Beruf und Berufung in einem - endlich kann Urania ihren Traum leben. Foto: © Lucero Prüfend hält Urania den schwarz-weiß gemusterten Rock gegen helles Licht, das durch das Fenster an der Decke fällt. Die 43-Jährige zeigt uns ihr Atelier mit den grasgrünen Wänden und ihrem ganzen Stolz: einer Näh- und Overlock-Maschine. Urania hat ihre Leidenschaft für Mode mit einer Ausbildung bei der TDF-Partnerorganisation MIRIAM zum Beruf gemacht – sie lernte schneidern und fertigt nun Damenkleidung für ihr Label „Ura Fashion“ an.
Beruf und Berufung
Zu Beginn wollte sie einfach nur „Mode machen“, dann wurden plötzlich andere Ausbildungsinhalte spannend: Urania faszinierte, das eigene Unternehmen finanziell zu planen. Viele Frauen konnten einem Budget Nichts abgewinnen, Urania sah darin einen Weg, ihre Ideen greifbar zu machen. Schon als Kind hatte sie davon geträumt, eigene Mode zu entwerfen. In ihren Zwanzigern startete sie eine Schneiderei-Ausbildung bei einem anderen Träger, doch es fehlte an Nähmaschinen und Arbeitstischen. Urania konnte das, was an der Tafel erklärt wurde, nicht umsetzen, sich nie ausprobieren. Frustriert gab sie auf und arbeitete jahrelang als Kellnerin, bis sie sich schließlich ganz ihren vier Kindern widmete. Heute ist Urania überglücklich: dank MIRIAM kann sie endlich ihren Traum leben. Selbstbewusst wirbt sie mit dem Slogan „Estilo que satisface“ – Stil der zufriedenstellt.
Mut zu Neuem
Um zufriedene KundInnen zu haben, müsse sie kreativ und risikofreudig sein, sagt Urania. Viele KundInnen suchen ihr Wunschdesign im Internet aus, Urania soll es dann umsetzen. Andere bringen Lieblingsstoff mit und beschreiben ihr Traumkleid. Dann inspiriert sich Urania selbst im Netz; oder schlendert durch Estelí‘s Läden und merkt sich ausgefallene Schnitte. Immer wieder experimentiert sie mit Neuem. Voll im Trend sind z.B. Cut out-Blusen – Blusen, die freien Blick auf einen Teil der Schultern oder Oberarme gewähren. Solche Schnitte bringt sich Urania selbst bei. Nur ein Design in petto zu haben, wäre unvorstellbar. „Ich will mich nicht selbst einschränken – weder in dem, was ich will noch in dem, was ich kann“, beharrt sie. Ihre Kundschaft kommt aus der eigenen Kirchengemeinde oder findet über Social Media den Weg in ihr Atelier. Vor allem vor Festtagen wie Ostern bekommt sie zahlreiche Aufträge. Ihr Sortiment hat sie - Nachfrage bedingt – mittlerweile auf Männermode und Schuluniformen ausgedehnt.
Hürden auf dem Weg zum Erfolg
Urania’s Mann und Kinder sind stolz auf das, was sie geschafft hat: die selbst genähte Mode bringt nicht nur Bares, sondern macht Urania auch glücklich. Das spürt die ganze Familie. Heute hilft Urania’s Mutter bei der Kinderbetreuung, ihre Tochter verdient ja jetzt Geld. Handwerkszeug und Finanzen sind aber nicht das Einzige, was Urania bei MIRIAM gelernt hat. „Ich habe auch eigene Grenzen überwunden: meine größte Sorge war, dass ein Schnitt misslingen und die Kundin abspringen könnte. Dann wäre ich auf den Kosten sitzen geblieben und hätte meinen Ruf ruiniert.“ MIRIAM bestärkte Urania in ihrem Können und machte ihr bewusst, dass Erfolg nicht von heute auf morgen geschieht. Gemeinsam übten sie mit billigem Stoff, bis Urania die Angst verlor, für KundInnen Mode zu machen. In den Workshops von MIRIAM zu politischer Bildung und Gleichberechtigung lernte Urania Frauen kennen, die Gewalt durch ihren Partner erlitten hatten. All diese Frauen waren – genau wie sie - finanziell von ihrem Partner abhängig. Erst mit einem eigenen Einkommen sahen sie die Chance, aus einer gewaltvollen Bindung auszusteigen. Das bestärkte Urania, finanziell auf eigenen Beinen stehen zu wollen. Noch heute trifft sie sich mit den Frauen aus den Workshops. Sie reden dann über Mode und ihr Leben. Fast alle gestalten es jetzt nach eigenen Wünschen.
Alle Fotos: © Lucero