Sibel Kekilli und die Mädchen vor der Tanzaufführung.
Foto: © Andreas DauererDie TDF-Botschafterin Sibel Kekilli hat vom 7. bis 10. Juni 2015 gemeinsam mit unserer ehrenamtlichen Projektkoordinatorin Juliane von Krause erstmals ein Roma-Viertel der Stadt Burgas in Bulgarien besucht. Dort informierten sie sich über unser FLORIKA-Projekt und die Situation der Roma-Minderheit. Während der dreitägigen Reise nahmen sie an Aktivitäten der Mädchen teil und betrieben Lobbyarbeit vor Ort. Unter anderem sprachen sie mit der stellvertretenden Bürgermeisterin von Burgas, dem Leiter der Roma Union Mitko Dokov und der Initiatorin eines Präventionsprogramms zur Verhütung von Schwangerschaften bei Minderjährigen.
Das pädagogische Programm von FLORIKA besteht aus vielen Aktivitäten wie Kochen, Tanzen und Nähunterricht. Besonderer Fokus liegt auf der Betreuung der Hausaufgaben. Gleich am ersten Tag besuchte die Delegation die FLORIKA-Mädchen. Sibel Kekilli konnte aufgrund ihres türkischen Hintergrundes mit den meisten Mädchen, die ebenfalls türkischstämmig sind, ungehindert sprechen. Nach kürzester Zeit wurde sie von den mehr als zwanzig Mädchen umzingelt. Sie hatten schnell Vertrauen zu Sibel Kekilli gefasst. Zusammen haben sie gekocht und zu Mittag gegessen. Außerdem besuchten sie als Ehrengäste noch eine öffentliche Tanzaufführung, die die Mädchen einstudiert hatten.Nach der Tanzaufführung im Park ließen alle zusammen Luftballons steigen.
Foto: © Andreas Dauerer
Das FLORIKA-Projekt – Erfolge und Probleme
An dem pädagogischen Programm von FLORIKA nehmen derzeit 26 Mädchen teil. Im Januar sind sieben Mädchen neu aufgenommen worden. Im Herbst werden wieder neue Gruppen starten. Voraussetzung für die Teilnahme ist der regelmäßige Schulbesuch.
Bislang war es aufgrund der bildungsarmen Hintergründe der Mädchen üblich, dass die Mädchen nur die vierjährige Grundschulausbildung absolvierten. Mit Hilfe des Projekts FLORIKA, das seit 2012 von TDF gefördert wird, wird es den Mädchen nun ermöglicht, eine achtjährige schulische Ausbildung zu machen und ihnen so eine Basis für ihr berufliches Weiterkommen zu schaffen. Dies ist ein Beitrag dazu, die Ursachen von Frauenhandel und Zwangsprostitution zu bekämpfen. So fanden einige der Mädchen aus dem Projekt nach Abschluss der Schule einen Arbeitsplatz als Konditorin.
Der Mehrheit gelingt es jedoch nicht, auf eine weiterführende Schule zu gehen. Häufig heiraten viele Mädchen, die zu dem Zeitpunkt meistens erst 14 Jahre alt sind, nicht offiziell sondern nach Roma-Tradition direkt nach dem Schulabschluss. Diese jungen Frauen sind somit mangels beruflicher Qualifikationen stark abhängig von ihren Männern. Im Falle einer Scheidung stehen sie oftmals alleine da. Für sie gibt es nur wenige Möglichkeiten zu arbeiten. Häufig sind sie bei der Stadtreinigung beschäftigt oder eröffnen kleine Verkaufsläden. Andererseits driften aufgrund der fehlenden Zukunftsperspektiven viele junge Frauen in die Zwangsprostitution ab – vor Ort und im Ausland. Ein Erfolg: Kein Mädchen, das an den Programmen von Florika teilgenommen haben, ist bisher Opfer der Frauenhändler geworden.
Programm zur Prävention von Teenagerschwangerschaften
Aktuell läuft ein neues Präventionsprogramm gegen so genannte Teenagerschwangerschaften an, das durch eine Hebamme aus dem lokalen Krankenhaus initiiert wurde. Sie berichtete, dass vermehrt junge Mädchen ab 14 Jahren ein Kind gebären. Besonders auffallend sei die Herkunft der Mädchen, denn alle kommen aus den Roma-Vierteln.
Aufgrund des Phänomens der Teenagerschwangerschaften finden im Rahmen des Programms viele Hausbesuche statt, bei denen die Mädchen über die hohen Risiken für Mutter und Kind aufgeklärt werden. Erst vor Kurzem ist ein junges Mädchen bei der Geburt gestorben. Insbesondere sollen die Eltern durch gezielte Hausbesuche erreicht werden, da sie sich der Themen Gesundheit und Aufklärung oft entziehen. Parallel zu den Hausbesuchen hat die Arbeit in getrennten Gruppen mit den Mädchen, Jungen und Eltern begonnen. Neben den Eltern finden vor allem auch die Jungen nur schwer Zugang zum Thema.
Mit Mitko Dokov wurde ebenfalls ausführlich über das neue Projekt besprochen. Leider sind HIV, Hepatitis B und Tripper recht verbreitet. Weil die jungen Frauen nicht krankenversichert sind, gehen sie nicht zum Arzt. Dadurch kommt es immer wieder zu Schädigungen der Föten oder Frühgeburten beispielsweise durch Tripper.
Das Programm zur Prävention früher Schwangerschaften ist sehr anspruchsvoll und gewagt, denn sexuelle Themen sind tabuisiert. Mädchen sollen nach Vorstellung der Eltern keine sexuelle Aufklärung erhalten. Das macht es umso schwerer, Teenagerschwangerschaften zu stoppen.
Offizielle Termine: Nutzung des Hauses der Roma Union und des Projektes FLORIKA
Ein Erfolg konnte im Gespräch mit der stellvertretenden Bürgermeisterin erzielt werden: Die Roma Union wird das Gebäude für die Projektvorhaben von FLORIKA auch in Zukunft nutzen dürfen. Darüber hinaus wurde über eine Erweiterung des bestehenden Gebäudes im Rahmen eines neuen Kindergartens und einer Sporthalle gesprochen. Diese Vorhaben sind derzeit noch umstritten, da die nationale Partei das Projekt ablehnt.
Sibel Kekilli und Juliane von Krause beim Lobbygespräch im Rathaus mit der Beauftragten für Bildung und Integration, Foto: © Andreas Dauerer
Perspektiven für FLORIKA
Dank des Besuchs von Sibel Kekilli konnte eine neue Förderin des FLORIKA-Projekts gewonnen werden. „FLORIKA ist eine wichtige Anlaufstelle für die benachteiligten Romamädchen und es war beeindruckend zu sehen, dass es Menschen gibt, die versuchen, das alles möglich zu machen.
"Ich hoffe, dass ich in Zukunft auch intensiver mitarbeiten kann." – Mit diesen Worten von Sibel Kekilli endete die Projektreise, aber nicht ihr Engagement für die FLORIKA-Mädchen. Neben neuen Einkommensmöglichkeiten interessierte sie sich insbesondere auch für die materielle Hilfe wie die Beschaffung von Schuhen, Kleidern oder Stoffen.
Stand 06/2015