• 07.03.2024

Antifeminismus und Rechtsextremismus in Deutschland und Europa

Demo gegen Rechts Februar 2024 vor dem Bundestag, Schild Gegen Hass

Die schockierenden Enthüllungen der Correctiv-Recherche über rechtsextreme menschenfeindliche Machenschaften haben einen breiten, ernsthaften und zugleich energischen Protest hervorgerufen. Seit Wochen geht die vermeintliche "schweigende" Mehrheit laut und deutlich für Demokratie und Vielfalt auf die Straßen. TERRE DES FEMMES hat sich dem Bündnis "Wir sind die Brandmauer" angeschlossen und war in Berlin, München, Konstanz und an vielen anderen Orten auf der Straße: "Gegen rechts - für Frauenrechte!"

In den letzten Jahren hat sich der Einfluss des Rechtspopulismus und -extremismus in Deutschland und anderen europäischen Ländern verstärkt, begleitet von einer zunehmenden Ablehnung feministischer Ideen und Errungenschaften. Dieser Trend hat nicht nur politische, sondern auch soziale Auswirkungen, insbesondere für Frauen.

Der Antifeminismus begleitet den Feminismus seit dessen Anfängen. Seit Frauen für ihre Gleichberechtigung eintreten, gibt es jene, die sich diesen Forderungen widersetzen. Der heutige Antifeminismus leugnet nicht grundsätzlich die Gleichwertigkeit der Geschlechter. Doch er bekämpft entschieden die Kritik und die Infragestellung stereotypischer „traditioneller“ Rollenbilder. Insbesondere wird die Rolle der Frau in der Kindererziehung, im Haushalt und in der Fürsorgearbeit betont, während dem Mann eher die Sphäre der Erwerbstätigkeit und dem öffentlichen Raum zugeordnet wird.

Solche Werte finden sich auch in den Positionen rechtspopulistischer Bewegungen wieder, wie in der Alternative für Deutschland (AfD). Sie verankert nicht nur nationalistische Ideen, sondern propagiert ein rückständiges Frauenbild, in dem die Frau, die Rolle der „gebärenden Mutter“ einnehmen soll und ein traditionelles Familienbild mit einer Vater-Mutter-Kind Konstellation als Leitbild dient.[1]

Die AfD mag in manchen Forderungen scheinbar feministische Töne anschlagen, insbesondere wenn es um die „blonde deutsche Frau“ geht. Dabei gibt sich die Partei auch gerne als VerteidigerInnen der Frauenrechte aus und behauptet, diese vor vermeintlich frauenfeindlichen (muslimischen) Migranten schützen zu wollen.[2] Jedoch wird oft geschwiegen oder als irrelevant abgetan, wenn es darum geht, häusliche und sexualisierte Gewalt von Tätern aus der eigenen ethnischen Gruppe anzusprechen, stattdessen wird immer wieder auf den sogenannten „Gender-Gaga“ hingewiesen.[3] Es geht der AfD darum, ein kulturelles homogenes Staatsvolk zu erhalten, was eine Werbung einer schwangeren blonden Frau mit der Aufschrift „Neue Deutsche? – Machen wir selber.“ verdeutlicht.[4] Dabei soll die Frau möglichst viele Kinder bekomme, diese zuhause erziehen und dafür weniger arbeiten gehen. Zu sehen auf Social Media Plattformen des AfD- Landesverbandes Nordrhein-Westfahlen mit Zitaten wie „Der ideale Betreuungsplatz für ein Kleinkind ist auf Mamas Schoß“ (Mieruch 2014).[5]

Die rückwärtsgewandete Haltung der AfD zeigt sich auch in ihrer Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen[6], was eine schwerwiegende Einschränkung der Selbstbestimmung von Frauen über ihren eigenen Körper darstellt. Ebenso lehnt sie moderne Bestrebungen zur Gleichstellung, wie die Frauenquote[7] und die Position der Gleichstellungsbeauftragten[8] ab, was ihr politisches Programm zu einer ernsthaften Bedrohung für unsere offene und gleichberechtigte Gesellschaft macht. Politiker, wie der AfD Spitzenkandidat für die diesjährigen Europawahlen, Maximilian Krah, verdeutlichen diese Haltung mit Aussagen wie: „Feminismus heute ist Krebs.“[9]

