Berufsschülerinnen des Ausbildungszweigs Bürofach an ihren Rechnern. Foto: © AAFMHLLange war es ein Wunsch, zwischen Dezember 2019 und März 2020 konnte er endlich Realität werden – gerade noch rechtzeitig vor Ausbruch des Corona-Virus in Kamerun: Dank Ihrer Spenden an TERRE DES FEMMES hat die Berufsschule CETIC (Collège d’Enseignement Technique, Industriel et Commercial) in Makandai nun einen neuen Computer-Raum!
Berufsschule CETIC
Am CETIC starten jährlich bis zu 250 junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren ihre vierjährige Berufsausbildung zur ElektrikerIn, MaurerIn oder Bürofachkraft - davon ca. 55 Prozent Mädchen, im Ausbildungszweig Bürofach sogar rund 80 Prozent. Etliche TDF-StipendiatInnen besuchen nach ihrem Mittelschulabschluss das CETIC. Als Bürofachfrauen können sie sich später in der kommunalen Verwaltung, im Schul- oder Gesundheitswesen oder bei Firmen der freien Wirtschaft in der nächst größeren Stadt bewerben und haben in der Folge gute Chancen auf eine Anstellung und ein eigenes Einkommen.
Wer nutzt den neuen Computer-Raum?
Bislang erfolgte die Ausbildung zur Bürofachkraft rein analog. Fünf extrem veraltete Computer waren völlig unzureichend, um den digitalen Bildungshunger und v.a. den Bedarf der BerufsschülerInnen an buchhalterischen Software-Kenntnissen zu decken. Das hat jetzt ein Ende! Nun gibt es 25 moderne PC-Arbeitsplätze, aktuelle Software-Lizenzen, einen verlässlichen Zugang zum Internet, und ausreichend funktionsfähige, zeitgemäße Geräte, um Lehr- und Arbeitsmaterialien zu scannen, drucken und vervielfältigen.
Jährlich sollen neben den BerufsschülerInnen 15 bis 20 sozial oder finanziell benachteiligte Mädchen aus dem Projektgebiet Extrême Nord, die am Schulstipendien-Programm von TDF und ihrer kamerunischen Partnerorganisation AAFMHL teilnehmen und nicht das CETIC besuchen, grundlegende PC-Kenntnisse außerhalb der regulären Unterrichtszeiten erlernen. Zudem werden Sommerkurse für jährlich 10 bis 30 minderjährige Mütter angeboten, damit sie ihre Qualifikation und folglich Chancen auf einen Arbeitsplatz verbessern und so die Abhängigkeit von männlichen Versorgern verringern oder sogar ganz eigenständig den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder bestreiten können.
Was wurde verändert?
Begonnen wurde mit der Aufrüstung des Raumes – sowohl baulich als auch technisch. Ein neuer Anstrich durfte ebenso wenig fehlen. Anschließend wurden stabile Bänke und Arbeitstische beschafft, die genug Platz bieten, um in Zweier-Gruppen am PC zu arbeiten und konzentriert dem Geschehen auf dem Bildschirm und an der Tafel zu folgen. Wichtigstes Ausstattungsgut sind und bleiben aber 25 neue Computer samt relevantem technischen Equipment, Software und Internet-Zugang für die Ausbildung der BerufsschülerInnen. Ein Beamer und ein Multifunktionsdrucker ermöglichen digitalen Unterricht bzw. erleichtern die Erstellung und Vervielfältigung von Lehr- und Arbeitsmaterial. An all diesen Arbeiten waren die BerufsschülerInnen selbst beteiligt. Sie halfen z.B. bei der Reinigung des Raumes, beim Streichen, Ausladen der Ausstattung und lernten alles Wesentliche über Elektrik und Technik im Zusammenhang mit der Installation von Wechselstromrichtern, Modems, PCs und Verkabelung im Allgemeinen. Ganz zum Schluss wurde der Computer-Raum vom Regionalen Abgeordneten für Sekundarschulbildung, seinem Stellvertreter, dem Berufsschuldirektor des CETIC, dem Leiter der TDF-Partnerorganisation AAFMHL und natürlich einer großen SchülerInnen-Schar feierlich eingeweiht.
