Die Frauen von Van
YAKA KOOP (Empowerment of women and women NGO´s Projekts) ist eine unabhängige Frauenorganisation, eine Frauenberatungs- und Koordinationsstelle für Frauen. Gegründet wurde sie 2002 von 25 Frauen und ist die erste Frauenorganisation in Van (Ost-Türkei).
Als ich YAKA-KOOP 2015 das erste Mal besuchte und wir gemeinsam eine Kooperation entwickelten, war ich von ihrer Arbeit damals wie heute überzeugt.
YAKA KOOP unterstützt und organisiert auch Frauen, damit sie in die ökonomische Selbstständigkeit kommen. Sie sorgen für die Vernetzung der Heimarbeiterinnen und vermitteln die hergestellten Waren. Sie organisieren Märkte und richten Textilwerkstätten für Mädchen und Frauen in der Stadt und den Dörfern ein aber noch viel mehr.
Sie veranstalten Informationsstunden in über 90 Dörfern, organisieren Ausbildungskurse oder kleine Werkstätten, damit die Frauen eigenes Einkommen erwirtschaften können. Doch eine sehr wichtige Arbeit kam mit der Zeit dazu. Gülnay G., die Vorsitzende des Frauenrechtsvereins YAKA KOOP, berichtet, dass sie es geschafft haben, nicht nur Mädchen und Frauen in Not zu helfen, sondern sie auch dabei unterstützen ihren Peiniger vor das Gericht zu bringen.
In der Türkei kommen in jedem Jahr etwa 30.000 Fälle von Vergewaltigungen zur Anzeige, die Dunkelziffer ist um ein vielfaches höher, denn Zweidrittel der Taten geschehen in der Familie, oder Vertrauenspersonen wie Lehrer oder Nachbarn. Die Mädchen sind meist schutzlos den Tätern ausgeliefert, ja werden oftmals sogar bestraft, weil sie die Männer „gereizt“ hätten. Nur der öffentliche Pranger durch andere Frauen kann dieses Schweigekartell durchbrechen, denn die Justiz ist oft auf beiden Augen blind und in Männerhand.
Und wenn diese Fälle vor Gericht kommen, fallen die Strafen meist gering aus oder die Anzeigen werden zurückgezogen, weil die Familien der Täter inzwischen „Blutgeld“ an die Familien der Opfer gezahlt haben.
Die Frauen von YAKA KOOP jammern nicht, Gülnay G. sagt: „Viel zu lange haben wir diese Gräueltaten als Schicksalsschläge angesehen, und weder die Justiz, noch die Politik oder die Zivilgesellschaft hat sich eingemischt. Aber seit wir an die Öffentlichkeit gehen, bekommen wir von vielen in der Stadt Unterstützung. Dabei steht nie das Gefühl von Scham oder Schande im Vordergrund, da für uns die Aufklärung und das Schaffen von Problembewusstsein vorrangig sind.“ Denn es geht nicht darum Einzel Schicksale zu beklagen, sondern auf Strukturen aufmerksam zu machen. Und einer der strukturellen Gründe für die Macht der Paschas ist die frühe Verheiratung, vor allem von Mädchen. Die Zahl der minderjährig verheirateten Mädchen liegt hier laut YAKA KOOP bei 40 %. Statistiken legen dar, dass in ländlichen Gegenden eine hohe Zahl an früh- und zwangsverheirateten Mädchen anzutreffen ist – meistens wird das Alter der heranwachsenden Mädchen höher angesetzt (YAKA KOOP, UNICEF 2016, Hacettepe-Universität Ankara 2011). Die Selbstmordrate unter jungen Frauen ist erschreckend hoch.
Kinderehen sind nicht nur Missbrauch, sondern bringen die Mädchen in eine ausweglose Lage. Sie können nicht mehr zu Schule gehen, eine Ausbildung oder Studium machen. Da sie Rechtlos der Familie des Ehemannes ausgeliefert sind, können sie nicht selbstständig oder selbstverantwortlich weder für sich oder mit Ihren Kindern leben. Denn sie bekommen meist sehr schnell selbst Kinder und sind im Haus und in der Familienversorgung gefangen. Ein Kreislauf, der Grundlage für das von Tradition und Religion geförderte Patriarchat bildet.
Die Verhinderung von Kinderehen ist deshalb eines der Schwerpunkte der Arbeit von YAKA-KOOP. „Aber“ sagte Gülnay, „ohne die Männer können wir die Gesellschaft nicht verändern.“ Sie versuchen die Dorfältesten, Imame, Lehrer, Männer auf ihre Seite zu bekommen. „Letzte Woche bekamen wir einen anonymen Anruf aus einem Dorf hier in der Nähe“ erzählt sie, „ein 14 jähriges Mädchen sollte mit einem 30jährigen Mann verheiratet werden. Wir sind in das Dorf gefahren, haben mit den Eltern geredet. Aber die waren uneinsichtig, weil sie es für ihr Recht hielten und schließlich sei es Tradition und das Mädchen sei damit versorgt. Wir haben dann die Polizei gerufen, die die Hochzeit verhindert hat.“ Denn offiziell sind auch in der Türkei Ehen unter 18 Jahren verboten.
Der Anruf ist auch eine Folge der Aktionen, die YAKA KOOP seit einiger Zeit durchführt. Sie wenden sich an diejenigen, deren Geschäft die Ausrichtung von Hochzeiten ist. „Geht lieber mit einem Brot, mit ein paar Lira weniger nach Hause und macht Euch nicht mitschuldig an diesem Unrecht.“, sagt Gülnay überall wo sie in der Stadt unterwegs ist.
Und die Frauen sind damit erfolgreich. Die 300 Mitglieder der Vereinigung der Köche haben beschlossen: „Wir kochen nicht für Kinderbräute“. Die örtliche Musikervereinigung sagt: “Wir spielen nicht auf Kinderhochzeiten“ und 600 Friseurinnen der Handwerkskammer Van weigern sich per Plakat, Kinderbräute zu frisieren. Blumenhändler, Fotografen, Bäcker, Gastwirte alle bekommen Besuch von den resoluten Frauen. „Nein zu Kinderehen.“ Die Frauen von Van begreifen ihre Arbeit nicht als politisch oder religiös motiviert, sondern es geht ihnen um die Durchsetzung und Verteidigung von Menschenrechten. Sie haben sich weder mit Parteien oder Regierungsinstitutionen gemein gemacht, sondern sind stolz auf ihre Unabhängigkeit.
Das wir als TERRE DES FEMMES diese Organisation fünf Jahre begleiten und sie Unterstützen konnten erfüllt mich mit Stolz und Dankbarkeit. Wir wünschen diesen tapferen Frauen weiter alles Gute und Erfolg, das wir unseren Kontakt zu ihnen weiter pflegen und sie unterstützen.
Necla Kelek
Mai/2020
Rückschau:
Hand in Hand können wir es lösen, wieder war das Thema gegen Kinderehen. Im Mai 2017 traf YAKA KOOP 20 Musiker zu einem Seminar „Kinderbräute? Sage Nein!, wir spielen nicht für Kinderbräute“. Danach bekamen sie von 60 weiteren Gruppen Zustimmung. Foto: © YAKA-KOOP
Sag nein zu Kinderehe, diese Musikgruppe spielt nicht auf Hochzeitsfeiern für Kinder unter 18 Jahren. Foto: © YAKA-KOOP