Anhaltende Spannungen zwischen rivalisierenden Rebellengruppen und gewalttätige Angriffe bewaffneter, überwiegend dschihadistischer Gruppierungen, die bereits Tausende Todesopfer gefordert haben, halten die Länder der Sahelzone in Atem. Die unsichere Lage hat weitreichende Folgen: Vor allem der Alltag von Mädchen ist von Gewalt und eingeschränkter Entscheidungsfreiheit beherrscht, so das Ergebnis der Studie Adolescent Girls in Crisis: Voices from the Sahel von PLAN International, dem UCL Centre for Gender and Disaster und dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, für die Mädchen aus Burkina Faso und Mali befragt wurden. Geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt haben in Krisengebieten wie aktuell der Sahelzone besonders weitreichende Folgen.
Wenn der Schulbesuch zur Gefahr wird
Sowohl in Burkina Faso als auch in Mali stellen Schulen entgegen völkerrechtlicher Verträge eines der Hauptziele bewaffneter Anschläge dar; viele wurden bereits zerstört oder sind dauerhaft geschlossen. Wer weiterhin zur Schule gehen kann, muss längere Strecken zurücklegen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Zugang zu Bildung unter diesen Voraussetzungen erhalten bleibt, für Mädchen 2,5-mal niedriger als für Jungen: Jedes dritte Mädchen in Burkina Faso und Mali geht gar nicht oder ist lediglich für ein Jahr zur Schule gegangen, obwohl sich die Mädchen, das belegt die Studie, ausnahmslos eine gute Schulbildung wünschen.
Mädchen und Frauen zunehmend von Gewalt betroffen
Dazu kommt, dass Mädchen, selbst wenn sie lange, potentiell gefährliche Schulwege nicht zurücklegen (dürfen) und zu Hause bleiben, nicht ausreichend vor Gewalt geschützt sind. So gaben knapp 50 Prozent der befragten Mädchen aus Burkina Faso an, dass sie sich im eigenen Zuhause unsicher fühlten, elf Prozent waren im vorangegangenen Monat vom Vater oder einem Bruder geschlagen worden.
In Krisenzeiten sind Mädchen und Frauen innerhalb wie außerhalb ihres eigenen Zuhauses zunehmend von sexualisierter Gewalt betroffen, z. B. beim täglichen Wasserholen.
Auch schädliche traditionelle Praktiken beeinträchtigen das Leben von Mädchen in Burkina Faso und Mali unverändert: Nach Angaben von UNICEF sind in beiden Ländern neun von zehn Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation – FGM) betroffen.
Mangelndes Mitbestimmungsrecht
Frühehen in Mali. © PLAN internationalDie meisten Eltern wollen ihre Töchter schützen. Das ist nachvollziehbar und doch werden die Mädchen so v. a. in Krisenzeiten strenger denn je beaufsichtigt und aus Entscheidungsprozessen ausgeschlossen, die sie selbst betreffen: Über den Zugang zu medizinischer Versorgung und Schulbildung, Arbeit und Ehe entscheidet vor allem das männliche Familienoberhaupt.
In Mali werden 50 Prozent aller Mädchen vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres verheiratet, 18 Prozent sogar vor Vollendung ihres 15. Lebensjahres; damit ist Mali eines der Länder mit der höchsten Rate an Frühverheiratungen weltweit. Mit der Ehe schwindet meist nicht nur die letzte Hoffnung der Mädchen auf weitere Bildung, sondern sie sind auch der Gewalt ihres Partners und in vielen Fällen einer frühen Schwangerschaft ausgesetzt, die als gefährlich gilt und in Kombination mit mangelnder Sexualaufklärung und fehlendem Zugang zu medizinischer Versorgung lebensbedrohlich sein kann.
Engagement von TERRE DES FEMMES
TERRE DES FEMMES setzt sich gemeinsam mit der Association Bangr Nooma (ABN) in Burkina Faso und der Association pour le Progrès et la Défense des Droits des Femmes (APDF) in Mali mit Schutzhäusern, umfassender Beratung und Aufklärung für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen in der Sahelzone ein.
Mädchen und Frauen sollen gestärkt werden, um aus gewaltvollen Beziehungen auszusteigen, für ihre Rechte einzutreten und sich finanziell unabhängig zu machen.
Stand: 07/2020