Teilerfolg im Kampf gegen Zwangsverheiratung - Jetzt muss die Regierung Beratungs- und Schutzangebote verbessern!
Am Donnerstag, den 17. März hat der Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsheirat beschlossen. TERRE DES FEMMES begrüßt den neuen Straftatbestand als klares Bekenntnis des Staates, dass es sich bei der Zwangsverheiratung um eine fundamentale Menschenrechtsverletzung handelt. Und das deutlich verlängerte Rückkehrrecht gibt den Betroffenen eine reale Chance, nach einer so genannten Heiratsverschleppung wieder nach Deutschland zurückzukehren. Für beide Veränderungen hat sich TERRE DES FEMMES seit Jahren stark gemacht.
Einen ausreichenden Schutz von Betroffenen ergibt das neue Gesetz aber keineswegs. TERRE DES FEMMES appelliert deshalb an die Bundesregierung, jetzt Beratungs-, Betreuungs- und Schutzangebote zu verbessern, wie es im Koalitionsvertrag versprochen wurde.
Im Gesetz enthalten ist leider auch eine Erhöhung der Ehebestandszeit zur Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltstitels von zwei auf drei Jahre. TERRE DES FEMMES hat in einem Appell gemeinsam mit mehr als 50 Frauenrechtsorganisationen und ExpertInnen im Januar 2011 dagegen protestiert.
Am 14. März fand eine öffentliche Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestags zum dem Gesetz statt, zu der auch eine Vertreterin von TERRE DES FEMMES als Sachverständige geladen war. (Download ihrer Stellungnahme)
- Pressemitteilung vom 16. März 2011 zur Abstimmung im Deutschen Bundestag am 17. März 2011
- Pressemitteilung vom 11. März 2011 zur Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestags am 14. März 2011
- Zum Text des Appells
- Pressefotos vom Protest am 20. Januar zum Download finden Sie hier.
TERRE DES FEMMES begrüßt: Eigener Straftatbestand Zwangsverheiratung
TERRE DES FEMMES fordert seit vielen Jahren einen Straftatbestand Zwangsheirat und ein verbessertes Rückkehrrecht und begrüßt diese neue Regelung. Es ist zwar nicht zu erwarten, dass die Mehrheit der Betroffenen Strafanzeige stellt. Dennoch ist der Straftatbestand Zwangsheirat ein deutliches Signal in die Öffentlichkeit, dass eine solche Menschenrechtsverletzung vom deutschen Staat nicht geduldet wird. Besonders wichtig ist auch, dass mit dem neuen Gesetz auch die Heiratsverschleppung benannt wird.
Rückkehrrecht bei Heiratsverschleppung
Das Gesetz enthält eine Veränderung so das der Aufenthaltstitel von Betroffenen nicht mehr innerhalb von sechs Monaten erlöscht. Betroffene werden in Zukunft fünf oder sogar zehn Jahre nach Deutschland zurückkehren können.
TERRE DES FEMES kritisiert: Erhöhung des eheabhängigen Aufenthaltsrechts (Ehebestandszeit)

Foto: TERRE DES FEMMES
Zu unserem Entsetzen enthält das Paket eine Erhöhung der Ehebestandszeit beim eheabhängigen Aufenthaltsrecht von zwei auf drei Jahre. Alle Personen, die durch den Familiennachzug nach Deutschland kommen, erhalten demnach erst nach drei Jahren eine vom Ehegatten unabhängige Aufenthaltserlaubnis.
Eine Scheidung innerhalb dieses Zeitraums bedeutet das automatische Rückfahrticket ins Herkunftsland. Doch zurück ins Herkunftsland können viele Frauen nicht: Dort würden sie sich in vielen Fällen im sozialen und ökonomischen Abseits befinden, als geschiedene Frau würden sie in vielen Ländern von der Gesellschaft geächtet. Die bestehende Härtefallregelung, in der zum Beispiel in Fällen von häuslicher Gewalt von der Frist abgewichen werden kann, wird in vielen Fällen vor Gericht sehr restriktiv ausgelegt und bietet somit keine sichere Handlungsoption.
TERRE DES FEMMES fordert ein eigenständiges Aufenthaltsrecht von EhepartnerInnen ab dem Zeitpunkt der Eheschließung.
Zwangsheiraten im Ausland
TERRE DES FEMMES bedauert, dass eine Ergänzung im §6 Strafgesetzbuch in dem Gesetz nicht anvisiert wurde. Wir befürchten, dass dadurch eine Gesetzeslücke bei Zwangsverheiratungen im Ausland nicht geschlossen wird. Betroffene ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die ohne Vorahnung ins Ausland reisen, können auch weiterhin nicht auf eine strafrechtliche Verfolgung ihres Falles hoffen.
Abschließend ist noch anzumerken, dass dieses Gesetzespaket nicht ausreicht, um Bedrohte und Betroffene vor Zwangsverheiratung zu schützen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP hat sich die Regierung auf die Fahnen geschrieben, die Beratungs-, Betreuungs- und Schutzangebote zu verbessern.
Es bleibt also noch viel zu tun!
Das Forum Menschenrechte - ein Netzwerk von mehr als 50 NROs hat eine ausführliche Stellungnahme zu Gesetzesveränderungen zu Zwangsverheiratung (PDF-Datei) verfasst. TERRE DES FEMMES ist Mitglied beim Forum Menschenrechte und hat aktiv an der Stellungnahme mitgewirkt.