffenen, damit sie den Mut aufbringen, Anzeige zu erstatten – auch wenn der Täter der Ehemann war.
Für Nachfragen und Interviews stehen wir gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an TERRE DES FEMMES, Birte Rohles, Referentin zu Häuslicher Gewalt, Tel. 030/ 40504699-0 oder per Mail an presse@frauenrechte.de