2013 war eins der erfolgreichsten Jahre auf dem Weg zur Abschaffung von weiblicher Genitalverstümmelung in Deutschland: Die Tat wurde als § 226a in das Strafgesetzbuch aufgenommen und gilt damit als schwere Körperverletzung, die mit ein bis zehn Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Am 29.09.2013 trat das Gesetz in Kraft und falls es danach noch in Deutschland oder an Mädchen mit deutschem Pass zu Genitalverstümmelungen kommt, können die Betroffenen bis zu ihrem 41. Lebensjahr Anzeige erstatten.
Außerdem wurde die weibliche Genitalverstümmelung in den medizinischen Diagnoseschlüssel aufgenommen. Durch die Auflistung der vier von der Weltgesundheitsorganisation klassifizierten Formen von FGM unter den Kennziffern N 90.80 bis N 90.84 im ICD-10-DE können ÄrztInnen demnächst gegenüber der Krankenkasse genau angeben, wenn eine zurückliegende Genitalverstümmelung die aktuelle Behandlung beeinflusst. Auch die Kosten für eine Rekonstruktion können so kaum noch abgelehnt werden.
Beim Treffen der AG gegen weibliche Genitalverstümmelung in Frankfurt kamen aktive Frauen aus ganz Deutschland zusammen um über ihr Engagement gegen FGM zu berichten und gemeinsame Interessen zu vertiefen.
Foto: © Andreas FroweinAbgesehen von diesen beiden Großereignissen ereignete sich auch „hinter den Kulissen“ der AG gegen weibliche Genitalverstümmelung viel:
Das Jahr begann mit Vorträgen und Vernetzungstreffen der TERRE DES FEMMES Mitfrauen in Bielefeld, Düsseldorf, Nürnberg und München statt.
Im Februar waren die Städtegruppen sehr aktiv um am internationalen Tag „Null Toleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung“ die Öffentlichkeit über diese Menschenrechtsverletzung zu informieren. Vorträge und Filmvorführungen runden die Büchertischaktion ab, bei der auf Initiative von TERRE DES FEMMES hin Buchhandlungen und Bibliotheken in Erfurt, Hamburg, Hechingen, Konstanz, Lebach, Marburg, Menden, München, Puchheim, Oldenburg, Regensburg, Roth bei Nürnberg, Strausberg und Wolfsburg Sonderplatzierungen für Literatur zur weiblichen Genitalverstümmelung eingerichtet haben. Zur gleichen Zeit läuft der von TERRE DES FEMMES unterstützte Film „The Cut“ von Beryl Magoko an, der tiefe Einblicke in den kulturellen Wandel und die Praxis der Genitalverstümmelung in Kenia gibt.
Im März startet das von der EU geförderte Projekt CHANGE. TERRE DES FEMMES koordiniert dabei die Ausbildung von Experten für kulturellen Wandel in vier europäischen Ländern und wertet die ersten Aktivitäten dieser Akteure in den afrikanischen Diaspora-Gemeinden aus. Das Projekt läuft bis Frühjahr 2015.
Ebenfalls im März bekommen drei Frauen der AG weibliche Genitalverstümmelung das Bundesverdienstkreuz für ihren Einsatz für Frauen- und Mädchenrechte verliehen. Regine Bouédibéla, Heidemarie Grobe und Regina Kalthegener setzen sich seit Jahren durch respektvolle Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit für ein Ende vo FGM und viele andere wertvolle Ziele ein.
Bei dem Treffen der AG weibliche Genitalverstümmelung in Berlin berichten die Teilnehmerinnen von ihren Erfahrungen bei Vorträgen, Filmvorführungen und mit der Ausstellung „Sie versprachen mir ein herrliches Fest“ die von Stadt zu Stadt reist und von Mitfrauen betreut wird. Außerdem wurde über Operationen an den Genitalien gesprochen und über die Ansätze und Erkenntnisse von „Critical Whiteness“ informiert.
Beim EuroNet Treffen wurde besprochen, wie sich AktivistInnen gegen weibliche Genitalverstümmelung europaweit vernetzen, unterstützen und voneinander lernen können.
