Ein Schutzhaus für Mädchen

Ein Ergebnis der Aktivitäten von AIM ist, dass immer mehr Mädchen über die verheerenden Folgen der Genitalverstümmelung Bescheid wissen. Sie erfahren von ihren Rechten und der Möglichkeit, NEIN! zu sagen. Da sie aber gegen die Macht der lokalen Behörden, Autoritäten und Beschneiderinnen, sowie gegen den Druck ihrer Familien kaum etwas ausrichten können, bleibt vielen Mädchen nur die Flucht, um der Genitalverstümmelung zu entgehen. Die meisten dieser Mädchen wissen nicht wohin. Für sie hat AIM, mit der Unterstützung von TERRE DES FEMMES, ein Schutzhaus gebaut:

Das Schutzhaus liegt eineinhalb Kilometer von Lunsar entfernt. Es bietet bis zu 25 und häufig noch mehr Mädchen und jungen Frauen im Alter von acht bis 20 Jahren ein sicheres Zuhause. Sie suchen nicht nur Schutz vor einer drohenden Genitalver­stüm­melung, sondern häufig auch vor Zwangsver­heiratung, sexualisierter Gewalt oder Kinderarbeit.

Die Mädchen und jungen Frauen werden von einer Sozialarbeiterin betreut, von einer Köchin versorgt und in der Nacht von einem Wachmann beschützt. Auf dem Grundstück des Schutzhauses bauen die Mädchen mittlerweile Gemüse an, das der Selbstversorgung dient und manchmal kleinere Verkäufe auf dem Markt erlaubt. Mit der Fortsetzung von Schulbesuch, Ausbildung oder Studium schaffen sich die Mädchen eine Zukunftsperspektive. Das ist ganz entscheidend, weil die Drohung, nicht weiter für die obligatorischen Schulgebühren aufzukommen, von vielen Eltern als Druckmittel eingesetzt wird, um FGM durchzusetzen. Außerdem führte AIM Mediationsgespräche mit allen Familien. In mehreren Fällen wirkte die Überzeugungsarbeit: die Mädchen konnten sicher in ihre Familien zurückkehren.

In Gesprächen mit der Sozialarbeiterin des Schutzhauses setzen sich die Mädchen u.a. mit FGM, Zwangsverheiratung, reproduktiver Gesundheit und der Wichtigkeit von Bildung auseinander. Die individuelle Betreuung und Orientierungshilfe soll ihr Selbstwertgefühl stärken und ihnen ermöglichen, in Ruhe und Sicherheit ihr volles Potential zu entfalten. Das gemeinschaftliche Leben im Schutzhaus ist sehr vielfältig: in ihrer Freizeit organisieren die Mädchen kleine Geburtstagsfeiern, erzählen sich Geschichten, singen oder tanzen zusammen.

Durch eine Spendenaktion auf dem Online-Portal betterplace.org konnten das Schutzhaus 2018 renoviert, neu gestrichen und zusätzliche Stockbetten beschafft werden. AIM wird der großen Nachfrage nun noch besser gerecht.

Eine neue Perspektive für BeschneiderInnen

AIM möchte die Beschneiderinnen nicht durch öffentliche Bloßstellung und Stigmatisierung von der Genitalverstümmelung abbringen, sondern klärt sie über die gefährlichen und lebensbedrohlichen Folgen für die betroffenen Mädchen und Frauen während und nach dem Eingriff auf. Durch Bildungsmaßnahmen bietet AIM den ehemaligen Beschneiderinnen eine Einkommensalternative. Etliche Frauen nahmen zum Beispiel an einem sechsmonatigen Alphabetisierungs- und Landwirtschaftskundekurs teil, der von der örtlichen Berufsschule durchgeführt wurde. Während der Ebola-Epidemie wurden Beschneiderinnen als Multiplikatorinnen im Kampf gegen die Infektion ausgebildet und konnten wichtige Aufklärungsarbeit leisten, da sie in ihren Dorfgemeinschaften als Respektpersonen hohes Ansehen genießen.

© TDF/AIM

Bildung und Aufklärung für Kinder

AIM engagiert sich immer stärker in der politischen Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche, denn sie sind besonders von Menschenrechtsverletzungen betroffen und gleichzeitig die wichtigsten AkteurInnen des sozialen Wandels. So hat AIM ein Menschenrechtsseminar entwickelt, das mittlerweile an über 15 Schulen interaktiv gelehrt wird und SchülerInnen über Menschen- und Kinderrechte informiert.

AIM organisiert an allen beteiligten Schulen und an Jugendzentren im Distrikt Port Loko außerdem Menschenrechtsclubs, die dabei helfen sollen, SchülerInnen und die weitere Bevölkerung für das Thema Menschen- und Kinderrechte zu sensibilisieren. Weiterhin unterhält AIM selbst zwei Schulen in Rolal und Mamusa, an denen 20 LehrerInnen angestellt sind.

Zwischen 2017 und 2019 setzte AIM mit Unterstützung von Sternstunden und TERRE DES FEMMES ein Projekt zur Ausbildung von JugendbotschafterInnen gegen FGM im Distrikt Port Loko um. 74 SchülerInnen und 16 Begleitpersonen wurden über Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen aufgeklärt und unterstützt, für ein unversehrtes und selbstbestimmtes Leben von Mädchen in ihren Schulen bzw. Clubs und Gemeinden mobil zu machen. Für ihr Engagement erhalten sie das Schul- oder Ausbildungsgeld für ein Jahr oder einen Zuschuss zur Gründung eines Kleinunternehmens.

Notfallhilfe während der Ebola-Epidemie

Die Ebola-Epidemie, die 2014 in mehreren westafrikanischen Ländern ausbrach, versetzte auch Sierra Leone in einen absoluten Ausnahmezustand. AIM setzte sich mit Unterstützung von TERRE DES FEMMES für die Versorgung der Bevölkerung und gegen die Ausbreitung des Virus ein und involvierte dabei auch (ehemalige) Beschneiderinnen. Die Sensibilisierung zu Ebola wurde dabei von Anfang an mit Aufklärungskampagnen zu FGM verbunden. Die Schule in Rolal betreibt jetzt zudem ein Waisenhaus für 26 Kinder, die durch die Epidemie zu Waisen geworden sind.

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