Das eigene Zuhause ist für viele Frauen der gefährlichste Ort. Jede vierte Frau erlebt in Deutschland mindestens einmal häusliche Gewalt in ihrem Leben.i Das bedeutet, dass wir alle Betroffene, aber auch Täter in unserem sozialen Umfeld kennen. – Denken Sie an vier Frauen und ihre (Ehe-)Partner in Ihrem Leben: Ihre alte Schulfreundin und ihren Lebensgefährten, den netten Kollegen und seine Partnerin, die andere Mutter in der Kita und ihren Ehemann, oder denken Sie an ihr eigenes familiäres Umfeld. Statistisch hat oder wird mindestens jede vierte Frau von ihnen häusliche Gewalt erleben oder musste es bereits. Eine von vier.
TERRE DES FEMMES fordert uns alle auf, genauer hinzuschauen
Gemeinsam mit den Studentinnen Malene Sparka und Jasmin Kordys des Studiengangs ‚Kommunikationsdesign und Medien‘ an der Hochschule Wismar und der Wall GmbH als Außenwerber hat TERRE DES FEMMES eine innovative Plakatkampagne entwickelt, die auf die hohen Zahlen häuslicher Gewalt in Deutschland aufmerksam macht. Die kreative Idee der Studierenden ist dabei, dass die Zeichen der Gewalt – blaue Flecken, Würgemale, Gürtel - durch einen Mechanismus der CityLightPoster erst mit einbrechender Dunkelheit sichtbar werden. Die Dunkelheit steht symbolisch dafür, dass Täter in den meisten Fällen im Verborgenen gewalttätig gegenüber ihren Partnerinnen werden – dann, wenn es niemand sieht.
Im Rahmen der neuen Plakatkampagne #jedeVierte fordert TERRE DES FEMMES uns alle auf, genauer hinzusehen – und zu hören. Denn je genauer Sie hinschauen, desto weniger können Sie wegschauen.
Auf unserer Kampagnenwebsite finden Sie detaillierte Informationen dazu, wie Sie Warnzeichen für häusliche Gewalt erkennen und Betroffenen helfen können, sowie Hilfsangebote, falls Sie selbst betroffen sein sollten. Die 250 Plakate hingen vom 21. Februar – 02. März 2022 in Berlin.
Der Kampagnenfilm zu #jedeVierte mit einem Interview mit Sina Tonk, TDF-Bereichsleiterin Referate
Häusliche Gewalt - ein Tabu bis heute
2020 wurden 119.164 Frauen bundesweit Opfer von Partnerschaftsgewalt.ii Die Gewalt an Frauen ist im Vergleich zum Vorjahr um 3,7% angestiegen. BKA-Präsident Münch schätzt, dass das Dunkelfeld für Partnerschaftsgewalt betreffende Straftaten bis zu 90% betragen könnte. Demnach würden die Zahlen nur einen geringen Bruchteil der Realität widerspiegeln, die Frauen in Deutschland tagtäglich erleben müssen.
Die Zahlen sind schockierend. Gründe für die hohe Dunkelziffer können unter anderem finanzielle oder emotionale Abhängigkeitsverhältnisse sein, die Angst um das Wohlergehen der gemeinsamen Kinder oder die Angst, dass der Betroffenen nicht geglaubt wird, weil der Täter nach außen seine Fassade aufrechterhält. Somit ist das Thema häusliche Gewalt bis heute noch immer stark tabuisiert und behaftet mit vielen stereotypen Vorstellungen. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass häusliche Gewalt in jedem Fall unterschiedlich aussehen kann. Körperliche Gewalt ist nicht die einzige Form von häuslicher Gewalt – sie umfasst auch psychische, sexuelle, soziale und finanzielle Gewalt. Für Außenstehende ist sie daher oft schwer zu identifizieren, wodurch Warnzeichen häufig nicht oder erst spät erkannt werden. Viele Betroffene häuslicher Gewalt verstecken außerdem sichtbare Spuren, wie blaue Flecken in der Öffentlichkeit aus Angst und Scham.
Wer sind die Täter?
Häusliche Gewalt ist ein Problem, dass sich durch alle sozialen Schichten in Deutschland zieht, Faktoren wie Status, Bildungsgrad oder Wohnort sind nicht ausschlaggebend. Das Geschlecht jedoch schon: Rund 79% der Tatverdächtigen sind männlich und rund 80% der Opfer sind weiblich.iii Am häufigsten erfasste das BKA Tatverdächtige im Alter zwischen 30 bis unter 40 Jahren (33,8%) im Jahr 2020. In einer Broschüre von 2021 zur Täterarbeit betont das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass Gewaltverhalten erlernt ist und dadurch Täter zu 100% für ihr Verhalten verantwortlich sind. Dabei dient die Gewaltausübung der „Stabilisierung und Erhaltung von Machtverhältnissen“ iv, sowie der Kontrolle der (Ex-) Partnerin. Auf individueller Ebene können eigene Gewalterfahrungen in der Kindheit des Täters, Drogenkonsum oder Stress dann als Brandbeschleuniger wirken, wobei keiner dieser Faktoren die Verantwortung des Täters mindert.
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