Alice Weidel, eine der bekanntesten Gesichter der Partei, stellt ein paradoxes Beispiel dar. Als Vorsitzende lebt sie offen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit einer Frau, mit der sie zwei Söhne hat. Diese Lebensweise steht im klaren Kontrast zu den Grundsätzen ihrer Partei. Um von ihrer eigenen Lebensrealität abzulenken nutz die Spitzenkandidatin häufig eine Verknüpfung rassistischer und islamfeindlicher Haltungen, um LGBT-Themen im gleichen Zuge aus dem Fokus zu rücken. Dies sieht man beispielsweise an ihren Äußerungen zu der Ehe für Alle. Diese wurde von Weidel nicht nur als unwichtig abgetan, vielmehr konzentrierte sie sich dabei auf das angebliche „äußere Feindbild des Islams“, wodurch die Gleichstellung der Geschlechter bedroht werden würde.[10]

Die Situation in Deutschland steht nicht isoliert, sondern ist Teil eines Trends in Europa. In Ländern wie beispielsweise Frankreich, Italien, Ungarn und den Niederlanden gibt es ebenfalls rechtspopulistische Bewegungen, die antifeministische Ansichten propagieren. In Ungarn regiert Viktor Orbán mit seiner rechtspopulistischen Partei Fidesz, welche eine konservative Familien- und eine Anti-Migrationspolitik verfolgen. Der „Schutz der ungarischen Familie“ lautet der Propaganda-Slogan. Immigration wird strikt abgelehnt und sogenannte „Familienschutzgesetze“ setzten pädophile mit homosexuellen Menschen gleich.[11] Auch in den Niederlanden wurden bei den Parlamentswahlen im November 2023 die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV), zu deutsch, Partei für die Freiheit, stärkste Kraft. Geert Wilders tobt in seinen Reden gegen den Islam, Migranten, Klimaschutz und Europa.[12]

Dabei spielen in vielen rechten Bewegungen und rechtspopulistischen Parteien Frauen eine besondere Rolle. Marine Le Pen, die Tochter des Gründers des Rassemblement National, Jean-Marie Le Pen, hat das Image der Partei modernisiert und sie zu einer ernsthaften politischen Kraft in Frankreich gemacht. Sie verlor zwar die Präsidentschaftswahl 2017, prägt jedoch weiterhin den öffentlichen Diskurs über Migrationspolitik. In ihrem Wahlprogramm stellte sie 144 Maßnahmen vor, davon zwar keine eindeutig antifeministische, jedoch gibt es keinen Abschnitt, der sich mit der Gleichstellung der Geschlechter befasst. Im ersten Teil ihres Programms wird zwar die “Verteidigung der Rechte der Frau” thematisiert. Es heißt: “Kampf gegen den Islamismus, der ihre Grundfreiheiten untergräbt; Erstellung eines nationalen Plans für Lohngleichheit und Bekämpfung von prekären Arbeitsverhältnissen und sozialer Unsicherheit.“[13]

Italien hat mit Giorgia Meloni als Ministerpräsidentin und Führerin der Fratelli d'Italia ebenfalls eine Frau an der rechten Parteispitze. Ihre Partei koaliert mit den weit rechtsstehenden Parteien Forza Italia und Lega. Die Postfaschistin bedient sich immer wieder an dem „Narrativ der Mutter und der Christin“[14] und setzt sich für eine Politik ein, die traditionelle Werte zu bewahren versucht.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass immer mehr Frauen als Gesichter rechtsextremer Parteien auftreten. Dies kann als strategische Außendarstellung gedeutet werden. Durch die Platzierung von Frauen an der Spitze der Partei entsteht der Eindruck, dass eine inklusive Politik betrieben. Durch eine Frau an der Spitze, die gewisse Forderungen durch ihre weibliche Lebensrealität besser verkörpern könne als Männer, sollen weibliche Wählerinnen angesprochen werden.[15] In Wahrheit werden allerdings vor allem geschlechterpolitische Themen instrumentalisiert, in dem sich die rechtspopulistischen Akteure als Schutzmacht für Frauen und Kinder gegen das Feindbild „übergriffiger Fremder“ darstellen. Es geht also in erster Linie um die Sorge des radikalen Islamismus, vor dem Frauen geschützt werden sollten, und nicht um die Sorge der Gleichberechtigung.[16]

Der wachsende Einfluss des Rechtspopulismus und die verbundene Ablehnung feministischer Ideen stellen eine ernsthafte Bedrohung für den Feminismus dar. Diese Bewegungen haben die politische Debatte in vielen Ländern verschoben und tragen dazu bei, antifeministische Ansichten zu normalisieren. Dies kann dazu führen, dass die Errungenschaften der Frauenbewegung, wie das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung in Frage gestellt werden, wie man am Beispiel der USA sehen kann.[17] Weitere Errungenschaften, wie die Frauenquote oder die Stellen von Gleichstellungsbeauftragten in Institutionen können durch politische Maßnahmen blockiert oder rückgängig gemacht werden.

