Frauen, die kein Alter kennen.
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2019. 135 Seiten, 29,95 €
Übers „Altern“ wird in unserer Gesellschaft nicht so gern gesprochen. Besonders Frauen im höheren Lebensalter werden eher selten als aktive, voll im Leben stehende Personen wahrgenommen. Oft werden sie gar übersehen. Dem setzt die Literaturwissenschaftlerin und freie Autorin Nicole Andries ein Bildband mit Portraits von 15 Frauen entgegen. 15 Biographien, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Sie alle eint das Motto: „Wir wollen es nochmal wissen!“ Fortschreitendes Alter oder der Rentenbeginn konnten diese Frauen nicht vom Schritt ins Neue abhalten.
Da ist Heidi Schumacher, früher Fernsehjournalistin, die heute mit über 70 Jahren begeistert Tango unterrichtet. Da ist Christine Telger, die spät ihre Leidenschaft für das Modeln entdeckt; oder die frühere Mathematikerin Gisela-Elisabeth Winkler, heute Unternehmerin. Auch bekannte Frauen, wie die Liedermacherin Bettina Wegner oder die SPD-Politikerin Renate Schmidt kommen zu Wort.
Frauen finden, so Andries, mit zunehmendem Alter in der Gesellschaft oft zu wenig Beachtung. In Film und Fernsehen beobachtet sie häufig eine Dominanz männlicher Schauspieler, die den erfolgreichen, weisen, alten Mann darstellten. Wohingegen Frauen, wenn überhaupt, oft als Großmutter oder komische, rebellische Alte auftreten würden.
Frauen haben auch bei der Rente das Nachsehen: Teilzeitarbeit oder Kinderbetreuungszeiten wirken sich negativ auf ihr Einkommen aus.
Dass Frauen häufig Familie und Beruf unter eine Hut bringen müssen, birgt aus Sicht Andries‘ auch seine Vorteile: Auch im Alter können diese Frauen flexibler handeln. Anders als viele Männer, wagen sie es, sich umzuorientieren. Um uns diese Frauen auch im wahrsten Sinne vor Augen zu führen, hat die Autorin den Fotografen Felix Broede mit ins Boot geholt. Der zoomt die Gesichter der Frauen in den Vordergrund, zeigt sie aber auch in intimen Augenblicken oder in ihrem „Wirkungsbereich“.
Diese Fotos bebildern die Interviews, die die Autorin mit den Protagonistinnen führt, verleihen ihnen Anschaulichkeit und bringen uns die Frauen näher.
Hervorgehobene Zitate geben Aufschluss über Lebensgefühl und Lebensmotivation der Einzelnen. „Mit Ruhestand kann ich nichts anfangen. Warum soll ich stehen bleiben? Warum soll ich Ruhen? Ich bin nicht müde. Der Motor läuft.“, äußert sich Wera Bunge, die 74-jährige Grand Dame einer hippen Bar in Berlin. Ihr Portrait schaut uns auf dem Cover des Buches entgegen.
Besprechung: Miriam Jäger