Foto: © Tobe LevinDer April wurde geprägt von hochrangigen Veranstaltungen in ganz Deutschland. Referentin Franziska Gruber sprach beim Treffen des Netzwerks Integra in Bonn, vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin sowie vor den Projektpartnern im CHANGE Kick-off-Meeting und nimmt an der Anhörung zu FGM im Rechtsausschuss teil
Der Mai wurde der medizinischen Aufklärung gewidmet. Mitfrauen und AG Mitglieder klärten Ärzte und Krankenschwestern bei Fortbildungen und auf Kongressen auf, nahmen erneut an den bundesweit organisierten runden Tischen zum Austausch zwischen Politik, Polizei, Medizin und Menschenrechtsorganisationen teil und gestalteten SchülerInnenworkshops.
Die ruhigen Sommerwochen wurden im Referat weibliche Genitalverstümmelung genutzt um die Übergabe zwischen Referentin Franziska Gruber und ihrer Vertretung fürs Sabbatjahr Katharina Kunze zu organisieren. Außerdem engagiert sich das Referat um einer Frau zu helfen, der aufgrund ihres Rekonstruktionswunsches von ihrer Krankenkasse gekündigt wurde. Durch den Einsatz des Intergra-Netzwerks erhält sie im Herbst die gewünschte Operation und ihren vollen Versicherungsschutz zurück.
Im August wird vielfach von Mitfrauen, Städtegruppen und Mitgliedern der AG gegen weibliche Genitalverstümmelung der Film „The Cut“ in Anwesenheit der Regisseurin und des Produzenten gezeigt. Die irrleitenden Behauptungen der Task Force über den Film bescheren den Veranstalterinnen volle Zuschauersäle und die Qualität der Dokumentation begeistert jeden im Publikum.
Vorstandsvorsitzende Irmingard Schewe-Gerigk und Waris Dirie freuen sich über die Eröffnung des Desert Flower Center in Berlin. Die beiden Frauen verbindet ihr langjähriges Engagement gegen weibliche Genitalverstümmelung.
Foto: © Katharina KunzeBei dem Treffen der AG weibliche Genitalverstümmelung im September in Frankfurt wird ebenfalls „The Cut“ besprochen und dies dem Schattentheater zur FGM-Aufklärung von Regina Fährmann als Beispiele zur Mediennutzung in kulturellen Wandlungsprozessen gegenübergestellt. Außerdem bilden die Arbeit am Positionspapier zu Intim-OPs und der Bericht über FGM in Asien die Schwerpunkte dieser Tage. An der Eröffnung des Desert Flower Center nehmen FGM-Expertinnen der Geschäftsstelle und des Vorstands teil und schätzen vor Ort ein, wie effektiv und hilfreich das Operationsangebot zur Klitorisrekonstruktion ist.
Pünktlich zum Beginn des neuen Schuljahres haben mehrere Schulen um Lehrerfortbildungen gebeten, die von den AG Frauen deutschlandweit angeboten und durchgeführt werden. Im Oktober stehen die altersgerechte Vermittlung von Informationen zu FGM und die Einordnung des Themas in den Ethnik-Unterricht im Mittelpunkt.
Auch der November war geprägt von Treffen mit Multiplikatorinnen, Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung von relevanten Berufsständen und SchülerInnen. Im Referat wurden eine Vertreterin des BMZ, mehrere Nutzerinnen des FGM-Archivs und eine Jura-Doktorandin begrüßt, die zu weiblicher genitalverstümmelung im Asyl-, Jugend- und Strafrecht informierte.
Als Vorbereitung auf das kommende Jahr wurde im Dezember intensiv an der Unterschriftenaktion zur Gesetzesänderung in Indonesien gearbeitet. Die Vernetzung mit deutsch-indonesischen und indonesischen Menschenrechtsorganisationen und die Formulierung unserer Forderungen beschäftigten das Referat bis zu den Feiertagen. Die AG weibliche Genitalverstümmelung hat das Jahr 2013 u.a. dem Positionspapier zu Intim-OPs gewidmet. Der „Aufruf für mehr Liebe zum natürlichen Genital“ soll Anfang 2014 veröffentlicht werden.