Alltägliche Gewalt an Frauen steigt weiter an

Auch die in diesem Jahr veröffentlichen Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigen einen erneuten Anstieg von versuchten und vollendeten Delikten der Partnerschaftsgewalt. Im Jahr 2019 wurden 141.792 Taten erfasst, vorherrschend Körperverletzung. An Frauen gerichtet waren 114.903 dieser Gewalttaten und umfasst somit 81% sämtlicher Delikte von Partnerschaftsgewalt (Vorjahr: 81,3%). In den Deliktskategorien sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung sowie Zuhälterei und Zwangsprostitution sind laut Statistik fast ausschließlich Frauen betroffen. Partnerschaftsgewalt hat viele Erscheinungsformen, darunter fallen auch Stalking und Freiheitsberaubung, bis hin zu Mord und Totschlag. Beinah jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch einen Gewaltakt ihres (Ex-)Partners.

In knapp 50% der Fälle lebten die Frauen mit der tatverdächtigen Person in einem gemeinsamen Haushalt. Gerade während der Corona-Pandemie und Zeiträumen der Lockdowns verschärft sich die Lage für viele Frauen. Bekannt ist, dass Krisensituationen zu einem enormen Anstieg an Gewalttaten führen können und die Kontaktbeschränkungen und häusliche Isolation den Zugang zu Schutzmöglichkeiten einschränken. In einigen Bundesländern konnte bereits ein Anstieg häuslicher Gewalt vernommen werden, und auch Frauenhäuser sowie Beratungsstellen berichten über eine Zunahme der Inanspruchnahme während der Pandemie. Das gesamte Ausmaß wird sich jedoch erst in den nächsten Monaten erkennen lassen.

In der Pressemitteilung durch Bundesfrauenministerin Giffey wird zurecht deutlich darauf hingewiesen, dass Partnerschaftsgewalt keine Privatsache sei, sondern es sich ganz klar um Straftaten handle. Der erneute Anstieg zeigt deutlich, dass Gewalt an Frauen keine individuelle Einzeltat ist, sondern vielmehr im größeren Zusammenhang gesehen werden muss, da es ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt. Dabei wird Gewalt gegen Frauen gerne als ein kulturelles Problem abgetan. Doch auch hier zeigen die Zahlen des Bundeskriminalamtes ganz deutlich, dass gewalttätiges Verhalten sich eben nicht auf eine bestimmte Gruppe zurückzuführen lässt. Insgesamt waren in dem Berichtsjahr 2019 ca. 70% der von gewaltbetroffenen Personen deutscher Staatsangehörigkeit. Ein ähnlich hoher Anteil lässt sich auch bei den Tatverdächtigen erfassen (66.1%).

Generell geben die Zahlen des Bundeskriminalamtes lediglich einen Hinweis auf die Situation der Partnerschaftsgewalt in Deutschland, schließlich werden einzig diejenigen Gewaltakte gegen Frauen aufgeführt, welche polizeilich festgehalten worden sind. Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher.

Initiativen wie „Stärker als Gewalt“ der Bundesregieren sind natürlich als positiv zu bewerten, doch werden immerzu nur die Symptome von Gewalt bekämpft. Neben dem Schutz der Betroffenen sollten unbedingt stärkere Präventionsmaßnahmen an der Tagesordnung stehen, um solche Gewalttaten überhaupt zu verhindern und der Gewalt an Frauen endlich konsequent und nachhaltig entgegenzutreten. Detaillierte und vergleichbare Datensammlung und Analyse sind nicht nur im Bereich der Partnerschaftsgewalt, sondern sämtlicher geschlechtsspezifischen Gewalttaten essentiell, um die Hintergründe solcher Taten zum einen besser zu erkennen und folglich auch effektiver gegen diese vorzugehen. Wir müssen endlich die Augen öffnen, denn wie kann es sein, dass im Jahr 2020 das eigene Zuhause immer noch der gefährlichste Ort für viele Frauen ist?

 

Stand: 12. November 2020

Quelle

BKA. (2020). Partnerschaftsgewalt - Kriminalistische Auswertung – Berichtsjahr 2019.

BKA. (2020). Gewalt in Partnerschaften bleibt auch 2019 auf hohem Niveau.