Zu unserer großen Erschütterung fassen Terror und Extremismus immer mehr Fuß in Burkina Faso. Im nördlichen Burkina Faso sind jüngst 50 Menschen bei einem Angriff mutmaßlich islamistischer Extremisten auf einen Militärkonvoi ums Leben gekommen. Bei einem zweiten Terroranschlag vor einer Woche starben mindestens 80 Menschen. Das schlecht ausgerüstete und ausgebildete Militär hat Mühe, der Gewalt Einhalt zu gebieten, und die sich verschlechternde Sicherheitslage führt zu Unruhen. Mittlerweile befinden sich nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 1,2 Millionen Menschen im eigenen Land auf der Flucht. In der gesamten Sahelzone sind bewaffnete Gruppen aktiv, von denen einige in Verbindung mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder Al-Kaida stehen.
Frauen sind in Burkina Faso in besonderer Weise von der Gewalt der Islamisten betroffen
Terrororganisationen in der Sahel-Zone und weltweit nutzen sexuelle Gewalt gegen Frauen als Waffe. Außerdem sind Frauen auf der Flucht in wesentlich höherem Ausmaß als Männer dem Risiko einer Vergewaltigung ausgesetzt. Auch unter Armut als ökonomische und soziale Folge von Terror leiden Mädchen und Frauen sehr viel stärker. Insbesondere Frauen in extremer Armut sind finanziell abhängig von ihrem Ehemann, so dass sie selbst im Fall von häuslicher Gewalt oft dazu gezwungen sind, bei ihm zu bleiben. Ob die schädliche Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung – im Englischen Female Genital Mutilation (FGM) – befürwortet wird, ist auch eine Frage der Bildung und Aufklärung. Das Thema FGM beziehungsweise dessen Prävention und Überwindung ist Gründungs- und Schwerpunktthema unserer Partnerorganisation Association Bangr Nooma (ABN) in Burkina Faso. Mittlerweile wenden sich aber auch viele Frauen an ABN, die unter anderen Formen von Gewalt, vor allem sexualisierter, häuslicher und psychologischer Gewalt leiden. In vielen Fällen verweigert der (Ex-)Partner den Unterhalt oder verleugnet sein Kind.
Unterstützung und Beratung von Mädchen und Frauen
Im Jahr 2021 haben sich bis Ende Juli bereits 77 Frauen von ABN beraten lassen, vor allem im Kontext von Missbrauch, Bedrohung durch FGM oder Spätfolgen von FGM. Beispielsweise geht es um Fälle, in denen der Ehemann oder seine Familie die Beschneidung der Frau fordert. Wird ABN erst kontaktiert, wenn FGM schon erfolgt ist, werden in Kooperation mit GynäkologInnen auch Operationen zur Abschwächung der Folgen angeboten. In besonders komplizierten Fällen von FGM oder anderen Formen der Gewalt sowie bei Minderjährigen nimmt ABN den Kontakt zur Familie oder dem (Ex-)Partner auf. Im Zweifel begleiten die Beraterinnen von ABN das Mädchen langfristig.
Das Team von ABN kann die Betroffenen nicht nur mit konkreten Hilfsangeboten unterstützen und wertvolle Beratung allgemeiner oder juristischer Natur leisten – sie stellen zusätzlich oft die einzige seriöse Vertrauensinstanz für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen dar. Im Gespräch zeigen sie Handlungsoptionen auf und klären Frauen und Mädchen über ihre Rechte auf.
Aufklärung ist der Schlüssel
Zwangloses Aufklärungsgespräch mit Müttern, Bildrecht: ABNAußerdem führt ABN weiter Aufklärungskampagnen zu FGM und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt in den Dörfern durch, ebenso wie auf Märkten, in Gemeinschaftshäusern und in Privathaushalten. Oft fragen Frauen bei diesen Besuchen nach finanziellen und materiellen Hilfen oder einem Arbeitsplatz, da ihnen die Bedeutung finanzieller Autonomie bewusst ist. Leider kann ABN mit ihren begrenzten Mitteln keine individuelle Unterstützung leisten. Bei Hausbesuchen werden die Gespräche oft noch persönlicher. Fragen betreffen dann insbesondere die Notoperationen zur Abschwächung der Folgen von FGM und Mythen rund um das Thema.
Insgesamt konnten im ersten Halbjahr 2021 trotz Pandemiebedingungen 33 Hausbesuche gemacht und 31 Gruppenveranstaltungen abgehalten werden, wodurch insgesamt 650 Mädchen, Frauen, Jungen und Männer erreicht wurden. Darunter beispielsweise ein fünfundzwanzigjähriger Mann, der eine beschnittene Frau kennengelernt hatte und der bei ihrem gemeinsamen ersten Mal die enorm schädlichen Folgen von FGM verstand. Er dankte ABN für ihren unermüdlichen Einsatz und schwor, seine potentiellen zukünftigen Töchter vor FGM zu schützen.
Im Februar 2021 feierte ABN den 18. Jahrestag des „Internationalen Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung“ unter dem Motto „Keine Entschuldigung für weltweite Untätigkeit – wir vereinen uns, finanzieren uns und handeln jetzt, um FGM zu beenden.“ Das Motto wurde bewusst gewählt, um auf den kontinuierlichen Rückgang der Unterstützung für Anti-FGM Kampagnen aufmerksam zu machen. Die Arbeit gegen FGM habe in der Regierung, in zivilgesellschaftlichen und auch in internationalen Organisationen leider nicht immer die höchste Priorität, so ABN.
Für TERRE DES FEMMES ist das Ziel der Verhinderung und Beseitigung von FGM immer noch absolut prioritär und wir werden selbstverständlich weiter an der Seite von Bangr Nooma für ein Leben von Frauen und Mädchen frei von Gewalt und schädlichen traditionellen Praktiken kämpfen! Unterstützen Sie uns dabei! Vielen herzlichen Dank!
TeilnehmerInnen am „Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung", Bildrecht: ABN