School Clubs für Geschlechtergerechtigkeit: Sierra Leones SchülerInnen kämpfen für Mädchenschutz

Bei einer Schulveranstaltung mobilisiert AIM für alternative Initationen - ohne FGM. Foto: © AIM

In Sierra Leone sind 90 Prozent aller Mädchen und Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren von Genitalverstümmelung (engl. FGM) betroffen. Die Akzeptanz gegenüber der schädlichen traditionellen Praktik ist immer noch groß. Beschneiderinnen genießen hohes Ansehen. Seit 2012 kämpft die TDF-Partnerorganisation Amazonian Initiative Movement (AIM) gegen FGM. FGM findet im Rahmen einer Initiationszeremonie (Bondo-Kult) statt, die Mädchen wichtiges Wissen für ihr Leben als erwachsene Frau vermittelt, allen voran für ihre Rollen als Ehefrau und Mutter. AIM klärt intensiv über FGM und seine schlimmen Folgen auf – auch an Schulen, über so genannte Menschenrechtsclubs (engl. School Clubs).

Mitglieder der School Clubs sind Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 15 Jahren. Sie melden sich freiwillig zur Teilnahme, wenn sie mehr über Menschenrechte und v.a. FGM erfahren und sich für Mädchenschutz einsetzen wollen. In Sierra Leone ist FGM stark tabuisiert. Kein Gesetz schützt bis heute davor. Aufklärungsprogramme von Regierungsseite gibt es nicht. Ein Mädchen aus dem School Club der Gemeinde Mamusa beschreibt ihre Erfahrung so: „Früher wusste ich nicht, dass Mädchen bei ihrer Initiationszeremonie beschnitten werden. Ich dachte, dass wir mit traditionellen Gesängen und Tänzen das Frauwerden feiern. Zum Glück wurde ich noch nicht initiiert. Jetzt, wo ich weiß, dass FGM ein Teil des Rituals ist, möchte ich nicht mehr an der Zeremonie teilnehmen.“

Forderungen

School Clubs aus Port Loko zu Besuch bei AIM. Foto: © TERRE DES FEMMESSchool Clubs aus Port Loko zu Besuch bei AIM. Foto: © TERRE DES FEMMESEin- bis zweimal pro Woche treffen sich die School Clubs. Mit Unterstützung ihrer Lehrkräfte setzen sich die Mädchen und Jungen mit Themen wie FGM, Frühehe, Teenager-Schwangerschaft und geschlechtsspezifischer Gewalt auseinander. Mit beachtlichem Erfolg! Die SchülerInnen sind sich einig, dass Initiationen künftig keine Beschneidung mehr enthalten dürfen. Sie wissen, dass FGM gefährlich ist und Betroffene meist ihr Leben lang unter den Folgen leiden. Oft können Mädchen nach der Initiation aus gesundheitlichen Gründen lange nicht zur Schule gehen oder werden direkt verheiratet und von der Schule abgemeldet. Viele Familien verschulden sich außerdem, um die Beschneiderin bezahlen zu können. Danach bleibt Nichts mehr für den Schulbesuch der Töchter übrig. Die Mitglieder der School Clubs fordern deshalb, dass nicht nur FGM aufgegeben wird, sondern auch Frühehen ein Ende haben. Zudem wollen sie, dass Mädchen genau wie Jungen die Schule abschließen.

Aufklärung per Radio und Theater

Wissen und Forderungen tragen die SchülerInnen zurück in ihre Klassen, Freundeskreise und Gemeinden. Sie werden zu MultiplikatorInnen für Menschen- und v.a. Frauenrechte. Manche Clubs organisieren Radiosendungen, um auch jenseits ihrer Gemeinden über FGM aufzuklären. Andere entwickeln Theaterstücke, die die Risiken und Folgen von FGM emotional greifbar machen. Wieder andere veranstalten ganze Kampagnen gegen FGM. Nicht überall stoßen sie damit auf offene Ohren. Rund 50 Prozent der Gemeinden verwehren ihnen den Wunsch, aufzuklären. Vor allem Beschneiderinnen lehnen Gespräche mit ihnen ab. Ihre Argumentation: Nicht die Regierung bezahlt unser Essen, sondern der Bondo-Kult und die Beschneidungen finanzieren uns.

Zukunft

Auch ganz junge SchülerInnen machen schon mit. Foto: © TERRE DES FEMMESAuch ganz junge SchülerInnen machen schon mit. Foto: © TERRE DES FEMMESTrotz der immensen Widerstände halten die tapferen SchülerInnen weiter an ihrer Überzeugung und ihren Aktionen gegen FGM fest: „Vor meiner Teilnahme am School Club dachte ich, der Bondo-Kult sei der einzige Weg für ein Mädchen, neue Schuhe, neue Kleidung, ein Handy und andere Habseligkeiten zu bekommen. Heute weiß ich: Nicht die Beschneidung, sondern Bildung ist der Schlüssel zu alldem!“, sagt eine Schülerin.

In Einem ist sich die junge Generation ganz sicher: Sie würden und werden es anders machen! Wären sie PräsidentIn von Sierra Leone, hätte FGM keine Chance.

 

Stand: 03/2020