Bis heute ist das gängige Bild in den Köpfen beim Thema Vergewaltigung die brutale Vergewaltigung einer Frau durch einen unbekannten Triebtäter nachts im Park. Doch öffentliche Orte sind bei sexualisierter Gewalt in „nur“ etwa 20 Prozent1 der Fälle auch der Tatort. Dies sind jedoch die spektakulären Fälle, über die in den Medien berichtet wird und die zum Weiterleben des Mythos beitragen. Die Täter sind auch in der Regel keine „Psychopathen“, die ihren Trieb nicht kontrollieren können. Nur etwa 5% der Täter weisen psychische Auffälligkeiten auf.2
Weniger Erwähnung findet in der Berichterstattung die „alltägliche“ Gewalt an Frauen. Sie findet im eigenen Zuhause statt und der Täter ist in der Regel kein Unbekannter, doch oft bleibt er im Verborgenen. Die Hemmungen, nahe stehende Personen anzuzeigen, sind groß und die Meldequote entsprechend gering. Viele Betroffene sprechen aus Scham mit niemanden über die Tat.
Immer noch passiert es häufig, dass den Frauen eine Mitschuld an der Tat gegeben wird. Es wird ihnen zum Vorwurf gemacht, sich falsch gekleidet, falsch verhalten oder sich am falschen Ort aufgehalten zu haben. Dabei spielt das Aussehen der Betroffenen keine Rolle!
Viele Betroffene müssen erleben, dass ihnen nach einer Vergewaltigung nicht geglaubt wird. Der Mythos der „Falschanzeigen“ ist allmächtig und findet sich in nahezu jeder Berichterstattung wieder. Dabei sind gerade bei dieser Straftat die vorgetäuschten Gewaltdelikte gering: Schätzungen gehen lediglich von 2-8% Falschanschuldigungen aus.3
Die meisten Betroffenen verzichten auf eine Strafanzeige nach einer Vergewaltigung, insbesondere, wenn der Täter aus dem engeren Umfeld stammt. Mit etwa 8.000 angezeigten Vergewaltigungen jährlich befindet sich Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld bei der Meldequote.
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1 BMFSFJ 2004, S. 14.
2 Drießen, Birgit: Vergewaltigung und sexuelle Nötigung. Entwicklungen und Trends im 10-Jahres-Rückblick. In: 19. Nationaler Kongress der International Police Association Deutsche Sektion e.V., Lübeck 2011.
3 Ebd., S. 27.