Dokumentationsstelle

Frauenrechte sind Menschenrechte

…lautete das Motto, unter dem Frauenrechtsorganisationen ihre Forderungen an die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz stellten, die im Juni 1993 von den Vereinten Nationen abgehalten wurde.

Menschenrechte gleich Frauenrechte?

Mit der Erklärung der Menschenrechte der UN im Jahr 1948 wurden die Rechte aller Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, formell gesichert. Allerdings entsprach dieser faktische Grundsatz noch nicht der Realität, da Frauen im historischen Kontext stets aus dem Begriff der Menschenrechte ausgeschlossen waren. Die UN-Menschenrechtskonferenz sollte ein Wendepunkt für die Gleichstellung der Frau sein und die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft für Frauenrechtsverletzungen stärken. i

TDF beim NGO-Forum

Die vierköpfige Delegation von TERRE DES FEMMES (TDF) reiste schon im Vorfeld der eigentlichen Konferenz nach Wien, um am zweitägigen NGO-Forum teilzunehmen, bei dem die Leistungen der UN-Menschenrechtsprogramme evaluiert werden sollten. Die fast 2000 teilnehmenden NGOs setzten sich in fünf Arbeitsgruppen mit jeweils verschiedenen Themen zu Menschenrechten auseinanderii, um anschließend Forderungen an die Regierungen zu formulieren.

Die TDF-Frauen arbeiteten in der Arbeitsgruppe „Frauenrechte und Menschenrechte“ mit und formulierten anschließend ein Schreiben, das notwendige Maßnahmen an die Regierungen zur Verwirklichung der bürgerlichen, politischen und sozialen Gleichstellung von Frauen zusammenfasste.

Eines der wesentlichen Anliegen der Arbeitsgruppe war die Einrichtung einer Sonderberichterstatterin über Frauenrechte durch die Menschenrechtskommission, die TDF in einem eigenen Schreibens an die bundesdeutsche Delegation ausdrücklich einklagte. In diesem Schreiben betonten sie außerdem, wie wichtig die Aufgabe der bundesdeutschen Regierungsdelegation sei, geschlechtsspezifische Situationen nicht zu verleugnen, indem Rechte von Frauen als das Problem einer Randgruppe marginalisiert werden, da sie schließlich die Hälfte der Bevölkerung betreffen würden. iii

Welttribunal über Menschenrechtsverletzungen von Frauen: “Frau erkenne Deine Rechte!“

Ute Koczy, für TDF in Wien mit dabei, wird im TDF-Rundbrief sehr bewegt über das „Internationale Tribunal zu weltweiten Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ schreiben. Es war eine der ausschlaggebenden Veranstaltungen der Konferenz, die maßgeblich zur Anerkennung von geschlechtsspezifischer Gewalt beitragen sollte: 25 Zeuginnen aus der ganzen Welt berichteten von Gewaltverbrechen, die ihnen zugefügt wurden. Gewaltverbrechen, die sie erlitten, weil sie Frauen waren. Ihre Aussagen vor dem symbolischen Tribunal ließen keinen der Anwesenden kalt.

So schilderte die koreanische Menschenrechtlerin Kim Bok-Dong, die an ihr begangenen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg, in dem sie von der japanischen Besatzung zwangsprostituiert wurde. Weitere Betroffene berichteten von Gewalterfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, von weiblicher Genitalverstümmelung innerhalb ihrer Communities und von Erfahrungen von häuslicher Gewalt in der Familie.
Die „Zeuginnen“ gaben weitere erschütternde Verletzungen ihrer körperlichen Integrität zu Protokoll, sprachen über sozioökonomischen Ungerechtigkeiten und über politische Verfolgung und Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechtes. iv

