Nein zu Früh- und Zwangsverheiratung in der Türkei und Deutschland - Bericht zur Veranstaltungsreihe von TERRE DES FEMMES 2017

Morus 14: Hier warten zahlreiche Gäste das türkische drei-Gänge-Menü. Foto: @ Wilfried WinzerMorus 14: Hier warten zahlreiche Gäste auf das türkische drei-Gänge-Menü. Foto: @ Wilfried WinzerAm 8. März, dem Internationalen Frauentag, machen Frauenorganisationen aus aller Welt auf Menschenrechtsverletzungen an Mädchen und Frauen aufmerksam, feiern aber auch Fortschritte im Kampf um Gleichberechtigung und Selbstbestimmung.

TERRE DES FEMMES (TDF) organisierte zum Frauentag 2017 sieben Veranstaltungen zum Thema „Nein zu Früh- und Zwangsverheiratung in der Türkei und Deutschland“ .

Dabei wurde YAKA-KOOP, die Partnerorganisation von TDF im Osten der Türkei, vorgestellt. Seit 2002 leistet YAKA-KOOP Aufklärungs-, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit zum Thema Früh-und Zwangsverheiratung und Gewalt im Namen der Ehre. Betroffene können sich juristisch und psychologisch beraten lassen. Auch unterstützt die Organisation Frauen bei der Ausbildung und Erwirtschaftung eines eigenen Einkommens. Ein Video stellt die Arbeit von YAKA-KOOP vor.

Zu Gast bei HennaMond e.V. in Köln berichtet Sermin Güven (TDF) von YAKA-KOOP. Foto: © TERRE DES FEMMESZu Gast bei HennaMond e.V. in Köln berichtet Şermin Güven (TDF) von YAKA-KOOP. Foto: © TERRE DES FEMMESDen Veranstaltungsauftakt machte TDF am 7. März bei HennaMond in Köln: HennaMond wurde 2006 von der Aktivistin Fatma Sonja Bläser gegründet und setzt sich für Betroffene von familiärer Gewalt und Gewalt im Namen der Ehre ein. Auf dem Podium berichteten Bläser und die TDF-Vorstandsfrau Dr. Necla Kelek von den Hintergründen und Folgen von Früh- und Zwangsverheiratung. Kelek wies darauf hin, dass Frühehen auf der Flucht, in Flüchtlingslagern in der Türkei und in Zielländern wie Deutschland, zunehmen. Bläser berichtete von den Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Moscheen. Diese einzubeziehen sei ganz wichtig: Imame dürften Frühehen nicht mehr tolerieren oder sogar bewerben, sondern müssten sie verhindern.

Die aktuelle Politik der AKP, das anstehende Referendum und mögliche Auswirkungen eines Präsidialsystems für Mädchen und Frauen in der Türkei standen dagegen bei der Kooperationsveranstaltung von TDF und der Friedrich-Ebert-Stiftung am 8. März in Bonn im Fokus. Podiumsgäste waren die Psychotherapeutin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Dr. Lale Akgün, die Leiterin des türkischen Programms der Deutschen Welle Seda Serdar, die Journalistin und Aktivistin Cigdem Toprak und die TDF-Fachbereichsleiterin Maja Wegener. Lesen Sie hier mehr zu dieser Veranstaltung.

Dr. Franziska Giffey und Dr. Necla Kelek bei der Veranstaltung im Bezirksamt Neukölln. Foto: © TERRE DES FEMMESDr. Franziska Giffey und Dr. Necla Kelek bei der Veranstaltung im Bezirksamt Neukölln. Foto: © TERRE DES FEMMESZurück in Berlin begrüßte am 9. März Dr. Franziska Giffey, Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, Vetreterinnen des Jugendamts Neukölln, des Mädchensportprojekts Boxgirls, der Kriseneinrichtung Papatya und von TDF. Die Expertinnen gewährten Einblicke in die tägliche Arbeit mit betroffenen Mädchen und schilderten, warum für manche die komplette Loslösung von der Familie der einzige Ausweg ist. Im Fokus stand auch, wie Früh- und Zwangsehen noch besser verhindert werden können. Die Vernetzung von Jugendamt, Polizei, Beratungsstellen und Mädchenprojekten sei dabei entscheidend. Auch sollten mehr Lehrerinnen und Behördenmitarbeiterinnen geschult werden. Sportarten wie Boxen, die nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch den sozialen Umgang fördern, könnten Mädchen und Frauen langfristig in ihrem Selbst- und Rechtsbewusstsein stärken.

