Dunkelzifferstatistik zu weiblicher Genitalverstümmelung

Seit 1998 erstellt und veröffentlicht TERRE DES FEMMES fast jährlich eine eigene Hochrechnung der Betroffenen und Gefährdeten in Deutschland. Damit wollen wir zeigen, dass die Menschenrechtsverletzung weibliche Genitalverstümmelung in unserer Nachbarschaft, in jeder größeren Stadt, mitten in Europa präsent ist und dass es großen politischen Handlungsbedarf gibt um tausende Mädchen zu schützen und zehntausende Frauen zu unterstützen. Denn nur wenn die Mütter hier ihre Zukunft sehen, werden sie sich von den Traditionen ihres Herkunftslandes lösen und die Töchter unversehrt aufwachsen lassen.

Tabuthema ohne sichere Datenlage

Für die Statistik verwenden wir immer die Angaben des Statistischen Bundesamtes zu Frauen und Mädchen mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft sowie die von UNICEF, dem Population Refernce Buerau und Amnesty International verbreiteten Betroffenenquoten aus den bereits erfoschten Prävalenzländern. Wenn aus dem Land X 1000 Frauen und Mädchen in Deutschland leben und z.B. UNICEF berichtet, dass in X 45% von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind, gehen wir von 450 Betroffenen und Gefährdeten in Deutschland aus.

Falls die Zahlen von Jahr zu Jahr also schwanken, kann die Ursache dafür in neuen UNICEF-Daten liegen, in Migrationsströmen z.B. aus Ländern mit hoher Prävalenz der in den Parametern des statistischen Bundesamtes z.B. im Umgang mit Frauen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Es bedeutet nicht, dass wir tatsächlich von steigenden oder sinkenden Betroffenen- und Gefährdetenzahlen wüssten!

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Deutschland enorm tabuisiert: Schon in den Herkunftsländern sprechen Frauen sehr selten offen über dieses Thema und in einem Umfeld, das diese “Tradition” als Menschenrechtsverletzung wertet und die InitiatorInnen mit langen Gefängnisstrafen belegen kann, kann man nur über Dunkelfeldstudien und Dunkelzifferberechnungen einen groben Eindruck von der tatsächlichen Verbreitung gewinnen.

Unterschiedliche Berechnungsmethoden

Um diesem Umstand und dem häufigen Missverständnis, es gäbe reale Veränderungen in der Risikobewertung, zu begegnen, haben wir verschiedene Berechnungsmethoden ausprobiert und in den letzten Jahren Schwerpunkte in den Statistiken gesetzt:

2012 (PDF-Datei) haben wir zwischen Gefährdeten und Betroffenen anhand der Altersgrenze von 20 Jahren unterschieden, da bis zu diesem Alter zwangsverstümmelungen bekannt sind.

2013 (PDF-Datei) haben wir das durchschnittliche Verstümmelungsalter in jedem Land berechnet um zu kommunizieren, dass je nach Kultur große Unterschiede bestehen und Fachkräfte wie PädagogInnen jederzeit aufmerksam und handlungsbereit sein sollen.

2015 (PDF-Datei) haben wir anhand der Volljährigkeit zwischen Betroffenen und Gefährdeten unterschieden, da danach die Familie (zumindest juristisch) nicht mehr über die Tochter bestimmen kann. Außerdem haben wir auch die Länder berücksichtigt, in denen weibliche Genitalvertümmelung nachgewiesen ist aber noch nicht von UNICEF erfasst. Und wir haben zwischen den Mächen und Frauen mit Migrationserfahrung und denen, die hier geboren wurden hinsichtlich ihres Risikos unterschieden, da wir davon ausgehen, dass schädliche Traditionen schwinden, je heimischer eine Familie im Residenzland wird.

2016 (PDF-Datei): Die Berechnung der Statistik von 2015 haben wir beibehalten, da diese Methode unterschiedliche Faktoren mit einbezieht und uns derzeit am treffendsten erscheint.

2017 (PDF-Datei): Diese Statistik haben wir ebenfalls mit den Methode von 2015 erstellt, da diese Methode unterschiedliche Faktoren mit einbezieht und uns derzeit am treffendsten erscheint.

2018 (PDF-Datei): Erstmals werden hier die Daten nach Bundesländern aufgeschlüsselt.

2019 (PDF-Datei)

2020 (PDF-Datei)

Da wir die Statistiken erneuern, bevor UNICEF und teils auch das Statistische Bundesamt neue Daten liefern können, steht die Jahreszahl ausschließlich für den Zeitpunkt der Veröffentlichung und nicht für den Zeitpunkt der Datenerhebung.

Bitte beachten Sie beim Zitieren oder anderweitigen Verwenden der Statistiken auch unsere Anmerkungen auf den nächsten Seiten der PDF-Dateien!

Statistik-Expertise auf EU-Niveau

Aufgrund unserer Statisik und dem spielerischen Umgang mit verschiedenen Berechnungsmethoden wurde TERRE DES FEMMES von dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) eingeladen, in einer ExpertInnenrunde über mögliche und sinnvolle Berechnungsmethoden zu diskutieren. Das Institut wird im Jahr 2015 einen Bericht vorlegen, der den Regierungen empfiehlt, eine einheitliche Berechnungsmethode anzuwenden, damit die Betroffenen- und Gefährdungszahlen Europaweit vergleichbar werden. Wir sind gespannt, wie viel von unseren Vorschlägen und Überlegungen die EU aufgreifen wird!