Kinder- und Mädchenschutz geht uns alle an!

U-UNTERSUCHUNGEN FÜR KINDER UND JUGENDLICHE

Die regelmäßige Teilnahme an ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (U-Untersuchungen) von Kindern und Jugendlichen dienen als wichtiger Baustein, um ein gesundes und gewaltfreies Heranwachsen zu fördern.

In Deutschland hat jedes Kind Anspruch auf 14 ärztliche Vorsorgeuntersuchungen.

Es gibt 10 Untersuchungen im Vorschulalter, d.h. bis zum 64. Lebensmonat (U1 – U9).  Darauf folgen im Schulalter zwei weitere Vorsorgeuntersuchungen d.h. im Alter von 7-8 Jahren (U10) und 9–10 Jahren (U11). Abschließend gibt es im Alter von 12-14 (J1 und 16-17 (J2) ebenfalls zwei Vorsorgeuntersuchungen.

Derzeit werden von allen Krankenkassen nur die Kosten der U1-U9 sowie der J1 übernommen.

Auf Bundesebene gibt es bislang keine gesetzliche Regelung, die Eltern dazu verpflichtet, ärztliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche wahrzunehmen. Derzeit sind die Vorsorgeuntersuchungen in nur drei Bundesländern, Baden Württemberg, Bayern und Hessen gesetzlich verpflichtend.

In allen anderen Bundesländern bis auf Sachsen wird ein appellatives Verfahren und somit freiwilliges Verfahren verfolgt. Das heißt Eltern werden bei Nichteinhaltung der Termine explizit an die Vorsorgeuntersuchung erinnert bzw. zu deren Teilnahme eingeladen. Allerdings wird das appellative Verfahren in den meisten Bundesländern nur bis zur U9 verfolgt.

Der Staat hat den gesetzlichen Schutzauftrag, das Wohl des Kindes zu schützen.

In Bundesländern, die appellativ verfahren, nimmt die Teilnahme vom 2. Lebensjahr bis zum Vorschulalter ab. Eine deutliche Abnahme der Teilnahme ist nochmals bei der J1 und J2 zu verzeichnen. Insbesondere Familien mit besonderen sozialen Belastungen werden durch ein einfaches Erinnerungs- und Einladungsverfahren nicht immer erreicht.

Die Auswertungen von Fällen, in denen Kinder aufgrund von Vernachlässigung und Misshandlung zu Tode gekommen sind zeigen, dass die Eltern in den meisten Fällen die Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen haben.

Die Nichtteilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen können, laut mehreren Studien, ein Indiz dafür sein, dass die Eltern der ihnen obliegenden Fürsorgepflicht nicht ausreichend nachkommen und insofern ein Ansatzpunkt für helfende Interventionen der Kinder- und Jugendhilfe und des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Eine verpflichtende Regelung würde die Teilnahme fördern und zugleich präventiv in Bezug auf mögliche Gefährdungsrisiken des Kindes, wie weibliche Genitalverstümmelung, wirken.

Die große Mehrheit der Eltern nimmt ihre Aufgaben sehr verantwortungsbewusst wahr. Leider sind zu häufig Eltern überlastet und mit der Erfüllung ihrer Pflichten überlastet. Das Kindeswohl muss über dem Elternrecht stehen.

Kevin in Bremen war den unterschiedlichsten involvierten Behörden wohlbekannt – und dennoch konnte man seinen Tod nicht verhindern.

Ein Problem in der „Akte Kevin“ war die mangelnde Kommunikation der verschiedenen Professionen untereinander. Und genau da setzt die Verpflichtung für die U-Untersuchungen an: Wir kommunizieren! Die „schweren“ Fälle der Kindeswohlgefährdung sind meistens den Behörden bekannt. In diesen Fällen wäre die Verpflichtung der U-Untersuchungen ein wichtiger Baustein, der zur besseren Vernetzung medizinischer und sozialer Institutionen zum Schutz der betroffenen Kinder nutzt.

Kinder haben das Recht auf eine Gewaltfreie Erziehung (§1631, Abs. 2 BGB).

Das Bundeskinderschutzgesetz bezieht sich explizit auf die bundesweite Organisation des Kinderschutzes. Hier sind besonders auch die Kinder- und JugendärztInnen aufgerufen, bei den Vorsorgeuntersuchungen auf Zeichen von Vernachlässigung und Gewalt in der Familie zu achten.

Der Bund muss ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um Kinder- und JugendärztInnen mit Blick auf Kindeswohlgefährdungen, in Fällen von Vernachlässigung, Misshandlung, sexueller oder sexualisierter Gewalt und weiblicher Genitalverstümmelung ausreichend fort- und weiterzubilden.

TERRE DES FEMMES fordert die Einführung bundesweit verpflichtender ärztlicher Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche, um Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und sexuellem Missbrauch sowie Genitalverstümmelung an Mädchen frühzeitig zu erkennen bzw. zu verhindern.