Ein besonderes Highlight war die Veranstaltung im Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding. Dort verfolgten gut 90 OberstufenschülerInnen den Input der Türkei-Projektkoordinatorinnen Dr. Necla Kelek und Şermin Güven. Anschließend diskutierten sie angeregt über die Bedeutung der Menschenrechte und der Demokratie für das gesellschaftliche Zusammenleben, besonders mit Blick auf die Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen. Dass für manche gesellschaftlichen Gruppen das Recht auf Religionsfreiheit eine Verletzung anderer Grundrechte legitimiere, verurteilte Kelek und appellierte an die Wichtigkeit von Pluralität und individueller Rechte von Frauen und Kindern.

Am 13. März setzte sich die Veranstaltungsreihe beim Landesfrauenrat in Hamburg fort, wo 30 Gäste von 18 bis 75 Jahren mit Dr. Necla Kelek über Frauenrechte in der Türkei und Deutschland diskutierten.

Kniffelige Fragen und tolle Gewinne beim Glücksradspiel im Mädchenverein MaDonna. Foto: © TERRE DES FEMMESKniffelige Fragen und tolle Gewinne beim Glücksradspiel im Mädchenverein MaDonna. Foto: © TERRE DES FEMMESDen Abschluss markierten zwei Veranstaltungen in den Neuköllner Vereinen Morus 14 und MaDonna Mädchenkult.Ur am 15. März: Morus 14 fördert seit 2003 soziale Integration durch Bildung, Kultur und Gewaltprävention in Berlin-Neukölln. Wöchentlich findet ein gemeinsames Kochen in der Einrichtung statt. Passend zum regionalen Schwerpunkt servierte TDF den zahlreichen Gästen ein Gericht aus der östlichen Türkei. Neben dem kulinarischen Genuss, gewannen die Gäste Einblicke in die Tätigkeiten von TDF, deren Partnerorganisation YAKA-KOOP und zur Situation von Mädchen und Frauen in der Türkei.

Ein junges Publikum bot sich dem TDF-Team im Mädchentreff MaDonna Mädchenkult.UR im Rollbergviertel in Berlin-Neukölln. Dort wurde der von YAKA-KOOP an Schulen in Van veranstaltete Malwettbewerb zum Thema Früh- und Zwangsverheiratung anhand der prämierten Bilder mit den Mädchen und Jungen diskutiert. Besonders beliebt war das abschließende Glücksrad mit Quizfragen zu Menschenrechten und zur Situation von Mädchen und Frauen in der Türkei und Deutschland .

In allen Veranstaltungen wurde deutlich, dass das Thema Früh- und Zwangsverheiratung weiter auf der politischen Agenda bleiben muss - der von TDF unterstützte Gesetzesentwurf zur ausnahmslosen Festlegung des Mindestheiratsalters auf 18 Jahre und zum Umgang mit im Ausland geschlossenen Frühehen in Deutschland ist ein wichtiges aktuelles Beispiel. Mädchen und Frauen müssen über ihr Leben und ihren Körper selbst bestimmen dürfen. Ob und wann sie heiraten, soll allein ihre Entscheidung sein. In Deutschland, in der Türkei und überall sonst auf der Welt.

Nicht nur in der Türkei, sondern weltweit sind Mädchen von Früh- und Zwangsverheiratung betroffen – im Jahr 2016 waren laut UNICEF 700 Millionen Frauen weltweit minderjährig verheiratet, jede Dritte sogar noch vor ihrem 15. Lebensjahr.

Stand: 03/2017