Meilenstein für junge Frauen
Ein Computer-Raum in einer Schule klingt für uns völlig selbstverständlich und muss im Kontext des Projektgebiets doch als Meilenstein v.a. für junge Frauen betrachtet werden! Nicht nur, weil er der Einzige seiner Art in der ganzen Region ist. Sondern auch, weil so viele weibliche Berufsschüler ihn nutzen werden. Armut in Kamerun hat ein weibliches Gesicht: Viele Frauen verfügen weder über einen Schulabschluss noch über eine Berufsausbildung. 70 Prozent der KamerunerInnen, die in der Landwirtschaft oder im informellen Sektor arbeiten, sind - wenig überraschend - Frauen. Sie bringen ihre geringen Überschüsse auf den Markt, betreiben kleine Garküchen oder verkaufen am Straßenrand Gemüse. Der Verdienst ist in aller Regel niedrig. Aufgrund von Bildungsmangel, aber auch diskriminierenden Geschlechternormen, sind sie deutlich seltener in traditionellen, politischen oder religiösen Entscheidungsgremien vertreten. In ländlichen Regionen können Frauen in der Regel kein Land erwerben und sind nicht erbberechtigt.
Das Projektgebiet der TDF-Partnerorganisation AAFMHL liegt im infrastrukturell kaum erschlossenen Mandara-Gebirge in Nordkamerun, das nur sehr selten von staatlichen Entwicklungs- und Investitionsprogrammen berücksichtigt wird. Dort lebt die Ethnie der ca. 400.000 Mafa. Die Mafa folgen einer streng patriarchalen Ordnung. Alles, was aus der Erde hervorgeht, gehört den Männern. So, glauben die Mafa, auch die Kinder. Junge Mädchen werden meist früh verheiratet, normalerweise vor ihrem 15. Lebensjahr, nicht selten ist der Ehemann im gleichen Alter wie der Vater. Etwa die Hälfte der Mafa-Männer ist mit mehr als einer Frau verheiratet. Verheiratete Mädchen gehen nur selten weiter zur Schule.
Mädchenbildung für mehr Selbst- und Mitbestimmung
Anstatt selbstbestimmt leben zu können, bleiben sie von ihrem Ehemann abhängig und müssen hart auf dem Feld und im Haus arbeiten. Zudem kostet der Schulbesuch Geld: Eltern haben durchschnittlich sechs Kinder. Söhne werden beim Schulbesuch bevorzugt. Besonders benachteiligt sind Waisenmädchen, die bei Verwandten aufwachsen. Trotz Schulpflicht sind an den Grundschulen im Mandara-Gebirge nur ein Drittel der Kinder Mädchen. An den weiterführenden Schulen machen Mädchen kaum noch 10 Prozent aus. In manchen Dörfern liegt die Analphabetinnen-Rate bei 100 Prozent. Für ihre Töchter wünschen sich die Frauen aus der Projektregion eine bessere Zukunft. Deshalb haben sie den Verein AAFMHL mitgegründet und sich für das Projekt Mädchenbildung 2.0 stark gemacht. Mit dem neuen Computer-Raum wird die Zukunft auch in Kamerun weiblicher! TDF und AAFMHL kooperieren seit 2012.
Wenn Sie Mädchen und junge Frauen in Kamerun auch in Zukunft bei ihrer Schul- und Ausbildung unterstützen wollen, damit sie unabhängiger und selbstbestimmter leben und die Gesellschaft nach ihren eigenen Vorstellungen mitbestimmen können, freuen wir uns über Ihre Spende!
Stand: 07/2020