• 24.01.2023

Notfallverhütung für alle!
Kostenlos, sicher und gleichberechtigt

Illustrations: Katrin Friedmann. https://helloclue.com/de/artikel/verhuetungsmittel/wann-wirkt-notfallverhuetung-am-besten

Ist Notfallverhütung in Deutschland gewährleistet?

Die „Pille danach“
Beim Geschlechtsverkehr kann es bei der Verhütung trotz aller Vorsicht zu Pannen kommen. In solchen Fällen kann eine ungewollte Schwangerschaft immer noch verhindert werden, z.B. durch die sogenannte „Pille danach“. Jedoch haben zahlreiche Personen von dieser Option noch nie gehört oder wissen nicht, dass diese Pille auch rezeptfrei in der Apotheke erhältlich ist.[1] Denn für die „Pille danach“ gibt es immer noch ein explizites Werbeverbot.[2]

Was bedeutet das genau?

Um den Zugang zur "Pille danach" für Frauen zu erleichtern, schaffte die Europäische Kommission im Jahr 2015 die Verschreibungspflicht in der gesamten EU ab. Seitdem ist die „Pille danach“ ohne ärztliche Verschreibung in Apotheken erhältlich. Diese Maßnahme war ein bedeutender und richtiger Schritt, denn im Falle einer Verhütungspanne ist die zeitnahe Einnahme der "Pille danach" entscheidend, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern.
Jedoch kann nur von einem teilweisen Erfolg im Hinblick auf die reproduktiven Rechte von Frauen gesprochen werden, da die Kommunikation über die "Pille danach" bis heute erheblich eingeschränkt ist.

In Deutschland legt das Heilmittelwerbegesetz (HWG) die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Werbung von Arzneimitteln fest. Es zielt unter anderem darauf ab, kranke Menschen vor irreführender Werbung zu schützen, um unsachgemäße Selbstmedikation zu verhindern. Auf Initiative der Regierungskoalition wurde im Jahr 2015 gleichzeitig mit der Aufhebung der Verschreibungspflicht das Werbeverbot für orale Notfallkontrazeptiva wie der „Pille danach“ eingeführt.

§10 HWG Absatz 1 besagt:

Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden.[3]

Absatz 2 besagt:

Für Arzneimittel, die psychotrope Wirkstoffe mit der Gefahr der Abhängigkeit enthalten und die dazu bestimmt sind, bei Menschen die Schlaflosigkeit oder psychische Störungen zu beseitigen oder die Stimmungslage zu beeinflussen, darf außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden. Dies gilt auch für Arzneimittel, die zur Notfallkontrazeption zugelassen sind.[4]

In Bezug auf frei verkäufliche Arzneimittel stellt die "Pille danach" somit eine vollständige Ausnahme dar. Im Gesetzestext wird sie in Verbindung mit Wirkstoffen genannt, die zu Abhängigkeiten führen können, weshalb für diese Wirkstoffe Werbebeschränkungen gelten und sie nicht beworben werden dürfen. Die Begründung für das Werbeverbot basiert auf Vorurteilen, die davon ausgehen, dass Frauen Notfallverhütungsmittel "wie Smarties" einnehmen könnten. Die Argumentation lautet: Wenn Notfallverhütungsmittel beworben werden, steigt das Risiko des Missbrauchs, beispielsweise durch den Ersatz regulärer Verhütungsmethoden durch Notfallkontrazeptiva. Darüber hinaus wurde befürchtet, dass Frauen aus Nachlässigkeit auf Kondome verzichten könnten, was zu einem Anstieg von sexuell übertragbaren Erkrankungen führen könnte. Diese Bedenken spiegeln nicht nur ein überholtes Frauenbild wider, sondern haben sich auch als unzutreffend herausgestellt. Dennoch besteht das Werbeverbot bis heute.[5]

Wirkungsweise

Die Pille danach verschiebt den Eisprung nach hinten, wodurch verhindert wird, dass Spermium und Eizelle aufeinandertreffen und somit die Eizelle nicht befruchtet wird. Jedoch ist hierbei zu beachten.


