Mme Bouda mit ihren zwei Töchtern Foto: © ABNIm Februar 2016 verliert die junge Frau P. Bouda bei einem tödlichen Busunfall ihren Ehemann und wird damit im Alter von 20 Jahren zur Witwe. Für sie und ihre beiden Kinder folgt eine sehr schwere Zeit, in der sie mit den in Burkina Faso traditionellen und frauenfeindlichen Witwen-Ritualen konfrontiert wird. Doch Mme Bouda findet Zuflucht und Rat im Gewaltschutzzentrum der Association Bangr Nooma (ABN). Mit Hilfe der Frauenrechtsorganisation erreicht sie eine finanzielle Entschädigung für den Tod ihres Mannes und kann sich erfolgreich gegen die betrügerischen Versuche ihrer Schwieger-Familie durchsetzen.
Nach dem Tod ihres Mannes wird Mme Bouda Opfer der traditionellen Witwen-Rituale. Ihre Schwager kommen in das gemeinsame eheliche Heim und nehmen alles von materiellem Wert mit. Trotz der legalen Eheschließung soll sie beim Erbe ihres Ehegattens nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus setzt die Schwieger-Familie sie massiv unter Druck: Wenn sie nicht einen der Brüder des Verstorbenen heiratet (Leviratsehe), werden sie und ihre Kinder vor die Tür gesetzt. Aus Verzweiflung flieht Mme Bouda zurück in ihr Heimatdorf.
Doch ein weiterer Schicksalsschlag ereilt sie, als ihre dreijährige Tochter chloriertes Wasser trinkt und starke Verletzungen der Speiseröhre und inneren Organe davon trägt. Sie muss sich auf den Weg nach Ouagadougou machen, wo die Tochter mehreren Operationen unterzogen wird und überlebt.
In dieser Zeit wird Mme Bouda auf das Beratungszentrum CAECF (Centre d’Accueil, d’Ecoute et de Conseils pour les Femmes et les Filles) durch deren Aufklärungsarbeit aufmerksam und wendet sich an diese. Das Gewaltschutzzentrum ist eine Anlaufstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen – ein Kooperationsvorhaben der Association Bangr Nooma gemeinsam mit TERRE DES FEMMES, das mit Fördermitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt wird.
Im CAECF hat Mme Bouda zuerst ein Gespräch mit der Psychologin, dann mit der juristischen Beraterin. Sie gehört zu den wenigen mutigen Frauen, die im CAECF vorsprechen und auch tatsächlich rechtlich gegen die ihnen angetane Ungerechtigkeit vorgehen wollen.
Dank der Interventionen durch eine Sozialarbeiterin und juristische Beraterin bei CAECF konnte schnell reagiert und die relevanten Fristen eingehalten werden. Bei dem unfallverursachenden öffentlichen Transportunternehmen konnte daher eine finanzielle Entschädigung für die junge Witwe erwirkt werden.
Doch der Druck der Familie ließ nicht nach, selbst die Mitarbeiterinnen im CAECF wurden bedroht. Mit immer neuen Strategien versuchte die Familie den Besitz und schließlich auch das Entschädigungsgeld in ihre Gewalt zu bringen. Erst die Auseinandersetzung mit der Leiterin des CAECF im direkten Kontakt mit dem Familienvater setzte den Drohungen ein Ende.
Mme Bouda entschloss sich daraufhin, es darauf beruhen zu lassen und sich mit dem Entschädigungsgeld ein neues Leben aufzubauen, „Ich bin einfach nur froh, dass mich meine Familie in Ruhe lässt und mich oder die Mitarbeiterinnen im CAECF nicht mehr bedroht.“. Sie lebt nun mit ihren Kindern in Ouagadougou und ist sehr stolz darauf, dass sie sich als Händlerin mit dem An- und Verkauf von Stoffen ein eignes Einkommen erwirtschaften kann. „Jetzt nehme ich mein Leben selbst in die Hand!“, so Mme Bouda. Das CAECF hat sie auf diesem Weg ermutigt und auch für die Mitarbeiterinnen dort ist sie der erste große Erfolgsfall in der jungen Geschichte des CAECF. Mit den Mitarbeiterinnen dort bleibt sie weiter in Verbindung und kommt beim CAECF regelmäßig vorbei, um sich auszutauschen.
Witwenschaft bedeutet nicht zwangsläufig das Ende der Ehe. Gewohnheitsrecht bestimmt nach wie vor das Schicksal vieler afrikanischer Frauen nach dem Tod ihrer Ehemänner.
Witwen-Rituale sind gerade in West-Afrika weit verbreitet und umfassen ein weites Spektrum von Witwenvererbung (Levirat) in Burkina Faso, Togo und Senegal, über Enterbung bis hin zur Bezichtigung der Hexerei, der sozialen Exklusion und öffentlichen Demütigung. Jedoch ist es schwer, Daten über diese traditionellen frauenfeindlichen Praktiken der Witwenschaft zu erhalten, da nationale Statistiken sehr selten nach dem Familienstand aufgeschlüsselt werden und die Praktizierung aufgrund gesetzlicher Verbote häufig verschwiegen wird.
Viele Witwen in Burkina Faso sind in einer ähnlichen Situation, wie Mme Bouda es war, und wissen nicht über ihre Rechte Bescheid. Viele Betroffene trauen sich aus Angst oder Scham nicht, Sozialzentren für Hilfe aufzusuchen.
Seit 2015 gibt es in Burkina Faso ein nationales Gewaltschutzgesetz (LOI N° 061-2015/CNT). Doch bis heute ist noch kein einziger Fall strafrechtlich auf dieser Grundlage angezeigt worden. Das CAECF macht deshalb neben der Beratungsarbeit auch Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit. Mit Übersetzungen des neuen Gewaltschutzgesetzes in lokale leichtverständliche Sprache weisen sie auf dessen Existenz hin. Durch Gesprächsrunden auf Dorfebene ermöglichen sie den Frauen einen Einblick, welche Formen es an Gewalt gegen Frauen gibt und wie sie sich zur Wehr setzen können. Gemeinsam mit TERRE DES FEMMES leisten ABN und CAECF einen wesentlichen Beitrag, um Frauen den Zugang zu ihren Rechten zu erleichtern und um diese einzufordern.
Stand: 03/2018