"Mit der Erklärung und dem Aktionsprogramm von Wien wurde das bedeutendste übergreifende Menschenrechtsdokument der letzten 25 Jahre hervorgebracht."
Navi Pillay, Genf, 25. Februar 2013
1993 hat in Wien die Weltkonferenz über Menschenrechte stattgefunden. Anlässlich des 20. Jahrestages dieser Wiener Weltmenschenrechtskonferenz veranstaltete das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Forum Menschenrechte am 15./16. April 2013 in Berlin eine Jubiläumskonferenz, um eine erneute Bewusstwerdung der damals formulierten und noch nicht erreichten Ziele zu untersuchen aber auch um rückblickend ein Resümee zu ziehen. Die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz von 1993 war die zweite von den Vereinten Nationen veranstaltete internationale Konferenz über Menschenrechte. Es nahmen 171 Staaten sowie 813 Nichtregierungsorganisationen teil. Wichtigstes Ergebnis dieser Konferenz war die Erklärung und das Aktionsprogramm von Wien, in deren Folge bei der 48. UN-Generalversammlung am 20. Dezember 1993 mit der Resolution 48/141 das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte eingerichtet wurde. In den Dokumenten, die im Zuge der Konferenz in Wien 1993 entstanden sind, wurden die Unteilbarkeit und die Universalität der Menschenrechte bekräftigt, sowie spezifisch proklamiert dass Frauenrechte Menschenrechte sind. Darüber hinaus wurden erstmals auch die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Blick genommen.
Die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz forderte zudem alle Staaten auf, zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte im eigenen Land unabhängige nationale Menschenrechtsinstitutionen einzurichten. In Deutschland wurde auf einen einstimmigen Beschluss des Bundestags hin 2001 das Deutsche Institut für Menschenrechte gegründet, das zusammen mit dem Forum Menschenrechte der Veranstalter der diesjährigen Tagung in Berlin war. Der entscheidende Impuls zur Gründung des Instituts ging vom Forum Menschenrechte aus, einem Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen, das sich 1994 auch im Gefolge der Wiener Konferenz gegründet hatte.
Die Konferenz wurde eröffnet von Bacre Ndiaye (Direktor Menschenrechtsrat und Sondermechanismen im Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in Genf), der ausdrücklich dem am 27. Februar 2013 verstorbenen Stéphane Hessel für sein Engagement für Menschenrechte dankte. Insgesamt war die Veranstaltung in vier Panels aufgeteilt, welche jeweils versch. Schwerpunkte der Arbeitsgruppen des Forums Menschenrechte zum Inhalt hatten:
- 1. Panel "Soziale Menschenrechte - unabdingbar für die Menschenwürde"
- 2. Panel "Auftrag nicht angenommen - Der Einsatz gegen Rassismus seit Wien"
- 3. Panel "Flüchtlingsschutz ist Menschenrechtsschutz"
- 4. Panel "Frauenrechte sind Menschenrechte: Die besondere Rolle von Frauen in Kriegs- und Krisengebieten"
Darüber hinaus wurde eine ‚Politikrunde' abgehalten, in der Vertreter aus den Parteien CDU, FDP, SPD und den Bündnis90/Die Grünen die Möglichkeit hatten, Positionen zum Thema Menschenrechte im jeweiligen Parteiprogramm vorzustellen. Die Runde diskutierte im Kontext der Frage: "Menschenrechte als Leitprinzip der Politik?" und wurde von Dr. Frank Capellan vom Hauptstadtstudio Deutschlandradio moderiert. Dabei ist negativ zu verzeichnen, dass es zu keinerlei Diskussion mit dem Publikum zu den Stellungnahmen der Politiker kam.
Die Diskussion ging ein wenig am Thema vorbei und richtete sich vor allem auf die deutsche Einwanderungs- und Asylpolitik, aber auch um den Kampf gegen Rassismus. Patrick Döring (FDP) erwähnte, dass die jetzige Regierung angeblich so viel Geld wie keine Regierung zuvor für Programme gegen Rechts ausgebe und Hermann Gröhe (CDU) verteidigte in diesem Zusammenhang die Extremismusklausel, die von Christoph Strässer (SPD) als absurd bezeichnet wurde. Herr Strässer gab zu, dass seine Partei bei der Zustimmung zum Asylkompromiss damals einen Fehler gemacht hat und forderte eine stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung, eine problemlose Familienzusammenführung und eine Reformierung von Dublin II. Auch Tom Koenings (Grüne) kritisierte das Dublin-II-Verfahren und machte deutlich, dass seine Partei das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen will. Er erhielt für eine Teilaspekt seiner Forderung, der erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt, unerwartete Unterstützung von Herrn Döring. Es bleibt jedoch spannend, was im Zuge der Bundestagswahlen von den einzelnen Forderungen und Verbesserungsvorschlägen in die Wahlprogramme der einzelnen Parteien aufgenommen wird.
In einem Abschlussgespräch mit Gerhart Baum (Bundesminister a.D., Leiter der deutschen Delegation zur Weltmenschenrechtskonferenz in Wien 1993) und Prof. Dr. Beate Rudolf (Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte) wurden die ‚Errungenschaften' der Weltmenschenrechtskonferenz von Wien 1993 sowie ‚Zukunftsvisionen' bezüglich der Manifestation von Menschenrechten national und international diskutiert. Als ‚Errungenschaften' wurden unter anderem benannt, dass von allen Staaten, auch von den Nicht-Westlichen Staaten, die Menschenrechte bestätigt worden sind. Seit Wien spielen NGOs eine viel wichtigere Rolle im UN-System und es wurde ein erheblicher Fortschritt im Bereich Frauenrechte erreicht. Es gilt jedoch aufmerksam zu sein und nicht hinter das Erreichte zurückzufallen, wie sich dieses Jahr auf der UN-Frauenrechtskonferenz gezeigt hat. Zudem wurde angemerkt, dass es weiterhin, und noch mehr als zuvor, wichtig sei die Interdependenz der Menschenrechte wahrzunehmen.
Zusammenfassend wurde nochmals betont, dass die Menschenwürde ein Allgemeingut der Menschheit ist und dass es diese weiterhin zu schützen gilt. In diesem Umfeld wurde die Frage nach einer erneuten zukünftigen Konferenz im Zuge von Wien +20 aufgeworfen und positiv beantwortet, da es immer wieder wichtig ist Bewusstsein neu zu erschaffen. Dieser Aufgabe war die Konferenz im April 2013 in Berlin ebenso verpflichtet wie einer Bestandsaufnahme und das Diskutieren von Zukunftsperspektiven.
Eine ausführliche Tagungsdokumentation finden Sie auf www.wienplus20.de