Je früher die Einnahme der „Pille danach“ nach dem Geschlechtsverkehr, desto besser ist der Schutz![6]


Der Zeitraum, in der die Pille eingenommen werden muss, hängt von dem jeweiligen Präparat ab. Daher kann dieser zwischen 72 und 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr liegen. Die “Pille danach“ wirkt jedoch nicht immer. Es ist wichtig zu beachten, dass sie nicht mehr vor einer Schwangerschaft schützen kann, sollte der Eisprung bereits stattgefunden haben, da ab diesem Zeitpunkt Eizelle und Spermium bereits verschmolzen sein können[7]. Bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres wird die „Pille danach“ von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Hierfür ist jedoch ein ärztliches Attest notwendig. Dies kann jedoch auch nach dem Apothekenbesuch ausgestellt werden. Privat-Krankenversicherte müssen sich bei ihrer Versicherung informieren, welche Leistung bis zu welchem Alter übernommen werden.

Die Pille danach ist keine Abtreibung!

Die "Pille danach" stellt keine Form der Abtreibung dar[8], da sie lediglich den Zeitpunkt des Eisprungs verschiebt. Dadurch wird die Befruchtung der Eizelle durch Spermien verhindert, und somit kommt es nicht zu einer Schwangerschaft. Wenn der Eisprung bereits erfolgt ist, hat die "Pille danach" keine Wirkung mehr. Im Falle einer bereits bestehenden Schwangerschaft führt die Einnahme der "Pille danach" nicht zum Schwangerschaftsabbruch und hat auch keinen Einfluss auf die bereits bestehende Schwangerschaft![9]

Die Pille danach ist keine Hormonbombe

Die "Pille danach" gilt schon seit geraumer Zeit nicht mehr als "Hormonbombe". Durch kontinuierliche Weiterentwicklungen in den letzten Jahren unterscheidet sie sich nun erheblich von den früheren Präparaten, die einst für den Ruf als "Hormonbombe" verantwortlich waren. Dank ihrer guten Verträglichkeit ist die "Pille danach" ohne vorherige ärztliche Untersuchung und ohne Rezept erhältlich.[10]

Die „Spirale danach“
Alternativ gibt es auch die „Spirale danach“. Diese kann eine Schwangerschaft auch nach dem Eisprung und der Befruchtung der Eizelle verhindern. Es handelt sich hierbei um eine Kupferspirale. Die freigesetzten Kupfer-Ionen verändern die Gebärmutterschleimhaut so, dass das Einnisten der Eizelle unmöglich ist.  Dies ist nur solange möglich, solange sich die Eizelle noch nicht eingenistet hat, da sonst bereits eine Schwangerschaft besteht. Bis zu fünf Tage nach dem Geschlechtsverkehr oder dem errechneten Eisprung ist der Einsatz möglich. Jedoch müssen dabei der Preis der Spirale (150-300€) und die Kosten der Nachfolgeuntersuchungen bedacht werden, denn nach dem Einsatz bleibt die Spirale für mehrere Jahre in der Gebärmutter als Verhütungsmittel.[11]

Forderung: Barrierefreier Zugang zur Verhütung und Notfallverhütung

Weiterhin ist der Weg zur Verhütung in Deutschland für manche Menschen mit Hürden verbunden. So muss sichergestellt werden, dass jede Person, darunter auch geflüchtete oder einkommensschwache Menschen, einen leichten Zugang zu Verhütungsmitteln haben. Außerdem sollten Hindernisse wie ein (medizinisch nicht zwingend notwendiger) ÄrztInnen-Besuch oder die Zustimmung eines Vormundes nicht ausschlaggebend für eine sichere Verhütung sein. Auch eine (medizinisch nicht zwingend erforderliche) Rezeptpflicht darf dem nicht im Wege stehen. In den USA wurde im Jahr 2023 das erste hormonelle rezeptfreie Verhütungsmittel, die sogenannte O-Pill, freigegeben und soll ab 2024 in Apotheken erhältlich sein. Hierbei handelt es sich um ein Präparat, das kein Östrogen enthält und damit zu einer geringeren Belastung und geringeren Nebenwirkungen führt.[12]

