Friedensverhandlungen in Afghanistan gehen weiter – ohne die Beteiligung von Frauen: Ein Blick auf die jüngsten Ereignisse

Frauen in Afghanistan wollen selbstbestimmt leben! Foto: © Frauenzentrum ShahrakFrauen in Afghanistan wollen selbstbestimmt leben! Foto: © Frauenzentrum Shahrak„Frieden hat nichts mit dir zu tun! Setz dich! Du solltest in der Küche sein und kochen!“, so greift ein Delegierter aus Kandahar eine weibliche Delegierte bei der Loja Dischirga an – einer großen Ratsversammlung, die von der Regierung Afghanistans zur Friedenssituation einberufen wurde. Währenddessen gewinnen radikale Fundamentalisten wieder an Macht, Anschläge und Angriffe auf Frauen nehmen zu und die US-Regierung läutet die sechste Verhandlungsrunde mit den Taliban ein – weiter ohne Beteiligung von Frauen und der afghanischen Regierung.

März 2019: Wir blicken alarmiert auf den Ausschluss von Frauen und Zivilrechtsorganisationen aus den Friedensverhandlungen in Afghanistan. In einem kurzen Rückblick schildern wir den Verlauf der Herrschaft der Taliban zwischen 1996-2001 und die Errungenschaften der FrauenrechtsaktivistInnen in den letzten 17 Jahren. Doch wie hat sich die (frauenrechtliche) Lage seitdem weiterentwickelt?

Die Regierung von Staatspräsident Ashraf Ghani beruft Ende April eine Friedens-Loja-Dschirga mit 3.200 Delegierten in Kabul ein. Unterschiedliche Gruppen der afghanischen Gesellschaft sind dabei repräsentiert; Frauen insgesamt zu 30 Prozent. Die Ratsversammlung verabschiedet nach 4 Tagen 23 Empfehlungen für mögliche Friedensverhandlungen mit den Taliban. Hierzu zählen die Forderung nach einem umfassenden Waffenstillstand, den Abzug ausländischer Truppen bis zu Direktverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban hinauszuzögern, die Wahrung der seit 2001 etablierten Frauenrechte und die Repräsentanz von Frauen bei zukünftigen Verhandlungen. Gleichzeitig kommt Präsident Ghani den Forderungen der Taliban entgegen: Er bietet die Freilassung von 175 Taliban-Gefangenen und die Einberufung einer weiteren Loja Dschirga zur Verfassung, jedoch erst nach einem abgeschlossenen Friedensabkommen.

Doch dieses mögliche Friedensabkommen zwischen afghanischer Regierung und den Taliban ist noch nicht einmal am Horizont zu sehen. Denn zeitgleich zur großen Ratsversammlung nehmen die Taliban und die US-Amerikanische Regierung Anfang Mai ihre Verhandlungen in Doha, Katar wieder auf. Die afghanische Regierung ist davon immer noch ausgeschlossen, denn die Taliban verweigern weiter Direktverhandlungen mit ihnen. Ziel für die USA und die Taliban sei immer noch ein Friedensabkommen, das mit einem schrittweisen Abzug amerikanischer Truppen einhergehen würde. Khalilzad, der bei den Verhandlungen die USA repräsentiert, verkündete nach dem Treffen nur, es seien langsam aber stetig Fortschritte gemacht worden. Dafür nehmen die USA die Bedingungen der Taliban – den Ausschluss von Frauen aus den Verhandlungen – auch weiterhin in Kauf.

Zudem war in Doha, Katar für den 14. April eine „innerafghanische Konferenz“ geplant. Die Taliban akzeptierten die Teilnahme von Vertretern der afghanischen Regierung – allerdings als Privatpersonen, und nicht als Regierungsvertreter. Die Veranstaltung, bei der auch lediglich Haltungen und Ansichten ausgetauscht werden sollten, wurde jedoch abgesagt. Man konnte sich nicht auf die Zusammensetzung der Delegation aus Afghanistan einigen. Unter anderem wurde der „starke Anteil“ von 54 Frauen unter 250 Delegierten, die Präsident Ghani vorgeschlagen hatte, kritisiert. Die „innerafghanische Konferenz“ galt als Lichtblick und hatte zumindest ein erster Schritt bei der Annäherung zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sein sollen.

Gleichzeitig steigen die Opferzahlen in Afghanistan an. Medien melden Bombenanschläge, Taliban-Angriffe, Tötungen von Zivilisten durch amerikanische Truppen, Erschießungen von Polizisten, ... Mittendrin die Nachricht über die Ermordung von Mena Mangal. Die Journalistin und Feministin wurde in Kabul von 2 Männern auf Motorrädern erschossen. Die mutige Frau arbeitete als kulturelle Beraterin im Parlament, setzte sich für die Bildung von Mädchen und Frauen ein und sprach sich in sozialen Netzwerken gegen ihre Zwangsverheiratung aus. Erst im Mai diesen Jahres konnte sie ihre Scheidung juristisch durchsetzen – und hatte seitdem Morddrohungen bekommen.

Human Rights Watch bestätigt den Anstieg von öffentlichen, gewalttätigen Angriffen auf Frauen. Auch Khalida Khorsand, eine Aktivistin aus Herat, sieht die zunehmende Präsenz der Taliban und die daraus resultierenden, alarmierenden Konsequenzen in Afghanistan ansteigen. Unregistrierte religiöse Schulen, die bereits 50.000 junge Menschen zum radikalen Islam bzw. Islamismus rekrutiert haben, tauchen vermehrt um Herat auf. Die Stadt wurde zum „sicheren Hafen für radikale Gruppen, die die Ideologie der Taliban unterstützen“, berichtet die Aktivistin.

Trotz alledem: Die Frauen in Afghanistan geben nicht auf. Das Afghan Women´s Network konnte in den letzten zwei Monaten mehr als zwei Millionen Frauen im Land mobilisieren. Ihre Social Media-Kampagnen #AfghanWomenWillNotGoBack gewann lautstark an Zuspruch und zeigt: Die Frauen in Afghanistan kämpfen weiter für ihre Rechte!

Und auch die Mitarbeiterinnen der TDF-Partnerorganisation Neswan Social Association setzten sich mit ihrer Bildungsarbeit weiter für ein selbstbestimmtes Leben von Mädchen und Frauen in Afghanistan ein!

 

Stand: 05/2019