Angesichts der wachsenden Bedrohung durch Antifeminismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, fordert TERRE DES FEMMES, dass die Regierung entschlossene Maßnahmen ergreift, um diesen gefährlichen Ideologien entgegenzuwirken:

  • Bekämpfung antifeministischer und rechtsextremistischer Propaganda;
  • Klarer und unmissverständlicher Aufruf der Bundesregierung zu Gleichberechtigung und Demokratie;
  • Einstellung jeglicher finanziellen Unterstützung für politische Parteien, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall oder als gesichert extremistisch eingestuft werden;
  • Unterstützung und Förderung von Kampagnen, Projekten und Zivilorganisationen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit, Gleichberechtigung und Demokratie einsetzen;
  • Besserer Schutz der Verfassungsgerichte vor einem möglichen Einfluss verfassungsfeindlicher Parteien;
  • Verankerung wichtiger Rechte für Mädchen und Frauen im Grundgesetz, wie das Recht auf Abtreibung;
  • uneingeschränkte Anerkennung geschlechtsspezifischer Gewalt als Fluchtgrund.

Die Demonstrationen der letzten Wochen haben gezeigt, dass viele Bürgerinnen und Bürger für unsere demokratischen Werte eintreten, sich gegen jegliche Form von Diskriminierung stellen und dafür auf die Straße gehen. Das ist wichtig, aber es reicht allein nicht aus! Jetzt ist die Politik aufgefordert zu handeln, damit wir gemeinsam unsere Demokratie bewahren. Eine Demokratie, die die Menschen- und Grundrechte achtet, eine Demokratie in der Frauen gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei leben können.

Die bevorstehenden Europawahlen im Juni 2024 finden vor dem Hintergrund eines erstarkenden Antifeminismus und einer wachsenden Präsenz rechtspopulistischer Bewegungen in Europa statt. In dieser Zeit ist es von entscheidender Bedeutung, dass jede und jeder von uns wählen geht, um die Zukunft Europas aktiv mitzugestalten. Wir sind alle aufgerufen, unsere Stimme zu erheben und für eine gerechte und gleichberechtigte Gesellschaft einzutreten.

 

Quellen

 


[1] AfD Wahlprogramm 2021 S.109.

[2] Vgl. Schmollack, Simone: Der Fake-Feminismus der AfD.

[3] Tagesspiegel: Der Genderwahn der AfD (2021).

[4] Vgl. Schmollack, Simone: Der Fake-Feminismus der AfD.

[5] Gutsche, Elisa: Triumpf der Frauen?. Friedrich-Ebert-Stiftung (2018) S.28.

[6] Vgl. AfD Wahlprogramm 2021 S. 111.

[7] Ebd. S.115

[8] Ebd. S. 108 f.

[9] Krah, Maximilian: Kurznachricht X, vormals Twitter (2023)

[10] Vgl. Gutsche, Elisa: Triumpf der Frauen?. Friedrich-Ebert-Stiftung (2018) S.29 f.

[11] Vgl. Hilpert, Britta: Wie kann Orban das überstehen? (2024).

[12] Vgl. Frankfurter Rundschau: Das ist Geert Wilders: Kurzporträt eines Rechtspopulisten (2023).

[13] Vorschlag Nr. 9 des 144-Maßnahmen Plans; in: Gutsche, Elisa: Triumpf der Frauen?. Friedrich-Ebert-Stiftung (2018) S.53

[14] Deutschlandfunk: Rechtsaußen- Parteien gewinnen an Einfluss (2024)

[15] Stratmann, Lenja: Feminismus? Wieso Frauen in rechten Parteien eher an die Spitze gelangen

[16] Gutsche, Elisa: Triumpf der Frauen?. Friedrich-Ebert-Stiftung (2018) S.54.

[17] Bundeszentrale für politische Bildung: 50 Jahre „Rose vs. Wade“: Urteil zum US-Abtreibungsrecht (2023)

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