Das Jahr 2022 begann in Burkina Faso mit einem politischen Paukenschlag: Die bisherige zivile Regierung wurde durch einen Militärputsch aus dem Amt gedrängt. Große Proteste innerhalb des Landes blieben aus, denn angesichts der anhaltenden dramatischen Sicherheitskrise sehnt sich die burkinische Bevölkerung vor allem nach einem Ende von Terror und Gewalt – stabile demokratische Strukturen sind zweitrangig. Doch auch die Militärjunta bekam die Lage nicht in den Griff, Wut und Proteste der Bevölkerung wuchsen erneut und bereits Ende September folgte der zweite Staatsstreich in neun Monaten, bei dem der bisherige Chef des Militärregimes, Paul-Henri Sandaogo Damiba, durch Ibrahim Traoré als neuen Staats- und Militärführer ersetzt wurde. Ob dieser größeren Erfolg bei der Bewältigung der Krise haben wird als seine Vorgänger, ist mehr als fraglich.
Rund 40 Prozent des Staatsgebiets werden von dschihadistischen Extremisten kontrolliert, Terroranschläge und gravierende Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung. Auch die humanitäre Lage spitzt sich immer weiter zu. Inzwischen sind über 1,9 Millionen Menschen innerhalb der Landesgrenzen auf der Flucht. Burkina Faso versinkt im Chaos – und niemand leidet mehr darunter als die Mädchen und Frauen des Landes.
Schutz und Unterstützung durch ABN
ABN klärt über die Gefahren und Folgen von FGM auf © ABN Sexualisierte Gewalt ist im Rahmen des bewaffneten Konflikts omnipräsent, und addiert sich für viele burkinische Frauen und Mädchen zu den vielfältigen Gewaltformen, die ihr Leben ohnehin belasten: häusliche Gewalt, Früh- und Zwangsverheiratung, und die schädliche Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung (engl. Female Genital Mutilation - FGM), von der noch immer knapp 76 Prozent der Mädchen und Frauen in Burkina Faso betroffen sind. Unsere langjährige burkinische Partnerorganisation Association Bangr Nooma (ABN) stellt sich der Gewalt entgegen. Im ersten Halbjahr 2022 fanden 63 hilfesuchende Mädchen und Frauen in dem von ABN betriebenen Gewaltschutzzentrum CAECF (Centre d’Accueil, d’Ecoute et de Conseils pour les Femmes et les Filles) psychologische Hilfe, rechtliche Beratung und bei Bedarf auch eine sichere temporäre Unterkunft. Zum Beispiel die 17-jährige Rahel*: Nachdem sie von einem Verwandten vergewaltigt und schwanger wurde, zwang ihre Familie sie zu einer Abtreibung und anschließendem Stillschweigen. Rahel wurde von Panikattacken und Alpträumen geplagt, niemand in ihrem Umfeld konnte oder wollte ihr helfen. Im Gewaltschutzzentrum wird sie nun psychologisch betreut und kann ihre Traumata in einem geschützten Umfeld verarbeiten.
Neben rechtlicher und psychologischer Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen ermöglichte ABN im ersten Halbjahr 2022 zudem medizinische Notoperationen für sechs Frauen, die an gravierenden gesundheitlichen Folgeschäden von FGM litten. Diese Operationen verändern das ganze Leben der Frauen, entlasten sie von chronischen Schmerzen, ermöglichen in vielen Fällen erstmals ein schmerzfreies Sexualleben und verhindern lebensbedrohliche Komplikationen bei Geburten.
Das Schweigen brechen: ABN klärt über die Gefahren von FGM auf
Hausbesuche ermöglichen einen besonders intensiven Austausch zu FGM und anderen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt © ABN Ein weiterer wichtiger Teil der Arbeit von ABN sind Aufklärungskampagnen zu FGM und anderen geschlechtsspezifischen Gewaltformen. Dafür organisierte das Team von Januar bis Juni 2022 rund 63 öffentliche Informationsveranstaltungen in verschiedenen Dörfern sowie 62 Hausbesuche, die einen noch persönlicheren und intensiveren Austausch ermöglichen. Insgesamt konnten damit rund 1.245 Frauen, Mädchen, Männer und Jungen erreicht werden. Die Einbeziehung von Männern und Jungen ist ein zentraler Ansatz der Sensibilisierungsarbeit von ABN, um eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Tabuthemen wie FGM zu ermöglichen. Immer wieder erklären Männer im Rahmen der Aufklärungsgespräche, dass ihnen jetzt zum allerersten Mal bewusst geworden sei, wieviel Leid ihren Ehefrauen, Töchtern oder anderen weiblichen Verwandten durch die Genitalverstümmelung zugefügt wird.
Während Terror, Gewalt und humanitäre Krise das Land in seinen Grundfesten erschüttern, bleibt ABN eine konstante Anlaufstelle für hilfesuchende Mädchen und Frauen in Burkina Faso und setzt sich weiterhin mit großartigem Engagement gegen die schädliche Praktik FGM und andere Gewaltformen ein. Unterstützen Sie diese so wichtige Arbeit jetzt mit einer Spende – jeder Beitrag wird dringend gebraucht!