Bilanz der Konferenz

Die Eindrücklichkeit des Tribunals zog die Aufmerksamkeit der Delegierten der Regierungen auf sich und trug dazu bei, dass die Forderungen der Frauenrechtsorganisationen in einem überraschend hohen Maße ernst genommen wurden.
Vor allem die Anerkennung, dass viele Frauenrechtsverletzungen in der Privatsphäre der Familie stattfinden, lenkte erstmals den Fokus auf das Thema häusliche Gewalt. v
Außerdem wurde die Deklaration über das Verbot der Gewalt gegen Frauen durch die UN-Generalversammlung angenommen; ein Grundstein, für die im Oktober 2000 verabschiedete UN-Resolution 1325. Für die aktive Umsetzung dieser Resolution, die Frauen in Krisengebieten stärken soll, setzt sich TDF bis heute gemeinsam mit dem Deutschen Bündnis ein. vi
Bereits ein Jahr später wurde das Amt der Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen eingeführt, das bis heute besteht. vii
Zum Abschluss der Konferenz wurde die Universalität der Menschenrechte von allen 171 Regierungsdelegierten mit der folgenden Erklärung nochmals bekräftigt: „Die Menschenrechte von Frauen und Mädchen sind ein unveräußerlicher, integraler und untrennbarer Bestandteil der universellen Menschenrechte.“ viii
Ute Koczy beschreibt den Tag als einen Meilenstein und Wendepunkt in der Geschichte der Frauen, der nach dem Urteil der RichterInnen mit tosendem und anhaltendem Applaus endete. ix

Stand: Juli 2021

Quellen und weiterführende Literatur:

TERRE DES FEMMES-Rundbrief 3/1993

Arbeitsgruppe Frauenrechte Menschenrechte: Frauenrechte – Menschenrechte. Bestandsaufnahme nach der UN-Weltkonferenz über Menschenrechte im Juni 1993 in Wien. Wien, September 1993.

TERRE DES FEMMES: 20 Jahre TERRE DES FEMMES: Widerstand ist ein Geheimnis des Glücks. Tübingen, 2001.

i International verbriefte Frauenrechte.
www.frauenrechte.de/informationen/informationen2/frauenrechte-weltweit/501-international-verbriefte-frauenrechte

ii Die fünf Arbeitsgruppen: 1.) Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte; 2.) Einschätzung der Situation der Rechte von indigenen Völkern; 3.) Arbeitsgruppe Frauenrechte und Menschenrechte; 4.) Menschenrechte, Entwicklung und Demokratie mit besonderem Hinweis auf die Rolle der NGOs und der Verbindung der Arbeit zwischen dem Süden und dem Norden; 5.) Untersuchung der gegenwärtigen Trends von Menschenrechtsverletzungen durch Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und religiöse Intoleranz

iii Ute Koczy: Brief an die bundesdeutsche Delegation zur UN-Menschenrechtskonferenz. In: TERRE DES FEMMES-RUNDBRIEF 3/1993; Dokumentation

iv Ute Koczy: „Frau erkenn Deine Rechte!“ Internationales Tribunal zu weltweiten Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Wien, 15.6.1993. In: TERRE DES FEMMES-RUNDBRIEF 3/1993, Dokumentation

v Ute Koczy: „Frau erkenn Deine Rechte!“ Internationales Tribunal zu weltweiten Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Wien, 15.6.1993. In: TERRE DES FEMMES-RUNDBRIEF 3/1993, Dokumentation

vi TERRE DES FEMMES fordert Umsetzung der UN-Resolution 1325: aktiv im deutsches Bündnis. https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/frauenhandel/171-aktivitaeten/704-terre-des-femmes-fordert-umsetzung-der-un-resolution-1325-aktiv-im-deutsches-buendnis-

vii UNO-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen.
https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/frau-mann/dossier/gewalt-gegen-frauen/uno-sonderberichterstatterin-gewalt-frauen

viii Deutsches Institut für Menschenrechte: Menschenrechte von Frauen. https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/menschenrechte-von-frauen

ix Ute Koczy: „Frau erkenn Deine Rechte!“ Internationales Tribunal zu weltweiten Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Wien, 15.6.1993. In: TERRE DES FEMMES-RUNDBRIEF 3/1993, Dokumentation

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