Jedoch muss diese von den KäuferInnen selbst bezahlt werden, was zu Versorgungsproblemen für Menschen mit geringeren finanziellen Mitteln führen kann. Letztendlich muss das Ziel sein, dass sich alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Alter und ihrer finanziellen Situation vor ungewollten Schwangerschaften und vor der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten schützen können. Nachdem die Entscheidungsfreiheit über die eigene Fortpflanzung nur mit der passenden Verhütung möglich ist, ist diese für ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben unerlässlich.

TERRE DES FEMMES fordert die Abschaffung des Werbeverbots für die „Pille danach“ und die bundesweite Kostenübernahme von allen verfügbaren Verhütungsmitteln und Notfallverhütungsmitteln, um einen gesicherten sowie selbstbestimmten Zugang zu Verhütung und Notfallverhütung für alle Menschen zu gewährleisten.


Quellen und weitere Informationen:

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwjT8sq4rumCAxUcg_0HHSDXBUIQFnoECBUQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.profamilia.de%2Ffileadmin%2Fpublikationen%2FMagazin%2F2015%2Fpfm_2015-3_web_geschuetzt.pdf&usg=AOvVaw0REmbA4MkSRtOXujDT_lQf&opi=89978449

https://betterbirthcontrol.org/

https://www.spiegel.de/gesundheit/sex/pille-kondome-sensiplan-diaphragma-verhuetung-geht-beide-an-a-1228991.html

https://www.ardmediathek.de/video/exactly/spass-beim-sex-frust-bei-der-verhuetung/mdr/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9iOGQ1NTA3ZC0zN2Q3LTQ2Y2QtOTJkMC0xNTQzNzM3YmFlZTQ

https://www.lilli.ch/notfallverhuetung_pille_danach

https://www.profamilia.de/themen/verhuetung/pearl-index

https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/wie-schaedlich-ist-die-pille/#pillemigraene

https://www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/hormonelle-verhuetung-neben-der-pille/

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiW-_P9ksaCAxUESuUKHVuWCqUQFnoECBQQAw&url=https%3A%2F%2Fwww.profamilia.de%2Ffileadmin%2Fpublikationen%2FReihe_Verhuetungsmethoden%2FBro_Sterilisation_131018.pdf&usg=AOvVaw1EhKkUM4PM5NQ3silGi_-C&opi=89978449

https://www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungsmethoden/kupferspirale/#c639

https://www.zeit.de/zett/politik/2019-12/sterilisation-mit-23-nur-weil-ich-eine-frau-bin-habe-ich-keinen-angeborenen-kinderwunsch

https://www.familienplanung.de/kinderwunsch/behandlung/refertilisierung-der-frau/


[1] https://www.nurwennichesweiss.de/wp-content/uploads/2023/04/factsheet.pdf.

[2] https://www.nurwennichesweiss.de/werbeverbot/.

[3] https://www.gesetze-im-internet.de/heilmwerbg/__10.html#:~:text=Gesetz%20über%20die%20Werbung%20auf,erlaubterweise%20Handel%20treiben%2C%20geworben%20werden.

[4] Ebd.

[5] https://www.nurwennichesweiss.de/werbeverbot/.

[6] https://www.aok.de/pk/magazin/familie/verhuetung/die-pille-danach-wirkung-und-kosten/.

[7] https://www.profamilia.de/themen/verhuetung/pille-danach.

[8] https://www.nurwennichesweiss.de/werbeverbot/.

[9] https://www.nurwennichesweiss.de/werbeverbot/.

[10] Ebd.

[11] https://www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungspannen/die-spirale-danach/.

[12] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/144609/Erste-rezeptfreie-Antibabypille-in-den-USA-zugelassen.

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