Interview mit einer Mitarbeiterin der Neswan Social Association in Herat (18.8.2021):

TDF: Wie glaubwürdig sind die Aussagen der Taliban, Frauen in Zukunft nicht von Bildung, Berufsausübung und dem öffentlichen Leben auszuschließen?

Mitarbeiterin: Die Frauen glauben und vertrauen den Worten der Taliban nicht - nicht einmal 10% davon. Die Taliban zeigen sich im Moment zugänglich und freundlich, damit sie international anerkannt werden. Viele der Taliban sind ungebildete Menschen. Schon jetzt haben wir mitbekommen, dass Frauen auf der Straße bezüglich ihrer Kleidung abgemahnt werden. Mit „richtiger“ Kleidung ist die islamische Bekleidung gemeint, welche auch das Gesicht bedecken soll; in Afghanistan wird auch dafür der Begriff „Hijab“ genutzt.

TDF: Was steht für die Frauen auf dem Spiel, wenn ein „Islamisches Emirat Afghanistan“ ausgerufen wird?

Mitarbeiterin: Die Frauen verlieren viel. Sie können nicht mehr wie zuvor am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Die meisten Taliban akzeptieren Frauen im Schul- und Gesundheitsbereich, allerdings gibt es keine eindeutige Leitlinie. Viele Frauen waren bis vor einigen Tagen noch politisch aktiv, zum Beispiel in der Regierung oder im Justizministerium. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Vor allem die politische Partizipation der Frauen in den letzten 20 Jahren war eine große Errungenschaft.

 

TDF: Wie groß ist aktuell (z.B. in Herat) der Rückhalt der Taliban in der Bevölkerung?

Mitarbeiterin: Für die Bevölkerung war die Rückkehr und schnelle Eroberung durch die Taliban ein großer Schock. Viele Menschen, vor allem die Jüngeren, wollen und können jetzt nicht mehr im Land bleiben. Eigentlich wollten sie bleiben, um ihr Land zu unterstützen. Jetzt haben sie Angst vor den Taliban, dadurch versucht gerade jeder und jede für sich einen Weg aus dem Land zu finden.

TDF: Was erwarten sich die Frauen von der internationalen Gemeinschaft?

Mitarbeiterin: Ihr größter Wunsch ist, dass die internationale Gemeinschaft Druck auf die Taliban aufbaut und sie verdrängt. Das Emirat soll nicht anerkannt werden.